Der Filmserie House of Cards (Regie: David Fincher) ist eine Kriegserklärung ans Fernsehen.
Netflix, eine Filmverleihfirma im Internetz, hat als erstes Unternehmen außerhalb der Film- und TV-Industrie eine eigene Produktion abgeliefert. Neun Nominierungen für den diesjährigen Fernsehpreis Emmy unter anderem in der Königskategorie „Bestes Drama“ waren die Folge. Letztlich gab es den Emmy dann für die Regiearbeit Finchers in der ersten Folge.
Um die Erfolgswahrscheinlichkeit der neuen Auflage von House of Cards zu maximieren wurden kreative Kräfte ersten Ranges und in der Schauspielkunst befähigte Stars angeheuert. Auch bei der Auswahl des Materials wurde nichts dem Zufall überlassen. House of Cards wurde bereits Anfang der 1990er Jahre von der BBC erfolgreich in englische Wohnzimmer gestrahlt. Damals spielte Ian Richardson den mit allen Wassern gewaschenen Parlamentarier Francis Urquhart, der sich langsam aber sicher in die Führungsrolle der Regierung manövriert.
Francis „Frank“ Underwood wird in der amerikanisierten Fassung jüngeren Datums mit sichtbarem Vergnügen von Kevin Spacey gegeben.
Sowohl die BBC-Variante, als auch jene von Netflix sind absolut sehenswert.
In beiden Filmserien sind die Rollen bis ins Nebenfach superb besetzt, das politische Umfeld exzellent in Szene gesetzt und die Dramaturgie spannend. Der interessanteste Unterschied liegt in der jeweiligen Zeichnung der Hauptperson.
Trotzdem Urquhart mit Nonchalance, Understatement und Umgangsformen ein kulturechter Typus zu sein scheint, geht er für seine Landsleute untypisch brachial ans Werk. Seine amerikanische Ausgabe wirkt mit überraschend feiner Klinge und ist deshalb ungleich maliziöser.
Machtpolitik, das Spiel mit den Hackordnungen und die Intelligenz sozialer Manipulation werden schonungslos ausgelotet. Gerade weil das Verwerfliche in der Vorgehensweise des Hauptcharakters scheinbar ambivalent, in den Methoden feinmaschig und souverän organisiert ist, wirkt Frank Underwood doppelt teuflisch. Seine Frau Claire (Robin Wright) steht ihm in der Führung einer gemeinnützigen Stiftung um nichts nach.
Ich empfehle die Serie insbesondere jenen, die nicht das zweifelhafte Vergnügen haben, in Konzernen oder anderen Großorganisationen zu arbeiten. Sie werden ihr Verständnis jener „innenpolitischen“ Machenschaften rasch vertiefen, von denen Betroffene oft erzählen.
Wer gegen institutionelles Unrecht wirksam auftreten will, kann sich mit House of Cards wappnen. Entweder Kunde von Netflix werden oder die DVD auf Amazon erwerben.
Houes of Cards
2013, USA, 2 Staffeln zu 13 Eposiden à ca. 50min
Idee: Beau Willimon
Sender: netflix
Erstausstrahlung: 1.2.2013, 4.2.2013 auf Sky
mit Kevin Spacey, Robin Wright, Kate Mara, Corey Stoll, Kristen Connolly, …
FSK 12 Jahre
Vertiefend sein ein Artikel aus der Neuen Zürcher Zeitung vom 24.9.2013, Seite 25, empfohlen:
Christiane Hanna Henkel, New York · Schon im Juli hatte sich etwas angekündigt, das ein Schlaglicht auf den Umbruch im amerikanischen Fernsehen warf. Damals nämlich war die Serie «House of Cards» in mehr als einem Dutzend Kategorien für den amerikanischen Fernsehpreis Emmy nominiert worden. Und als nun am Sonntagabend in Los Angeles der begehrte Preis zum 65. Mal verliehen wurde, konnte der Politik-Thriller mit Kevin Spacey in der Hauptrolle denn auch in einer der wichtigsten Kategorien punkten: «House of Cards»-Regisseur David Fincher wurde als bester Regisseur ausgezeichnet.
Nun, das ist alles insofern überraschend, als «House of Cards» gar kein Fernsehfilm ist bzw. genaugenommen gar nie im Fernsehen gelaufen ist. Die Serie wurde von dem Online-Dienst Netflix produziert und ausgestrahlt. Dabei ist auch «ausgestrahlt» nicht der richtige Ausdruck. Denn Netflix ist ein Online-Anbieter, über den sich per Tabletcomputer, Smartphone, Laptop oder auch Fernsehgerät Filme per Internet anschauen lassen. Der Netflix-Kunde kann gegen eine monatliche Grundgebühr dabei so viele Filme und Serien schauen, wie er will, wann er will und über diverse Endgeräte an einem Ort seiner Wahl. Und das alles ohne Werbepausen.
Netflix ist in den USA in den letzten Jahren rasant gewachsen. Das Unternehmen war vor rund zehn Jahren ursprünglich als Vermieter von DVD gestartet. Mit der Verbreitung von entsprechenden Übertragungskapazitäten hat die seit 2002 an der Nasdaq kotierte Netflix dann auf die digitale Übermittlung gesetzt. Spätestens mit der selbstproduzierten Serie «House of Cards» ist Netflix in den USA nun der Durchbruch gelungen. Wenn in den USA vor allem in den Abendstunden die Internet-Nutzung brummt, dann liegt das meist an Netflix: Schätzungsweise machen die Filme, die die Nutzer nach Feierabend per Internet-Streaming anschauen, rund einen Drittel des abendlichen Datenverkehrs aus.
Und nachdem der Online-Dienst nun am Sonntag auch noch den traditionellen Filmpreis hat ergattern können – zum ersten Mal hat ein Online-Anbieter das geschafft -, dürfte das innovative Unternehmen zum amerikanischen Film-Establishment gezählt werden. Mit rund 30 Mio. Kunden in den USA hat das Unternehmen (Börsenwert von 17,8 Mrd. $, Umsatz von 3,6 Mrd. $) mittlerweile genau so viele Kunden wie etwa der Kabel-TV-Anbieter HBO. In diesem Jahr sind die Netflix-Aktien um 240% in die Höhe geschossen. Unter den 500 Titeln des Börsenindexes S&P ist das der höchste Kursanstieg seit Jahresanfang.
Generell ist es nun absehbar, dass die traditionellen Fernsehanbieter, also die Rundfunksender und die Kabel-TV-Anbieter wie Fox oder HBO, von Netflix und Konkurrenten wie Hulu unter Druck gesetzt werden. Die grössere Selbstbestimmung des Filmkonsums, der geringe Preis – Netflix kostet rund 8 $ im Monat, während Kabelanbieter ein Vielfaches davon verlangen – und die Abwesenheit von Werbung machen Netflix populär. Die Kabel-TV-Anbieter schauen der Entwicklung nicht tatenlos zu und investieren in neue Serien und Filme. Zudem verfügen sie über einen in einem sportbegeisterten Land wie den USA wichtigen Wettbewerbsvorteil: Sie haben sich weitreichende Übertragungsrechte etwa von Football-, Basketball- und Baseballspielen gesichert.
Und dennoch haben die TV-Kabel-Anbieter im letzten Jahr 1 Mio. Kunden oder 1% der Kundschaft verloren. Das ist noch nicht dramatisch, aber der Rückgang wird als Anfang eines sich beschleunigenden Trends gesehen. Unabhängig davon, wer aus dem Rennen als Sieger hervorgehen wird, die Zuschauer gehören schon heute zu den Gewinnern: Experten sind sich darin einig, dass der stärkere Wettbewerbsdruck bereits zu einer höheren Qualität bei den Serien geführt hat.“