Die in Österreich erste Gesamtschau zu Joseph Cornells Werk im Kunsthistorischen Museum Wien läuft nur mehr bis zum 10. Jänner 2016!
Wir haben einen Nebeltag genutzt und gestaunt. Ein keker Rundgang …
Joseph Cornell (1903 – 1972) brach sein Studium ab, reiste nicht und verließ seinen Wohnort Flushing, New York selten, die USA nie. Dennoch erwarb er sich ein umfassendes und weltoffenes Wissen und erscheint heute als eine Art Universalgelehrter.
Es war künstlerisch gesehen Autodidakt, erfuhr nie eine akademische oder sonstige Ausbildung in Malerei, Zeichnen oder Bildhauerei. Trotzdem zeugen seine Arbeiten von hohen kreativen und handwerklichen Fertigkeit. Sie beeinflussten Künstlerkollegen von Robert Rauschenberg, Andy Warhol, James Rosenquist, Jasper Johns bis Sol LeWitt.
Er war ein Sammler, wobei er das Wunderbare im Alltäglichen niemals übersah und aus oft achtlos Entsorgtem Erstaunliches schuf. Im Laufe seines Lebens konnte er letztlich seinen Brotberuf als Handelsvertreter aufgeben und ausschließlich seiner Berufung als Künstler nachkommen.
Die räumlich auf zwei Ebenen des Kunsthistorischen Museums Wien stattfindende Ausstellung besteht im Wesentlichen aus einem sakral wirkenden, abgedunkelten Raum, in dem die über siebzig Schaukästen und Objekte Cornells nach Themen geordnet ausgestellt sind.
Die Beleuchtung ist schwach, um die teilweise filigranen Kunstwerke nicht dem Verfall auszusetzen. Für alle Körpergrößen und besonderen Bedürfnisse die richtigen Höhe für die Betrachtung zu finden, ist wohl ein Ding der Unmöglichkeit. Dafür erlaubt die Ausstellungsarchitektur auch Blicke auf die Rückseiten der Objekte, die ich dringend empfehlen möchte.
Ein wenig angestrengt und künstlich fand ich die Verquickung der Sonderschau mit dem Ausstellungsort selbst im zweiten Teil der Ausstellung „Cornell und die Kunstkammer“: Auf dem Weg durch dieselbe ist in jedem Saal ein Objekt „versteckt“, das manchmal ungelenk, manchmal offensichtlich in Bezug zu Cornells Arbeiten gestellt wird. Wer aber einen ausgeprägten Spieltrieb hat, wird sich amüsieren bei der Suche nach dem jeweiligen Ausstellungstück und dann in Saal 28 mit vier weiteren Arbeiten des Künstlers belohnt. Nicht missverstehen: Cornell passt wunderbar ins Kunsthistorische Museum und setzt die Retrospektivenreihe moderner Meister nach Lucian Freud konsequent fort – auch ohne Rätselralley.
Für mich war sie allerdings ein schon lange fälliges Wiedersehen mit der Saliera, den phantastischen Automaten und den ebenso erstaunlichen, wie absurden Elfenbeinschnitzereien. Schon bemerkenswert, was die Fähigkeiten von Größen wie Cellini hervorgebracht haben, um dem Geltungsbedürfnis diverser Monarchen Genüge zu tun: ein „Zumpferlstreit“ in Barock und Renaissance sozusagen …
Für die Cornell Schau im ersten Stock benötigt man mindestens eine halbe Stunde, für den Teil in der Kunstkammer mit Genuß einen ganze und angesichts des stolzen Eintrittspreises von Euro 14,00 (ohne Ermäßigung) für Erwachsene kann man getrost den ganzen Tag in diesem phantastischen Museum verbringen.
Fazit: Eine sehenswerte Schau, die man unter dem Aspekt der Reisen im Kopf genießen kann, und die als einmalige Gelegenheit viele sonst in privaten Sammlungen befindliche Arbeiten von Joseph Cornell zu sehen, gelten darf.
Joseph Cornell: Fernweh
Kunsthistorischen Museum Wien
Maria-Theresien-Platz, 1010 Wien
Tel.: +43 1 535 24 -0
E-mail: kunstvermittlung@khm.at
web: www.khm.at
Öffnungszeiten: (September bis Mai) Di bis So 10.00 – 18.00 Uhr und Do 10.00 – 21.00 Uhr
Das Kunsthistorische Museum Wien hat heute, am Montag den 28.12.2015 geöffnet!
Eintritt: Jahreskarte Euro 34,00; Erwachsene regulär Euro 14,00, Kinder und Jugendliche bis 19 Jahre gratis.
KuratorInnen:
Jasper Sharp (Kunsthistorisches Museum, Wien) und Sarah Lea (Royal Academy, London) in Zusammenarbeit mit Lynda Roscoe Hartigan als wissenschaftlicher Beraterin.
(Beitragsbild: Ausstellungsansicht © The Joseph and Robert Cornell Memorial Foundation / Bildrecht, Wien, 2015
Photo: KHM-Museumsverband)