Mailand lag eine Woche lang im Designfieber!
Ganze Straßenzüge wurden zu einem einzigen Einrichtungsspektakel mit Hunderten Präsentationen jedweder Art. Der Zulauf schien kein Ende zu nehmen. Dem Bad in der Menge muss man sich in dieser Megacity ohnehin immer auf’s Neue ausliefern und sei es nur in der U-Bahn. Jedes Jahr im April reisen DesignerInnen, ArchitektInnen, DesignliebhaberInnen und Fachpublikum aus aller Welt an um gemeinsam mit begeisterten Milanesi im Gewühl Möbel-Entdeckungen zu machen. Ein Rückblick.
Gerade einmal mehr als ein halbes Jahrhundert besteht nun der Ausgangspunkt für dieses ‚Volksfest‘, der eigentliche ‘Salone del Mobile’, die wichtigste Möbelmesse der Welt. Und er verteidigt den Ruf des italienischen Designs, der in unseren Hinterköpfen fest verankert ist, mit ca. 1000 nationalen und ‘nur’ ca. 240 internationalen Ausstellern.
Allein am Messegelände werden es an den sechs Tagen wieder um die 300.000 Besucher gewesen sein.
Es ist wahrlich ein Erlebnis, wesentlich gigantischer und lebendiger als durch ein Hochglanzwohnmagazin zu spazieren.
Die einzelnen Stände sind inszeniert wie begehbare Bühnenbilder, im Schnitt in der Größe der Burgtheaterbühne. Im Dunkel der riesigen Hallen wird zu allererst mit Licht Raum gestaltet, um den Bereich der einzelnen Firmen zu definieren und deren Objekte ins Rampenlicht zu setzen. Das hindurch ziehende interaktive Publikum prüft zugleich kritisch jedes noch so kleine Detail aus nächster Nähe.
Hier präsentiert sich nicht nur Materialqualität zum Anfassen, man kann sich auch in die bequemsten Couchen hineinfallen lassen – nur zu gut nach den viel zu vielen zurückgelegten Kilometern durch die Messe. Aber nein, niemand sitzt hier lang, außer es wird bereits über Bestellungen verhandelt. Gleich ist man wieder auf den Beinen, zu viel Spannendes gibt es für Möbel-Aficionados zu sehen.
Doch kaum jemand wird das beinah Unmögliche vorhaben: 20 Messehallen zu durchwandern.
Wer auf das sogenannte klassische Programm in den Hallen 1-4 steht (man hört viel Russisches und wird etwas zu gediegen an jedem Stand um seine Visitenkarte gebeten), wird sein Herz nicht in den acht ‘Design’ Hallen verlieren. Und gerade auf die Fans des aktuellen Designs wartet ja auch noch das erwähnte ‚Fuorisalone‘ Programm in der Stadt.
Dazu heuer, alternierend mit den Themen ‘Licht’ und ‘Büro’, wie in jedem geraden Jahr ‚Bäder‘ (zwei Halle) und ‚Küchen‘ (vier Hallen).
Alle Küchen-Firmen liefern eine ultracoole Präsentation, wobei auch hier jeder Stand die Grundfläche eines Einfamilienhauses haben dürfte.
Besonders eingängig geprüft wurden diesmal die ausgeklügelten Details bei Varenna. Schiebe- und Drehelemente sowie Schrankhebetüren, von fachkundigen Händen immer auf’s Neue geöffnet und geschlossen, was schlicht Begeisterung auslöste.
Antonio Lupi mit seinem Bäderdesign machte am meisten Aufsehen mit mindestens einem Dutzend AufseherInnen, die peinlichst genau acht gaben,
dass kein Foto von den Badewannen und Waschbecken gemacht wurde. Diese herkömmlichen Bezeichnungen sind für seine Skulpturen natürlich die pure Untertreibung.
Eine Dusche ist kein Wasserhahn aus der Decke, sondern eine veränderbare Rauminszenierung
und das so schlicht, wie nur irgend denkbar.
Vielleicht war es auch wirklich die edelste Präsentation.
In der Abteilung ‘Satellite’ haben 750 Nachwuchs-Designer kleinere Stände, die in etwa an eine mittlere Kunstmesse erinnern. Ein ähnlich wechselndes Ausmaß an Begeisterung löst auch deren Versuch nach neuerlicher Innovation aus. War es nur mein Eindruck oder traf man hier unter den jungen Ausstellern wie Besuchern auf besonders viele Asiaten?
2012 sind Ohrensessel im neuen Outfit ein Trend, vorzugsweise drehbar. Den ziemlich sicher schönsten findet man bei Moroso mit dem Titel ‘Take a Soft Line For a Walk’. Moroso ist der Liebling vieler – ich kann mich da nur anschließen. Ein Messestand, der nicht einmal so dramatisch und aufwendig inszeniert war wie manch anderer (wurde auch kritisch bemerkt), aber wieder einmal besticht durch die einprägsamsten Einzelstücke mit versteckten Details in wunderschön differenzierten Farben.
Was heuer auch sein muss sind überdimensionierte Schreibtischlampen in Stehlampengröße. Bei den Hängeleuchte kommt nie mehr eine allein – sie werden ‘wie Büsche’ in unterschiedlicher Höhen gehängten.
Nur Mut, das macht sich so auch im Eigenheim!
Eine Inspiration, die selbst fürs kleinste Zimmer ein reizvoller Gewinn ist: gestricktes aus monströs dicken Materialien. Wenn’s denn keine Lampen, oder der Liegestuhl von Moroso sein können, dann zumindest ein XL-Polster aus fingerdicker Wolle, den bald viele Firmen im Programm haben werden…
Gestern noch in Mailand, in wenigen Tagen schon in Wien – zumindest das ein oder andere Stück –
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