La Biennale di Venezia

‚La Biennale di Venezia‘ zu besuchen ist, wenn man sich zumindest einen Überblick verschaffen will, drei ganze Tage Arbeit.
Wir haben sie uns gemacht.

Ein keker, schneller Rundblick mit persönlichen Impressionen.

Je einen Tag braucht man für die Gardini (Gärten) mit den traditionellen Länderpavillions zusammen mit dem Zentralen Pavillon und für die Ausstellung im Arsenale (ein ehemaliger Marinestützpunkt) samt den weiteren jetzt dort befindlichen Länderpavillons. Am dritten Tag kann man beginnen die in der Stadt verteilten nationalen Präsentationen und ‘Eventi Collaterali’ zu finden und besichtigen.

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Der Titel der ’56. L’Esposizione Internazionale d’Arte‚ lautet ‘All the World’s Futures’.

Man mag bei solch großspurigen Titeln an Milano denken: ‘Feeding the Planet, Energy for Life’ heißt die Expo, von der nicht einmal ihre Macher_innen überzeugt sind, und die Kritiker_innen die Sinnhaftigkeit von weiteren Weltausstellungen gänzlich in Frage stellen lässt.

Eine Biennale ist heute genauso wenig richtungsweisend für die Zukunft der Kunst wie eine Weltausstellung eine Leistungsschau der innovativsten Entwicklungen ist.

Bei aller berechtigten Kritik am monströsen Kunstmarkt – diese Venedig Biennale ist dennoch eine Reise wert, wenn der Blick auch gar nicht zukunftsfroh nach vorne geht, sondern sich nachdenklich mit Erinnerung befasst.

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Vor der Reise sollte man den Artikel von Hanno Rauterberg in ‘Der Zeit’ zur Biennale lesen, über die Heuchelei unserer Gesellschaft, die sich in der Kunst spiegelt, und sich jede Illusion rauben lassen, dass es bei der Venedig Biennale 2015 anders wäre. Zustimmend kann man sich dann über alles Positive freuen, das man für sich in der Kunst in Venedig entdeckt.

Ein Kunstevent wie dieses könnte man freilich mit naiver Freude, unwissend über dessen Hintergründe betrachten wie einzelne Kunstobjekte auch. Dann wird man aber weder dessen Sinn erfassen, noch verstehen wie Kunst heute funktioniert – oder eben nicht funktioniert.

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Davon, dass die Biennale bei aller Kritik zu den hochwertigen Kunstschauen zählt, kann man sich im Vergleich mit dem ‘European Cultural Centre’ überzeugen.

Ich erwähne das extra, da man als Tourist_in in der vom Bahnhof kommenden Strada Nuova so leicht ‘hineinfällt’.
Wer von wenig feinfühlig gemachten Ausstellungen 
leicht zu frustrieren ist, geht besser zu ‘Grom’ ein paar Häuser den Trampelpfad weiter bis zum Ca’ d’Oro und gönnt sich das beste Eis Venedigs. (Es gibt noch vier weitere Filialen in Venedig und etliche in ganz Italien.)

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Wenn man schon in Venedig ist, sollte man auch die Stadt genießen und die eine oder andere Ausstellung, die nicht zur Biennale gehört.

Ein absolutes Highlight ist die ‘Fondazione Quirini Stampalia’ am Campo Santa Maria Formosa. Großartig der Palazzo selbst, großartig die architektonische Gestaltung des Museums von Carlo Carpa und großartig die derzeitigen Interventionen von Jimmie Durham: ‚Objects, Work and Tourism‘.

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2030 werden keine Venezianer_innen in Venedig wohnen.

Übrigens hat sich die Abwanderung der Venezianer_innen auf das Festland in den letzten Jahren dermaßen verstärkt, dass, wenn sie in dem Ausmaß weitergeht, schon 2030 keine Venezianer_innen mehr in der Stadt wohnen werden.

Schuld sind wir Tourist_innen, nach deren Bedürfnissen alles ausgerichtet wird.
Die Mietpreise steigen, 
die Infrastruktur wird laufend eingeschränkt, medizinische Versorgung, Kinderbetreuung und vieles Nötige mehr ist nicht ausreichend vorhanden und, so unglaublich wie traurig es ist, das alles macht diese schönste aller Städte nicht mehr lebenswert.

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Zurück zur Biennale: Minimalismus und Reduktion.

Wir Zeitgenossinn_en der Überflussgesellschaft empfinden einen fast leeren Raum als den schönsten oder eben einen mit scheinbar nur minimaler Intervention. So ist der Schweizer Pavillon gefüllt mit rosa Flüssigkeiten, im österreichischen wird eine schwarze Decke abgehängt. Was metaphorisch gesehen (und in der Kunst muss man heute vieles metaphorisch verstehen) im Zusammenhang zu ‘All the World’s Futures’ schon sehr österreichisch pessimistisch ist.

Vielleicht sollte man bei Heimo Zobernigs Arbeit besser einen Zusammenhang zu japanischen Räumen und Gärten herstellen?

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Die Biennale als Selfie-Hintergrund.

Am Verhalten der Besucher_innen kann man sich davon überzeugen, dass die Biennale (wie viele heutige Ausstellungen) plakativ bestens geeignete Hintergründe für Selfies oder gleich ganze Portrait- oder Mode-Fotoserien bietet.

Daneben werden dieses Jahr in Venedig etliche Serien feiner Zeichnungen gezeigt, die zu erschließen man sich länger vertiefen muss. Es wird auch sonst viel aneinander gereiht, über 1000 Autoreifen sehen – mittlerweile rasch durchschaubar – einfach toller aus als einer allein (Israelischer Pavillon). Und es wird immer noch viel angesammelt und zur Schau gestellt, als befände man sich in einem naturkundlichen Museum.
Manchmal wird das schaurig, nicht nur weil das gerne in verdunkelten Räumen stattfindet.

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Im Arsenale bewegt man sich großteils im Dunklen. All das soll ja im Sinne des Kurators Okwui Enwezors kein sonniger Urlaubstag sein. Es gibt reichlich schwere Kost, mit der man sich auseinandersetzen muss. Zahlreiche Videos haben eine Spielzeit von einer halben Stunde und mehr. Die Filme behandeln auffallend viel Handwerkliches (z.B. Glockengießerei), zeigen uns ‚fremde Sitten und ferne Länder‘ und haben nur selten einen fiktionalen Aspekt.

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Zu thematisieren, wer die Benachteiligten der Globalisierung sind, ist das berechtigte Anliegen des in Nigeria gebürtigen Okwui Enwezor.
Historisch-politische Ereignisse (Kolionalismus-Belgienpavillon!), Hinweise auf Umweltzerstörung, vereinzelt auch Fragen der sexuellen Identität und Orientierung dominieren nicht nur in der Hauptausstellung, sondern auch in den 89 Beiträgen der Länder.

Kritisiert wird vielfach das Bemühen Enwezors kulturelle, wissenschaftliche und wirtschaftliche Ungleichgewichte mit einer Kunstaussttellung auszugleichen, an der “so viele außereuropäische Künster_innen wie nur möglich” beteiligt sind.
Ob die Dominanz weißer, europäischer Künstler das Hauptroblem bei einer Veranstaltung wie der Biennale in Venedig ist, oder ob zuerst einmal die direkte Verstrickung mit dem Kunstmarkt, kann in Frage gestellt werden.

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Gerade in Venedig, wo alles ‚Städtische‘ nicht so geordnet und reglementiert ist, folgt Kunst und Zufall oft direkt aufeinander.

Das macht es so besonders reizvoll hier zeitgenössische Kunst zu sehen. So manche Foto- oder Kunstinstallation gleicht frappierend einer zufälligen Ansammlung von Dingen, die ein ähnliches Bild ergibt. Mich amüsieren die Kleinigkeiten, von denen nicht klar ist, ob sie ‘dazu gehören’.

Man ließt in den trendigen Medien diese Biennale wäre ‚freudlos und mürrisch‘, ich finde das endlich spürbare ‘Ende der Party’ sehr wohltuend.
Im Gegensatz zu früheren Venedig Biennalen, die sich als laute Spielwiesen präsentierten, bei denen sich Objekte und Videos in ihrer kindischen Drastik gegenseitig niedergerungen haben, handelt es sich diesmal unzweifelhaft um eine feinnervigere Auseinandersetzung mit Kunst.

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An den Länderbeiträgen und Ausstellungen in der Stadt (meist bei freiem Eintritt) sind oft die Orte, zu denen man Zugang erhält, beeindruckender als die Kunst, die man zu sehen bekommt.
Wann hat man schon die Gelegenheit von einem Palazzo so prächtig auf den Canale Grande zu schauen (‚Land Sea‘ – Sean Scully)? Ein Weg um die Stadt ganz anders zu entdecken!

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Allen Nicht-Profis im Kunstbetrachten empfehle ich in den Gardini den Spaziergang gleich beim Eingang mit der Schweiz zu beginnen, die Reihe fortzusetzen (wie die Pavillons aufeinander folgen) mit Venezuela, Russland, Japan, Korea, Deutschland, Canada, Großbritannien und Frankreich (Achtung auf die schleichenden Bäume!), dann über die Brücke um Austria nicht zu verpassen und zum Abschluss ein längerer Aufenthalt nahe dem Ausgang in Belgien.
Vielleicht ist auch für Ungeübte der Centrale Pavillon noch zu schaffen – es würde sich lohnen!

Im Arsenale werden die meisten nach der ‚Cordierie‘ kunst-müde. Wer hier beim ‚Halbmarathon‘ aufgeben will hat nach meinem Dafürhalten das Wichtigste gesehen. Ja freilich, der Italienische Pavillon! Dass die Auftragsarbeiten zahlreicher internationalen Stars enttäuschen, habe ich neben meinem eigenen Eindruck auch von zahlreichen Besucher_innen gehört.
Dann lieber noch mit dem Boot hinüber zur abgelegenen Insel San Lazzoro zum diesjährigen Biennale Beitrag Armeniens, der mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet würde.

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La Biennale – Arte in Venedig läuft noch bis 22. November 2015.

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