Schriftstellern leicht gemacht
Offen gestanden bin ich ein blutiger Anfänger im Lesen von Ratgebern zum Schreiben von Romanen, denn dies ist meine Premiere.
Ich fühlte mich bisher noch nie bemüßigt, solche Bücher zu lesen, obwohl Das Leben und das Schreiben von Stephen King schon seit längerem auf meiner Wunschliste steht. Insofern muss ich natürlich anmerken, dass ich überhaupt keine Vergleichsmöglichkeiten und Referenzwerte zur Bewertung dieser Gattung von Ratgebern aufweise. Dennoch möchte ich frei von der Leber weg beurteilen und Euch mitteilen, ich bin recht angetan von diesem sehr kompakten, praxisorientierten Leitfaden: Romane schreiben von Gustav Ernst und Karin Fleischanderl.
Warum ich ausgerechnet zu diesem Schreibratgeber gegriffen habe, ist auch sehr leicht erklärt: Er stammt aus der Feder der Ausbilder der Leondinger Akademie für Literatur. Sehr viele erfolgreiche Autor*innnen, die in den letzten drei Jahren mit Neuerscheinungen auf dem österreichischen Buchmarkt brillieren konnten, haben ebendiese Akademie abgeschlossen. Das stand immer relativ unspektakulär in der Biografie im Klappentext, häufte sich dann aber derart, dass es mir positiv ins Auge sprang. Insofern wollte ich natürlich unbedingt wissen, was mir diese erfolgreichen Lehrer und Mentoren zu sagen haben.
Eine Eigenschaft war in diesen völlig unterschiedlichen Autorendebüts, die inhaltlich, sprachlich und strukturell nichts gemeinsam hatten, doch annähernd gleich: Sie waren alle für die Leser geschrieben, respektive von Dramaturgie und Aufbau absolut nicht mühsam und angenehm rezipierbar. Und sie waren ausnahmslos in einer außerordentlich erfreulichen Länge, so ungefähr zwischen 200 und 300 Seiten. Nicht zu kurz und nicht zu lang, genau richtig, ohne unnötige Redundanzen und trotzdem ohne fehlende Inhalte.
Bei der Betrachtung des kleinen Büchleins fällt gleich auf, dass es sehr dünn ist, kein Lehrbuchwälzer und nicht ganz so ausführlich. Das sehe ich nach Beendigung der Lektüre als Chance, als Einstiegsratgeber zu fungieren, damit die Hürde der Regeln für angehende Autoren nicht zu hoch zu gestalten und nicht mit theoretischen literaturhistorischen Exkursen zu nerven. Zu viele Regulierungen und theoretisches Blabla sind ohnehin der Tod von Inspiration und Kreativität.
Gleich zu Beginn wird die Zielgruppe definiert und klar gemacht, dass auch Privatpersonen literarisch schreiben können. Das Buch ist als Leitfaden und als allgemeine Zusammenfassung der Literaturworkshoppraxis in Leonding entstanden.
In den ersten Tipps geht es um die Selbstorganisation von nebenberuflichen Autoren, sich vom Tagesgeschäft freizuspielen und einen strukturierten, regelmäßigen Schreibprozess in den Alltag zu integrieren. Sehr gut fand ich auch die Vorschläge zum Umgang mit Kritik am Werk, diese nicht nur vordergründig als Kränkung zu sehen (dieses Problem haben sowohl Anfänger als auch Bestsellerautor*innen), sondern diese konstruktiv zu nutzen, sie zu objektivieren, sich vom eigenen Werk emotional zu lösen und es aus der Distanz zu betrachten.
Im Kapitel literarischer Blick, literarische Sprache wird der Leserschaft zuerst der Unterschied zum journalistischen Schreiben mit praktischen Beispielen dargelegt und eine einzige Szene mit mannigfaltigem Fokus und literarischer Absicht mehrmals umgeschrieben, um die Theorie zu verdeutlichen. Das fand ich richtig gut.
Weiters wird in diesem Startkapitel bereits darauf eingegangen, wie Autor*innen zwar literarisch, aber auch für die Leser rezipierbar ihre Werke professionell konzipieren sollen:
Das Rekonstruieren eines verlorengegangenen Sinns (durch schlechten Schreibstil, falsche Rückbezüge, Redundanzen, chaotische Beschreibungen, Verwirrung stiftende Erzählzeiten, ungenaue Begriffe …), ist nicht Aufgabe des Lesers. Der Einwand des angehenden Autors ‚Kunst ist geheimnisvoll und dieser Text ist nun mal Kunst‘, gilt nicht. Das Neuartige eines Textes mag manchmal durchaus in der Dehnung und Lockerung der grammatikalischen und stilistischen Regeln bestehen. Jeder grammatikalische Fehler, jeder Stilbruch ob absichtlich gesetzt oder nicht, ist ein Aufmerksam-Machen des Lesers. Ein paar derartige Hürden beim Verständnis toleriert er, doch irgendwann ‚bricht‘ der Text wie ein verschmutzter See, dem Leser wird es zu bunt und er gibt auf. (verkürzt und sinngemäß zusammengefasst)
Die Folgekapitel Dramaturgie mit Figuren, Handlung und Spannungsaufbau zeigen exakt, kurz und knackig mit Anleihen aus der Sicht der Drehbuchkonzeption, wie eine spannende konsistente Geschichte aufgebaut werden sollte. Am Ende des Kapitels gibt es wieder einen außerordentlich hilfreichen Tipp.
Man sollte sich die dramaturgischen Gesetze und Regeln gründlich einprägen, sie dann vergessen und losschreiben.
Dieser Rat hilft sicher sehr, um bei all den Regeln den Autor nicht zu verschulen und die Inspiration abzuwürgen. Erst bei Kritik und Korrektur kommen die Regeln wieder zur Anwendung.
Grundlagen zur Erzählperspektive, Ratschläge, wie ein spannender Dialog konzipiert und wie er konsistent in den Rest der Geschichte eingegliedert werden kann, die Anwendung von Montagetechnik, der Umgang mit Komik, Ironie und Humor und die detailliert beschriebenen sprachliche No-gos wie falsche Relativsätze, falsch gesetzte Konjunktive, Kitsch, unnötige Übertreibungen, Verdopplungen, falsch gesetzte Zeiten … runden sehr kompakt mit vielen praktischen Beispielen die Regeln für gute Literatur ab.
Am Ende des Buches werden noch nützliche Ratschläge erteilt, wie Autoren passende Verlage suchen und wie sie mit ihnen umgehen sollten. Ein kleiner Einblick in die Praxis der Verlage, Manuskripte auszuwählen, ist hier auch sehr hilfreich. Weiters werden Vorschläge zu weiterführender Literatur und nützliche Adressen für Autoren angeboten. Leider fehlt mir ein Kapitel mit Tipps zum Eigenverlag, zumal es in diesem Bereich in den letzten Jahren eine enorme Entwicklung mit mehreren erfolgreichen Paradebeispielen gegeben hat und sich auch eine völlig neue Branche mit Plattformen und Netzwerken etabliert hat.
Abschließend ist zu sagen, das Buch ist gut strukturiert, liest sich spannend, mit vielen anschaulichen praktischen Beispielen, als Einstiegslektüre ist es grandios, manchmal beschlich mich aber ob der Kürze und Kompaktheit das Gefühl, in einzelnen Kapiteln in der Tiefe vielleicht mehr wissen zu sollen. Dieses Gefühl ist aber recht unbestimmt, denn da ich ja noch keinen anderen Ratgeber gelesen habe, wüsste ich nicht, was fehlen könnte. In der Breite sind auf jeden Fall fast (bis auf den Eigenverlag) alle relevanten Themen zum Schreiben von Romanen vollumfänglich abgedeckt.
Zudem hätte ich mir wirklich gewünscht, dass in den heutigen Zeiten nicht gar so exzessiv auf dem generischen Maskulinum herumgeritten worden wäre. Abgesehen vom Vorwort existiert ausschließlich nur der Leser, der Autor und Er. Nicht mal einen halbherzigen Hinweis, dass aus Gründen der Lesbarkeit das generische Maskulinum angewendet wurde, habe ich gefunden. Eine Autorenschmiede und Ausbildungsstätte, die Schriftsteller*innen coacht und auf solche Strömungen (respektive auch gesetzliche Bestimmungen) total pfeift, finde ich sehr bedenklich.
Fazit: „Romane schreiben“ von Gustav Ernst und Karin Fleischanderl ist eine gute, kurze, kompakte, knackige und gut zu lesende Einstiegslektüre mit vielen praktischen Beispielen zum Schreiben von Romanen. Ein konsistent und logisch aufgebauter Leitfaden. Ich finde ihn gut.
Romane schreiben
Gustav Ernst und Karin Fleischanderl
Buchdetails
- Aktuelle Ausgabe
- ISBN: 9783709934746
- Sprache: Deutsch
- Ausgabe: Flexibler Einband
- Umfang: 192 Seiten
- Verlag: Haymon Verlag
- Erscheinungsdatum: 18. Juli 2019
- gesehen um rund Euro 15,00
(Beitragsbild: Collge zu Buch „Romane schreiben“ von Gustav Ernst und Karin Fleischanderl, Bild (c) Alexandra Wögerbauer.Flicker – kekinwien.at)