Wem seine Albträume zu wenig bunt und überraschend sind,
der braucht Holy Motors!
Für einen echten Schauspieler wie Denis Lavant ist es,
wie er im Interview bestätigt, ein Traum – in 11 Rollen!
Und Denis Lavant ist wohl für den Regisseur Leos Carax
die Traumbesetzung seines Lebens.
Wie man seinen raren öffentlichen Aussagen entnehmen kann, nimmt Carax das Leben und das Filmen sehr ernst. Er mache nur dann einen neuen Film, wenn es ihm wirklich ein Bedürfnis ist, sagt er selbst von sich. Das ist als Künstler eine große Kunst.
Bisher waren das ‘Boy meets Girls’(1984), ‘Die Nacht ist jung’(1986), Die Liebenden von Pont Neuf (1991), ‘Pola X’ (1999) und einige Kurzfilme. Kompromisslos auf die Finanzierung wartet ein noch größeres Projekt, während Carax seit 1999 mit Holy Motors dieses Jahr wieder einen Langfilm realisierte, der auch in Cannes mit großem Erfolg, aber unprämiert lief. Dieses Jahr wurde Carax außerdem mit dem Ehrenleoparden für das Lebenswerk in Locarno ausgezeichnet.
In Holy Motors ist Denis Lavant als ‘Mister Oscar’ Schauspieler, aber mehr wie ein Auftragskiller.
Ein Darsteller ganz alleine also, ohne Filmteam, ohne aufwendigen, kostspieligen Staff. Er wird alleine in seiner Garderobe, einer Stretchlimousine, von einem Termin zum anderen chauffiert. Neun sind es an diesem rasanten Tag, an dem wir dabei sind, erfährt er zu Beginn von seiner eleganten Fahrerin (Edith Scob).
Damit lässt sich aber in keiner Weise erahnen, was uns an bizzaren Bildern und wirren Geschichten erwartet. Die Spielorte sind sozusagen live, in den Straßen von Paris, einer Lagerhalle, im verlassenen Warenhaus La Samaritaine, am Friedhof Père-Lachaise, und sie führen uns durch die Kloake in die Katakomben von Paris.
Die oft schrecklich schön reale Veränderung durch die Filmmaske mit aufwendiger Schminke wird uns vorgeführt. Und danach wird das Haar mit einem heftigen Ruck vom Kopf gerissen, von dem man uns schon hat vergessen lassen, dass es da nicht angewachsen ist. Und dann will es sich einer einverleiben, in aller Gier nach dem Realen.
Leos Carax imaginiert das Reale, beschwört und feiert das Körperliche der Maschine und den Menschen in all seiner Körperlichkeit. Alle neun Figuren, die Carax und Lavant entwickelt haben, könnten einen eigenen Film ergeben, vom gewalttätigen blutspritzenden Horrorfilm bis zur zarten Romanze, in der geweint und gesungen wird.
Holy Motors beginnt in der unmittelbaren Gegenwart, in der wir uns selbst auf der Leinwand sehen, während der Film uns im Nacken sitzt. Eigentlich steht Leos Carax dort. Wie er das macht? Kunstvoll und ein wenig verstörend.
Dann erklärt Holy Motors sich aber doch als nahe Zukunft, in der etwa der Tod nicht mehr vorhanden ist – und auf den Grabsteinen statt Namen Homepage Adressen stehen. Theater-Tode gestorben werden in diesem Film viele.
Dass das wirkliche Sterben nicht mehr möglich ist, hat Michel Piccoli noch nicht ganz realisiert, wie er in einem kurzen Auftritt als einer der rätselhaften Auftraggeber erzählt. Eine Schlüsselszene ist seine Frage an Mister Oscar, was diesen antreibt.
Denn das fragt sich wohl Leos Carax selbst. Und beantwortet sich die Frage gleich: ‘Die Schönheit’.
Vielleicht eher ‚die Schöne und das Biest‘ denkt man als Zuschauer.
Und so bricht dieser Film wie eine Sturmwelle über uns herein und entreißt uns mit seinem Bildreichtum und starker Körperlichkeit den Boden unter den Füßen.
Viel Spaß mit HOLY Motors!
Im WOOD spielt, so bedauert Mister Oscar, diesmal gar keine Szene – es wird niemandem fehlen.
Holy Motors
2012, Frankreich, 115min
Drehbuch und Regie: Leos Carax
Besetzung: Denis Lavant, Edith Scob, Eva Mendes, Kylie Minogue, Michel Piccoli, Leos Carax
läuft zur Zeit in folgenden Wiener Kinos