Der Bankert vom Naschmarkt

Der Bankert vom Nachmarkt, Buchcover, sehr passend im Schnee ... Bild (c) Alexandra Wögerbauer - Flicker - kekinwien.at

Der Bankert vom Naschmarkt

Eine Graphic Novel und ein bildgewaltiger k.u.k.- Monarchie-Krimi …

Im Jahr 1911 wird auf dem Wiener Naschmarkt, einer auch noch heute sehr beliebten Sehenswürdigkeit, ein erfrorenes Baby, der Bankert vom Naschmarkt* gefunden. K.u.k.- Polizeiinspector Joseph Maria Nechyba, ein korpulenter Genussmensch, wird mit dem Fall betraut, und klärt mit viel Herz und Hirn dieses und andere Verbrechen auf.

Gerhard Loibelsberger, der mit der Figur des Inspectors schon eine erfolgreiche Reihe von klassischen Krimis im Gmeiner-Verlag entwickelt hat, ist mit dieser innovativen Graphic Novel, gezeichnet von Reinhard Trinkler, ein wundervoller Einblick in das historische Wien gelungen. Fernab vom Kitsch der Sisi-Filme wird das wahre Wien zur Zeit von Kaiser Franz Josef geschildert.

Die stimmungsvollen Bilder von Trinkler lassen die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg sehr authentisch wiederauferstehen. Im Milieu des sechsten und siebten Wiener Gemeindebezirks mit seinen mondänen Jugendstilhäusern auf der einen Seite, der Wienzeile und den Arbeiterquartieren auf der anderen Seite des Naschmarktes werden die Archetypen dieser Zeit großartig, aber mitunter auch sehr uncharmant bis unbarmherzig skizziert: Die Marketenderin Roserl, der man bis zum Gaumenzapferl in den schreienden Schlund sehen darf, als sie das erfrorene Baby findet, das überhebliche Ehepaar von Odenthal, dem die Bosheit und der Sadismus, mit dem es ihrem Personal begegnet, an den Gesichtern abzulesen ist, der Bandlkramer Giulio, dem man seine Alkoholsucht auf den ersten Blick durch die blutunterlaufenen Augen ansehen kann … Das ist zwar nicht hübsch aber grandios. Die Armut der dienenden Unterschicht im Gegensatz zu den Hochwohlgeborenen wird gekonnt in Szene gesetzt. Lediglich Inspector Nechyba, seine geliebte Ehefrau Aurelia und der Kaiser Franz Josef sind in dieser Geschichte sehr wohlwollend gezeichnet. Leider hat mich diese grafische Überstilisierung, die mich im Rahmen der Figurenentwicklung so begeistert, bei der Darstellung der Gebäude ein bisschen gestört – hätte ich doch glatt das Polizeihauptquartier im zweiten Bezirk, die Rossauerkaserne, an der ich mindestens einmal wöchentlich vorbeifahre, nicht erkannt. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau.

Der eigens von Loibelsberger für die Graphic Novel entwickelte Kriminalfall ist – obwohl kurz – dennoch sehr spannend. Im Stakkato kann der Leser spannendes Mörderraten spielen, denn der Verdächtigen, die das Baby scheinbar kurz in ihrer Obhut hatten, gibt es unzählige. Auch die Auflösung der Kindestötung ist sehr gut entwickelt. Lediglich das Motiv für den zweiten Mord erschloss sich mir einfach nicht so richtig.

Fazit: Ein guter Krimi – grandios grafisch in Szene gesetzt – und sehr innovativ. In dieser Qualität ist es ein herrliches Vergnügen, in das Genre der Graphic Novel einzutauchen.

* Vielleicht sollte ich auch noch den österreichischen Dialektausdruck „Bankert“ im Titel dieser Graphic Novel näher erklären: Bankert ist eine altmodische, abfällige Bezeichnung für ein uneheliches Kind, das quasi auf einer Bank gezeugt wurde.

 

Loibelsberger, Der Bankert vom Naschmarkt, Bildbearbeitung - kekinwien, Cover (c) Almathea Verlag

Loibelsberger, Der Bankert vom Naschmarkt, Bildbearbeitung – kekinwien, Cover (c) Almathea Verlag

 

Der Bankert vom Naschmarkt

Buchdetails:

  • Autor: Gerhard Loibelsberger
  • Illustrator: Reinhard Trinkler
  • Aktuelle Ausgabe: 1. September 2017
  • Verlag: Amalthea Signum
  • ISBN:  978-3-99050-103-0
  • flexibler Einband: 96 Seiten
  • gesehen um Euro 20,00 im guten Buchhandel.

Gerhard Loibelsberger

„Gerhard Loibelsberger, geboren 1957 in Wien, startete 2009 mit den »Naschmarkt-Morden« die erfolgreiche Serie historischer Kriminalromane rund um den schwergewichtigen Inspector Joseph Maria Nechyba. 2010 nominiert für den Leo-Perutz-Preis. 2016 Auszeichnung mit dem goldenen HOMER Literaturpreis. Neben zahlreichen Lesungen Auftritte mit dem »Club Dada« und seiner Rockband »Der Dritte Mann«.

Reinhard Trinkler

Reinhard Trinkler, geboren 1987, lebt als Maler und Illustrator in Niederösterreich. Er zeichnete u. a. Comic-Hefte zu »Kottan ermittelt«, wöchentliche »Kottan«-Comicstrips im »Wiener Bezirksblatt«, hatte Ausstellungen seiner Porträts in Wiener Theatergalerien, arbeitete mit Heidi Baratta und Paulus Manker zusammen. Zuletzt bei Amalthea erschienen: »Der Blöde und der Gscheite. Die besten Doppelconférencen« (2014), »Der Herr Karl« (mit Christian Qualtinger, 2014), »Sisi. Die unsterbliche Kaiserin« (mit Christian Qualtinger, 2016), »Die Habsburger. Das etwas andere Ausmalbuch« (2016) und »Falco. Die Legende lebt« (2017).“ (Infos von der website des Verlages)

Keker Tipp!

 Am 9. Dezember 2017 präsentieren Gerhard Loibelsberger und Reinhard Trinkler »Der Bankert vom Naschmarkt« im Rahmen des BuchQuartier im MQ Wien.

(Beitragsbild: Der Bankert vom Nachmarkt, Buchcover, sehr passend im Schnee … Bild (c) Alexandra Wögerbauer – Flicker – kekinwien.at)

 

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