Unterwegs im Weltraum, Gernot Grömer

Traumschiff Surprise

Das Sachbuch Unterwegs im Weltraum von Dr. Gernot Grömer folgt einer grandiosen und sehr innovativen Idee. Der Direktor des Österreichischen Weltraum Forums ÖWF beschreibt der Leserschaft unser Sonnensystem, als würden wir im Jahr 2219 – also in 200 Jahren – als Massentouristen eine Weltraumkreuzfahrt an Bord des Raumschiffes Kopernikus absolvieren …

Die Stationen der Reise gehen von der Erde zum Kometen Churi, zum Merkur, zur Venus, zurück zum Mond beziehungsweise zur Erdumlaufbahn, um Anlauf zu nehmen und um einen jeden einzelnen äußeren Planeten unseres Sonnensystems von der Erde aus als Reisender heimzusuchen. Dabei werden die touristischen Sehenswürdigkeiten und Hotspots, die eine solche Reise in 200 Jahren mit sich bringen könnten, genau wie in einem Prospekt anschaulich und blumig geschildert.

Basierend auf sehr viel Science und ein paar Extrapolationen 200 Jahre in die Zukunft, die man schon fast nicht mehr als Fiction bezeichnen sollte, zeichnet uns der Autor ein sehr vergnügliches Bild der Reise, der Technologie, der Angebote an Bord, der touristischen Sehenswürdigkeiten und der Besiedlung der Planeten unseres Sonnensystems in dieser nahen Zukunft.

Aber welche Sonderqualifikation hat der Autor überhaupt, uns eine Reise in unser Sonnensystem derart humorvoll, zwar populärwissenschaftlich, aber korrekt zu erläutern? Der Astrophysiker Gernot Grömer hält schon länger an den Universitäten Innsbruck und Klagenfurt die Vorlesung „Einführung in das Sonnensystem“ und hat – damit die hehre Wissenschaft aus ihrem Elfenbeinturm herabsteigt und nicht so langweilig ist – schon eine Weile dieses Konzept der Weltraumkreuzfahrt für seinen Vortrag gewählt. In vielen Lehrveranstaltungen hat sich das Projekt durch die klugen Fragen und auch aberwitzigen Ideen der Studenten erweitert und gipfelt nun in diesem höchst vergnüglichen Buch. Weiters ist Grömer einer der Vorreiter und Leiter von zwölf simulierten Mars-Expeditionen in diversen Wüsten der Welt.

So, nun zurück zum Inhalt. Im ersten Kapitel werden hier sehr witzig trockene wissenschaftliche Fakten zur Reise und Regeln der Kreuzfahrt präsentiert. Das Raumschiff fliegt mit magnethydrodynamischem Antrieb, wenn jemand bei der Raumkreuzfahrt zum Treffpunkt zu spät kommt, dann wird man auf dem fremden Planeten einfach stehengelassen. Der Trip folgt einem ganz stringenten Terminplan, der durch sehr enge Zeitfenster für günstige Planetenkonstellationen determiniert ist. Die genaue Schilderung des Kackens auf der Weltraumtoilette, ist zwar a bissi grauslich mit diesem Sauger, aber sehr spannend und absolut lebensnah. In 200 Jahren gibt es übrigens auch nicht mehr flächendeckend diesen widerlichen Raumfahrerfraß aus der Tube. Da auf einigen Planeten Außenstationen existieren, können durchaus einige Pflanzen und Tiere gezüchtet und den Gästen selbstverständlich zu astronomisch hohen Preisen angeboten werden. Ein Gourmet Dinner im lunaren Luxusrestaurant ist übrigens von der ganz üblen Sorte. Da gibt es für die Reichen Mondschaf-Steak aus einer Farm nahe dem Mondäquator.

„Wenn die Schäfchen die nötige Reife erreicht haben, schickt man sie in die nächste Luftschleuse, aber ohne Raumanzug eben. Die armen Tierchen leiden angeblich zwar weniger, als in einem Simmeringer Schlachthof, und das Fleisch wird als sehr zart genossen, aber der Gedanke an die Luftschleuse lässt Sie dennoch etwas zögern – erinnert irgendwie an Entenstopfleber oder den bedauernswerten Tequila-Wurm auf der Erde.“

Ihr seht, die traurige Erkenntnis dieses Kapitels ist, dass der Mensch sich noch immer nicht geändert hat und Tierquälerei auch nicht vom Universum(sboden) verschwunden ist.

Auf jedem der Planeten beschreibt der Autor dann mindestens einen sehenswerten Hotspot, zwar sehr blumig und detailliert, da aber noch kaum jemand außer den Wissenschaftlern beim Auswerten der Teleskop- und Raumsondendaten solche Bilder gesehen hat, habe ich mir persönlich mit der geistigen Visualisierung von Methaneisnebeln oder Diamantenregen sehr schwer getan.

Hier muss ich auch erstmals den Verlag massiv kritisieren, der zwar im Innenteil ein paar Bilder zur Verfügung stellt, aber diese sind das Gegenteil von anschaulich, weil sie erstens in Schwarzweiß und recht unplastisch in schlechter Qualität gedruckt sind. Echt jetzt? War bei einem solchen Buchprojekt mit diesen Anforderungen zur Visualisierung kein Geld für einen Vierfarbdruck da? Sorry, das ist mir echt zu kostenorientiert – wenn ich ehrlich bin, möchte ich es sogar geizig nennen. Gerade das noch von fast niemandem Gesehene zu vermitteln, muss zumindest ein Farbbild erfordern, ich gehe sogar so weit, dass ich mir dieses sehr innovative Thema noch besser in einem animierten Film mediengerecht aufbereitet wünsche. Am besten auch noch animiert im Ars Electronica Center Linz in Form von augmented reality in einem cave, damit ich in diese Weltraumkreuzfahrt gleich selbst eingreifen kann. Bitte, lieber Gernot Grömer, denken Sie über eine solche Umsetzung nach, das wäre der Wahnsinn, das Tüpfelchen auf dem i Ihres sehr guten Werks.

Bevor der gemeine Tourist die jeweilige Location wieder verlässt, gibt es zu jedem Planeten, Zwergplaneten, Mond und Kometen auch noch historische Informationen. Einen kurzen Abriss, wer wann das Objekt entdeckt und wie die Namensgebung letztendlich funktioniert hat. Dieses Kapitel rundet alle Informationen ab und spannt einen Bogen von der Vergangenheit – teilweise bei den Planeten sogar von den Assyrern – über die Gegenwart bis in die Zukunft in 200 Jahren.

Strukturell ist das Sachbuch großartig, sehr übersichtlich gegliedert und logisch aufgebaut, trotz des leichten amüsanten Plaudertons bleibt der Inhalt stets im Rahmen der geplanten Kapitel und mäandert nicht wie in vielen anderen populärwissenschaftlichen Büchern herum vom Hundertsten ins Tausendste. Ein ausführliches Glossar beschreibt auch noch sehr kurz aber genau jede Technologie, jedes dargestellte Objekt und alle anderen wichtigen Begriffe.

Zwei ganz winzige Irritationen hatte ich noch beim Autor: Die sprichwörtliche Tante auf Seite 13 heißt Mizzi von Maria und niemals Miezi, und dass der Autor die Mondstation in 200 Jahren Jahren Bezos-Musk-Alibaba nennt, finde ich sehr traurig. Fällt den Menschen in Zukunft wirklich nix Besseres ein, als erneut dem Sponsoring und dem Kapital zu huldigen? Wäre nicht ein anderer Name cooler gewesen?

Das Ende der Reise auf dem Pluto ist sehr witzig, der Tourist rebelliert gegen das Standardkreuzfahrtpauschalprogramm und macht etwas ganz typisch Österreichisches. Eine richtig gute Idee des Autors. Aber Pst! Ich will Euch nur neugierig machen, verraten werde ich es nicht.

Fazit: Es ist Sachbuchzeit und dieses Werk ist es wert, unbedingt gelesen zu werden, sofern Interesse für die Zukunft und das Universum besteht. Es ist die perfekte Kombination von lehrreich und amüsant, super strukturiert, mit leichten Mängeln in der optischen Präsentation. Ich bitte auf jeden Fall dringendst, mich zu informieren, wenn der Film rauskommt. Das wird dann der absolute Wahnsinn!

 

Unterwegs im Weltraum, Gernot Grömer, Collage (c) Alexandra Wögerbauer-Flicker - kekinwien.at

Unterwegs im Weltraum, Gernot Grömer, Collage (c) Alexandra Wögerbauer-Flicker – kekinwien.at

 

 

Unterwegs im Weltraum
Gernot Grömer

 

Buchdetails

  • Aktuelle Ausgabe
  • ISBN: 9783800077359
  • Sprache: Deutsch
  • Ausgabe: Fester Einband
  • Umfang: 176 Seiten
  • Verlag: Ueberreuter
  • Erscheinungsdatum: 29. August 2019
  • gesehen um Euro 21,95

(Beitragsbild: Collage zum Sachbuch ‚Unterwegs im Weltraum‘ vom Gernot Grömer, Bild (c) Aleandra Wögerbauer-Flicker – kekinwien.at)

kekinwien.at

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