Im Auge des Betrachters. Point of View. Im Gespräch mit Otwin Biernat.

Im Auge des Betrachters. Point of View.

Im Auge des Betrachters. Point of View.
Ein Filmprojekt steht in den Startlöchern.

Wir haben mit dem Filmemacher Otwin Biernat, der als Drehbuchautor, Regisseur und Producer in Personalunion fungiert, über sein neues Herzensprojekt geplaudert.

Im Auge des Betrachters. Point of View  ist ein Kammerspiel in Echtzeit.

Der 65. Geburtstag von Karl Krämer (Knut Krödel) steht vor der Tür. Mit dem Ereignis auch die drei Kinder. Die Mutter, eine ehemalige Sängerin hat ihre Stimme verloren und damit auch ihre Fähigkeit zur Interaktion. Ist die Familie erst einmal an einem Ort versammelt, lassen auch diesmal Konflikte nicht lange auf sich warten, Wunden brechen auf und alte Verhaltensmuster kehren zurück. Gespickt ist die ganze Szenerie mit einer guten Prise Schwarzen Humors.

„Mein Film ‚Im Auge des Betrachters‘ ist ähnlich gewagt und ergreifend wie der dänische Film ‚Das Fest‘ und hintergründig humoresk wie  Anders Thomas Jensens ‚Adams Äpfel‘ … aber doch ganz anders.“ so Otwin Biernat.

Es ist ein besonderes Projekt in vielerlei Hinsicht. Die Kamera nimmt dabei eine spezielle Rolle ein, nämlich die der Mutter. Somit fällt der Blick von Außen weg, der Zuschauer wird quasi Teil des Films. Weiters verzichtet man bis Minute 70 auf jeglichen Schnitt. Finanziert wird das ganze Projekt aus eigener Tasche und via Crowdfunding. Das Team und die Schauspieler verzichten auf ihre Gagen.

Screenshot, Point of View. Im Auge des Betrachters, Foto (c) Otwin Biernat

Screenshot, Point of View. Im Auge des Betrachters, Foto (c) Otwin Biernat

kek: Wie kam dir die Idee zu diesem Kammerspiel?
Dieses Projekt umfasst ziemlich viele ambitionierte Ideen wie Kammerspiel, POV, kein Schnitt.
Warum gerade dieses Genre bzw, „Stilmittel“?

Otwin Biernat: Mich inspirierten viele Dinge, u.a. die Arbeit an einem vorangegangenen Drehbuch, weiters Film wie HomeSick von meinem Freund Jakob M. Erwa,  oder „Dicke Mädchen“ von Axel Ranisch, wo gezeigt wird, dass man auch mit 500 Euro einen guten Film drehen kann.

Das Medium Film bietet heutzutage schier unmögliche technische Möglichkeiten. Liest man die Beschreibung des Films, denkt man an Dogma 95 oder ans Theater. Ist weniger mehr? Warum diese Reduktion? Geht es darum der Wirklichkeitsentfremdung des Kinos entgegen zu wirken?

Ich glaube, eine Kamera und ein Schauspieler reichen aus, um eine spannende Geschichte erzählen zu können.
Es kommt hin und wieder vor, dass ich mir einen Blockbuster im Kino anschaue und meistens sind die Effekte enorm aufwändig … aber es berührt mich oft nicht. Da frage ich mich schon ab und zu, ob zu viele Effekte drumherum nicht eher hinderlich sind und ablenken.

Beobachtet man im Moment die Filmlandschaft fällt auf, dass es vermehrt Filme gibt, in denen die Kamera massiv im Vordergrund steht, das bestimmende Stilmittel ist bzw. quasi als Person fungiert. (Siehe z.B. Inarritu mit Birdman oder The Revenant oder auch Schipper mit Victoria )
Ist das ein Trend?

Ich glaube nicht, dass es ein Trend ist.
Mit der Kamera wurde auch vor über zehn Jahren viel herumexperimentiert. Mittlerweile ist mit der Kamera einfach viel mehr möglich als früher, und davon wird dann gern Gebrauch gemacht, weil man Perspektiven ändern kann.
Als ich mein Drehbuch geschrieben habe, da hatte ich Victoria noch gar nicht gesehen.

Screenshot, Im Auge des Betrachters, Foto (c) Otwin Biernat

Screenshot, Im Auge des Betrachters, Foto (c) Otwin Biernat

Du hast auch das Drehbuch geschrieben. Warum gerade das Thema Familie? Die Familie als Keimzelle allen Übels?

Haha, um Himmels Willen NEIN! Ich habe das Thema Familie gewählt, weil ja fast jeder eine Familie hat und sich dieses Thema somit für die meisten „familiär“ anfühlt.
Die Familienkonstellationen könnten stellvertretend auch als Metapher für sämtliche Beziehungen in dieser Welt verstanden werden, denn Konflikte zwischen Menschen mit unterschiedlichen Realitätsvorstellungen existieren vermutlich so lange wie die Menschheit selbst.

Gibt es Vorbilder bzw. Filme, Theaterstücke, die dich zu diesem Projekt oder generell inspiriert haben?
Mich faszinieren Filmprojekte, die ungewöhnliche Richtungen einschlagen, abseits der „Norm“ …

Da kommen wir dann u.a. wieder zum dänischen Film zurück … z.B. Dogma 95, darunter unter anderem Das Fest hat mich schon beeindruckt. Ich schätze weiters den Humor von Anders Thomas Jensen (Adams Äpfel, Flickering Lights), aber auch in vielen anderen Ländern wie z.B. Südkorea oder Japan gibt es einige Highlights, die zeigen, wie vielfältig und unkonventionell Geschichten erzählt werden können.

„Ich finanziere primär dieses Projekt selbst, denn ich will auf diese Weise meine künstlerische Freiheit und Unabhängigkeit wahren.“ sagst du auf der website zum Film.
Geht das nur so? Und wenn ja, warum?

1) Förderungen lassen lange auf sich warten und können unter Umständen den kreativen Prozess bremsen.
2) Es ist ein spannendes Experiment für mich.
3) No risk, no fun!

Screenshot, Im Auge des Betrachters, Foto (c) Otwin Biernat

Screenshot, Im Auge des Betrachters, Foto (c) Otwin Biernat

Wie schwierig ist es in Österreich / Deutschland einen Film zu machen?

Ich denke, es hängt davon ab, welche Art von Film man machen will.
Grundsätzlich bin ich der Meinung, Filme zu drehen ist heutzutage so günstig, wie noch nie (Equipment ist leistbar) und daher auch leichter umsetzbar – was aber nicht heißt, dass es einfach ist.

Warum gibt es in Österreich nicht das Bewusstsein für Filmkultur wie beispielsweise in Dänemark oder Frankreich? Warum ist der österreichische Film auch im eigenen Land meist ein Nischenprodukt? Positioniert man sich schon automatisch vorauseilend als Underdog?

Hm, im Ausland hat der österreichische Film einen guten Ruf, vor allem als „Underdog“, denke ich.
Aber ich verstehe, was mit der Frage gemeint ist. Ich bin auch vor allem fasziniert, dass dieses kleine Land Dänemark so viele Filme erfolgreich in den Kinos laufen hat.
Ich kenne mich mit den dänischen Förderungen nicht so gut aus. Ich bekomme aber mit, dass in Österreich viele junge, talentierte Filmemacher darüber klagen, sie bekommen nicht mal eine Chance, da nicht genug Fördergelder zur Verfügung stehen, oder dass die Wartezeiten zu lange sind.
Österreichischen Filme sind im allgemeinen in den Kinos auch nicht so gut besucht.
Vielleicht werden sie zu wenig vermarktet?

Danke für das Gespräch.

 

Im Auge des Betrachters. Point of View.
Drehbuch: Otwin Biernat
Regie: Otwin Biernat
Kamera: Phil Green
mit Knut Krödel, Doris Pigneter, Uta Krüger, Maximilian Popp

Mehr Information zum Projekt und Crowdfunding gibt es hier.

 

Otwin Biernat, Foto (c) Ingeborg Biernat

Otwin Biernat, Foto (c) Ingeborg Biernat

 

Zur Person:  Otwin Biernat 
geb. in Graz
Schauspielausbildung in Wien (Open Acting Academy)
In unzähligen Bereichen der Kunst kreativ tätig, hier ein Auszug:

Homepage: otwin-biernat.at

 

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