Wie schreibt man über jemanden, der über jemand anderen geschrieben hat, der zunächst nicht wollte, dass man über ihn schreibt?
Ich hatte das große Vergnügen Doris Priesching zu treffen, die Erni Mangolds Erinnerungen „Lassen Sie mich in Ruhe“ aufgezeichnet hat. Großartiges Buch.
Wer sucht und wer findet wen in Sachen Biographie oder Interview?
In Erni Mangolds Fall ist es eindeutig. Im Vorwort sagt sie: „Ich hätte dieses Buch nicht gebraucht.“
In meinem Fall auch: ich habe das Interview mit Doris Priesching sehr wohl gebraucht.
Doris Priesching und ich treffen uns im Hansen beim Gemischten Satz. Ich hatte das Glück über einen privaten Kontakt diesen Termin zu bekommen. Sie kommt via Lederleitner ins Restaurant, auf dem Weg zu unserem Tisch gratulieren Bekannte überschwänglich zum Doktorat. Das Studium der Germanistik, Publizistik, Kommunikations- und Politikwissenschaften in Wien und Klagenfurt ist durch eine Dissertation gekrönt worden. Priesching ist stolz.
Erni Mangold hatte sich zwei Mal bitten lassen: das erste Mal 2009 bei der „Bauernprinzessin“ in Wien. Im Zuge der Recherchen entdeckte Priesching, dass keine vernünftige Vita der Mangold existiert. Mangold sagte kategorisch Nein zum Ansinnen ein Buch über sie zu schreiben – und mit Neinsagen tut sie sich eigentlich schwer.
Den zweiten Anlauf startet ein Jahr später Priesching bei „Tanzcaf Treblinka“ im Nestroyhof. Sie kommt nicht umhin der Mangold ein Kompliment über die Spannkraft ihres Körpers zu machen. Die damals 84-jährige zeigt auf sympathische Art der Journalistin (in ihren Vierzigern) ihre konsequent trainierten Muskulatur inklusive Podex. Die Mangold ist stolz.
Und sagt ja.
Die Medienredakteurin beim Standard stöbert in der movie data base, schreibt Verlage an, Amalthea macht’s letztlich und zwar im Sinne aller Beteiligten als aufgezeichnete Autobiographie. Im Oktober 2010 beginnen die fokussierten Gespräche zwischen Mangold und Priesching im Waldviertel, der Abgabetermin für das Buch wird im Juni 2011 sein.
Mangold gibt die Termine vor, man trifft sich in ihrem Haus, ein Mal sagt sie 11.00 bis 15.00 Uhr, um 14.00 Uhr entscheidet sie, dass man fertig ist für heute. So läuft das.
Die Gespräche sind konzentriert, Essenzen eines spannenden unangepassten Lebens. Schnell findet man gemeinsam eine Struktur für das Buch. Die Schauspielerin will keine bloße Chronologie, sie hat ein gutes Gefühl für Dramaturgie, erzählt aneinandergereiht Anekdoten, die Autorin entschließt sich zu einer Dreiteilung des Buches. Gute Idee.
Lebende Menschen sollen nicht „angepatzt“ (Mangold) werden, die Mangold erzählt nur, was sie will, die Priesching bohrt nicht nach. Mangold erzählt offen, nie schamlos, geradeheraus, nie verletzend, amüsant, nie langweilig.
Wie die Beziehung ist zu einer geistig und körperlich sehr wendigen, unangepassten Ikone, über die man schreibt?
„Sie rennt wie eine Irre“, beschreibt die Redakteurin einen Spaziergang mit der Schauspielerin. Die Arbeit für das Buch hat „in keiner Sekunde weh getan – die Schmerzen waren alle bei der Dissertation“ (Modell „Angstbewältigungszentrierte Mediendynamiken“).
„Beglückend“ nennt Priesching die Arbeit mit Mangold, sagt, dass journalistisches Schreiben und die Arbeit am Buch zwei verschiedene Dinge sind, sie erzählt vom Geschichtenerzählen und Spannungsbögen. Das nächste Projekt ist in Gedanken bereits vorhanden: „Ich hab eine Schwäche für gute Reisereportagen und versuche mich selber in dem Genre.“ Man darf gespannt sein, denn in diesem Jahr noch soll es nach Kalifornien gehen.
Ihr Lieblingskapitel in „Lassen Sie mich in Ruhe“ ist das über Kreisky. Das mag ich auch sehr.
Ich frage Doris Priesching zu Kunst, Essen, Kino.
„Kunst ist faszinierend, wenn sie mir Abläufe klar macht so wie z.B. ‚Talk To Me‘ im MOMA damals.“
„Oper geht gar nicht.“ Aber sonst sehr viel in Sachen Musik: „Derzeit z.b. bin ich ganz verzückt von Chinese Man und gehe in die Knie bei Sinead o’Connors neuer „how about me“ (Kraftlied: queen of denmark).“
Ich frage nach, was sie entspannend findet.
„Tja.“ Sie denkt lange nach. Es folgen noch zwei „Tja.“
Letztlich ringt sie sich zu Kochen durch. Gekocht wird gern selbst gefangender Fisch. Das leidenschaftliche Fliegenfischen kommt aber auch nicht aus einem Bedürfnis nach Ruhe, sondern aus dem Jagdinstinkt. Satt zu Wandern geht sie Flusslandschaften ab. Die letzte Regenbogenforelle maß 39 cm.
Nach längerem Nachdenken kommt dann doch noch eineMenge: Terrasseliegen und jede Form von Bewegung wie Laufen im Prater oder am Wilhelminenberg, Schwimmen, Yoga, Skifahren, Langlaufen, seit heuer auch Wandern im Schneeschuh.
Auswärts isst sie gern „beim Wirt um’s Eck“, im Wetter oder beim Slowenen am Yppenplatz oder beim Hengl-Haselbrunner in der Iglaseegasse.
Ihr Kaffeehaus ist die Aida, „weil es ruhig ist und ohne Musik“, dort kann man gut schauen und beobachten.
Und ins Kino geht sie „wenn es nicht saukalt ist“, gern zu Premieren im Gartenbau oder in der Urania.
Öfter aber noch sieht sie Fernsehserien. Sie ist eine genaue Beobachterin und verfolgt die Entwicklung der Kunstform TV mit: „Das bösartig sogenannte Unterschicht-TV drückt irrsinnig viel aus über den Zustand der Gesellschaft.“ Sie schaut Boardwalk Empire, Downton Abbey, Big Love und Mad Men.
Und Konspirative Küchenkonzerte (in der ZDF Mediathek und auf Okto, www.konspirativekuechenkonzerte.de). Begeisternd und präzise erzählt sie von den dort auftretenden Bands, der Tatsache, dass 30 bis 50 Künstler und Freunde im privaten Loft von Loredeo und Mühlmann bekocht werden, vom „niederschwelligen Zugang zu komplexen Inhalten“.
Ich freue mich auf das nächste Buch, eine Reisereportage, den nächsten Artikel, den nächsten TV-Tipp.
Und auf morgen, den 12.4.2012 : Erni Mangold im Gespräch mit Doris Priesching ab 19.00 bei Thalia, Mariahilferstraße 99, 1060 Wien.
Lassen Sie mich in Ruhe
Erni Mangolds Erinnerungen, aufgezeichnet von Doris Priesching
1. Auflage Oktober 2011, 288 Seiten, Hardcover, Almathea Signum Verlag, Wien
mit zahlreiche Abbildungen
ISBN: 978-3-85002-766-3
Überall im Buchhandel oder im Onlinehandel ab Euro 22,95 erhältlich.
Claudia Busser
„Lassen Sie mich in Ruhe“ ist amüsante und kurzweilig.
und manchmal ist das mein motto des tages…
Kalle
Mahlzeit, ich bin mal so frei und poste was im Blog. Sieht schoen aus! Ich bin auch seit einige Zeit mit WordPress beschaeftigt verstehe aber noch nicht alles. Dein Blog ist mir da immer eine tolle Anregung. Weitermachen!
club
danke sehr, kalle!
wir werden’s beherzigen!
keke grüße,
claudia
p.s.: niemand kann immer alles verstehen! ;-)