Man kann es kaum glauben! Die Ausstellung „A Photographic Journey“ im Kunsthaus ist die erste nennenswerte Retrospektive des großen Martin Parr in Wien.
Wir – und ein paar Hundert weitere Menschen – waren bei der Eröffnung am 2. Juni 2016. Der weit gereiste britische Fotograf hat zuvor auch die Stadt Wien durch die Linse seiner Kameras betrachtet und verewigt …
Groß ist er in jeder Hinsicht, der Fotograf Martin Parr, der Präsident der legendären Fotoagentur Magnum. Seit er damals bei seinen Arbeiten von Schwarzweiß auf Kunterbunt umstellte, ist er auch international erfolgreich. Einige der frühen Fotos sind im Hundertwasserbau zu sehen, eine schöne Idee der Kuratorin Verena Kaspar-Eisert.
Ich konnte darüber mit Regina Anzenberger, die für den großartigen Katalog verantwortlich zeichnet, ein paar Worte plaudern im unfassbaren Trubel der Eröffnung. Sie schätzt diese Arbeiten besonders (im ersten großen Raum gleich rechts).
Es muss nicht immer der Opernball sein.
Die anderen, teils grellen Großformate, diese „typisch Parr“- Fotografien zeugen von einer genauen Beobachtung des menschlichen Alltags und Seins. Ein ungeschönter Blick fällt auf uns beim Essen, beim Badeausflug, bei Schlechtwetter (vor allem in UK), auf unsere Schrullen und auf unsere bis schmerzhaft ans Klischee reichenden Eigenheiten.
Und „auf uns“ stimmt in diesem Fall tatsächlich, denn der Fotograf war für zwei Shootings in Wien: der Kaffeesiederball, der Rosenball oder die Aida hielten her für seinen Blick auf Wien (im obersten Stockwerk des Kunsthauses; „Cakes and Balls“).
Fremdbild und Selbstbild sind nicht immer zur Deckung zu bringen … und ja, es gab rosa Punschkrapferl bei der Eröffnung.
Apropos Eröffnung: Dass sich Hundertschaften auf den Weg machen, um zu einer Fotografie – Vernissage zu erscheinen, wäre vor zehn Jahren undenkbar gewesen. Die Dichte an Fotografen der heimischen Kunstszene war übrigens auch extrem hoch.
Humor ist, wenn man trotzdem abdrückt?
Wenn Martin Parr nicht so viel Humor hätte, und wenn man nicht sähe, dass er seine Artgenossen grundsätzlich mag, dann wären manche Blicke und Bilder des Künstlers wohl kaum zu ertragen. Aber ein gerüttelt Maß an Witz macht die Ausstellung zu einem anregenden Erlebnis.
Mein Favorit unter den dreizehn gezeigten Serien: „Bored Couples“!
Dass man im Kunsthaus zu eng hängt, wissen Stammgäste. Zehn Prozent weniger Bilder wären ein deutlich mehr als zehn Prozent größeres Vergnügen gewesen.
Fazit: Parr in Wien muss sein.
Wer jemals die Gelegenheit hat, den Künstler persönlich zu erleben oder zu sprechen, sollte dies unbedingt tun. Martin Parr ist very british, eloquent, witzig und klug.
„Schau’n Sie sich das an!“ (Karl Farkas)
Martin Parr. A Photographic Journey
Kunsthaus Wien
Untere Weißgerberstraße 13, 1030 Wien
Tel.: +43 1 712 04 95 0
E-mail: office@kunsthauswien.com
web: www.kunsthauswien.com
Eintritt: Fotoausstellung € 9,00; Kinder bis 10 Jahre gratis
Öffnungszeiten: täglich 10.00 bis 18.00 Uhr
Die Schau läuft seit 3. Juni und noch bis zum 2. November 2016.
Kuratorin: Verena Kaspar-Eisert
Katalog: Cakes and Balls, AnzenbergerEdition 22×22 cm, 80 Seiten, Hardcover ISBN: 978-3-9503876-2-9, Special Edition: Buch und Print, Ed. 50+10AP; signiert bei www.anzenbergergallery-bookshop.com um Euro 35,00.
(Beitragsbild: Switzerland. St. Moritz polo world cup on snow. © Martin Parr / Magnum Photos)