Wien im Bilderrausch.
Eyes On, das europäische Monat der Fotografie macht den ganzen November lang Station in unserer Stadt.
Und feiert sein zehnjähriges Jubiläum, Wien ist zum sechsten Mal dabei, Athen heuer zum ersten Mal.
Das bedeutet acht Städte, acht KuratorInnen, 175 Ausstellungen, mehr als 650 KünstlerInnen und ab heute nur mehr 28 Tage Zeit.
Also, kommt und schaut!
Dass die Fotografie ihr Aschenputtel-Dasein in der Bildenden Kunst im Laufe der letzten Jahre immer mehr ablegen konnte, ist mehr als erfreulich.
Wien ist aufgewacht.
Wenn ich mir jetzt noch bitte etwas vom Christkind wünschen dürfte: ein Museum für zeitgenössische Fotografie.
Um die historische Fotografie kümmern sich das Photoinstitut Bonartes und die Fotosammlung der Albertina.
Es gibt ambitionierte Sammlungen wie die des Verbund und großartige Galerien: Anzenberger Gallery, Ost-und Westlicht, die Leica Galerie oder die Galerie Reinthaler (stellvertretend für alle), aber es fehlt eine Art Dachorganisation, ein quasi übergeordnetes fixes Ausstellungshaus für die Fotografie, und ja, es muss in Wien sein, ein neuer Bildertempel, großzügige Räumlichkeiten, ein Archiv, Platz für die Wissenschaft, ein Ort für Einzelausstellungen und internationalen Austausch.
Spannend auch die Position der Fotografie als Kunstform seit die Digitalfotografie ihren Raum nicht nur im Alltag stetig erweitert.
Seit jeder mit dem Smartphone zur rasant anwachsenden Flut von durchaus auch nennenswerten Aufnahmen beiträgt, darf man sich schon auch vor „der optischen Verdummung“ und der „Verwahrlosung der Bilderwelten“ fürchten, so wie Thomas Licek, der Managing Director von eyes on bei seiner Eröffnungsrede zum Monat der Fotografie im musa am 27. Oktober 2014.
Was unterschiedet den Künstler von begabten Laien, was macht es aus, dass der Schnappschuss der Bekannten auf facebook nicht im Museum hängt?
Man muss um die Bilder kämpfen und sie nicht den anderen überlassen, die KünstlerInnen müssen sich möglichst viel Raum nehmen, meint Licek.
Eine mögliche Lösung.
Wir alle können mehr Fotografien kaufen und schauen – das geht auch.
Bei der aktuellen Schau Memory Lab. Photography Challenges History im musa wünscht man sich jemanden, der einen an der Hand nimmt – das geht übrigens immer samstags um 14.00 Uhr.
Verwunderlich, ist die Fotografie für mich doch die Bildende Kunstform, die sich dem Betrachter am leichtesten erschließt.
Kunst entsteht für mich im Betrachter.
Das Ausstellungskonzept ist großartig, aber erschließt sich nicht leicht, und dass die Bildbeschriftungen so tief hängen, dass man sich bücken muss, nervt ein wenig, auch wäre eine größere Schrift angenehm.
Die Kuratorin G. Achleitner wünscht sich, dass man emotional berührt wird, ich mir mehr Information.
Ein Augenschmaus, ein opulentes, vielfältiges Vergnügen ist die Ausstellung jedoch allemal.
Das Konzept ist ambitioniert: in der Ausstellung blickten die KünstlerInnen gemeinsam in Bildern auf die letzten 100 Jahre Geschichte aller Partnerstädte zurück: Athen, Berlin, Bratislava, Budapest, Ljubljana, Luxemburg, Paris und Wien.
Wie verarbeitet die Fotografie die Geschichte Europas ?
„Es ist wichtig, dass die Rückbesinnung auf das Nationale im Europäischen Kontext passiert!“, wurde das zahlreich anwesende Publikum bei den Eröffnungsreden im musa eingeschworen.
Sic!
Und die waren wahrlich kein reines Honigschlecken, die Vergangenheiten Europas: zwei Weltkriege, der Jugoslawienkrieg, der Nationalsozialismus, die Teilung Europas in Ost und West …
Die Rückblicke in Foto und Video reichen von sehr persönlich bis zum erhobenen Zeigefinger.
Persönlich lässt uns Anna Jermolaewa in einer mehrteiligen Videoinstallation daran teilhaben, wie sie SchulkollegInnen Jahrzehnte später wieder trifft, „Das vierzigste Jahr“, Installation, Mixed Media, Video, Fotografie, Zeichnung, 2012. Berührend. Mehr Platz für die Installation wäre toll gewesen (und die Information, wie lange die Videos dauern).
Den Zeigefinger habe ich gespürt, wenn es so wie in einigen Arbeiten um den zweiten Weltkrieg geht – ein schweres Erbe für meine Generation.
Eine Stunde Zeit verbringt man im Handumdrehen in der Ausstellung Memory Lab. Photography Challenges History im musa.
Und für eyes on hätte ich auch gern jeden Tag bis Ende November eine Stunde Zeit, aber da bin ich schon wieder beim Wünschen …
„Schau’n Sie sich das an!“ (Karl Farkas)
eyes on
web: www.
Das Rahmenprogramm ist auch sehenswert!
Dauer: bis 30. November 2014 an zahlreiche Ausstellungsorten in Wien
100% gefördert durch die Stadt Wien
Memory Lab. Photography Challenges History
Tel.: 01 / 4000 -8400
E-mail: musa@musa.at
web: www.musa.at
Eintritt frei
Teilnehmende KünstlerInnen: Tanja Boukal (A), Steven Cohen (ZA) & Marianne Greber (A), Marcell Esterházy (H), Anna Jermolaewa (RUS), Noro Knap (SK), Tatiana Lecomte (F), Andreas Mühe (D), Erwin Olaf (NL), Gábor Ősz (H), Marija Mojca Pungercar (SLO), Aura Rosenberg (USA), Lina Scheynius (S), Juraj Starovecký (SK)