Frauen, die aus Fenstern starren
oder: Das Leben am Kreisverkehr
Der ORF startet heute seine neue Reihe „Landkrimis“, die neun einzelne Filme aus allen Bundesländern enthalten wird, mit Michael Glawoggers „Die Frau mit einem Schuh“. Wärmste Empfehlung!
Glawogger lieferte in seinem ersten – und letzten – Fernsehfilm eine humorvolle Liebeserklärung an seine Wahlheimat Pitten. Er erzählt eine Topografie, die aus Schrottplätzen, Autowerkstätten und ehrlichen Wirtshäusern besteht und wieder in der wohl nichtssagendsten baulichen Maßnahme mündet, die wohl jede Landschaft der Undefiniertheit näher bringt: dem Kreisverkehr.
An solch einem Kreisverkehr lebt eine alte Frau, die vom Fenster aus das Leben beobachtet, das schon lange an ihr vorbei gezogen ist. Was sie gesehen hat weiß sie, nicht aber, wann es passiert ist und ob zum ersten oder zum hundertsten Mal.
„Die Frau mit einem Schuh“, die sie hier beobachtet hat, ist der Ausgangspunkt für eine Geschichte, in der Glawogger eine wahrlich erfrischende Sicht auf diese Gegend präsentiert. Hier werden ständig Rollenbilder umgekehrt, Erwartungen gebrochen und die Figuren überraschen mit trockenem Humor vom Feinsten:
Nina Proll als herrlich schlagfertige Polizistin, die ihr gesamtes Leben als Unterforderung betrachtet, Robert Palfrader als ihr liebend-hilfloser Ehemann, Karl Fischer als sudernd-patscherter Kollege, der doch voller Lebensweisheit steckt, Johannes Krisch als cholerischer Mechaniker und Edita Malovčić als kühle Brünette mit doppelter Agenda.
Und der Krimi selbst wächst weit über sich hinaus und wird zu einer tief emotionalen Fabel über die Beobachtung des Lebens und die Teilnahme daran.
Zur Uraufführung bei der vergangen Diagonale war Michael Glawogger gerade auf seiner Reise, die an seinem Geburtstag begann und an seinem Todestag enden sollte, um seinen „Film ohne Namen zu drehen“. In einer Videobotschaft aus Guinea lächelte er die Zuseher an, entschuldigte er sich für sein Fernbleiben und lud sie auf ein Bier ein.
Wie gerne würde man das jetzt mit ihm trinken!