Ab heute läuft EX MACHINA in unseren Kinos:
Ein klaustrophobisches Kammerspiel, das offensichtlich ein Science Fiction Thriller ist, aber morgen schon real sein könnte. Optisch und akustisch ein pures Vergnügen regt er zum Nachdenken an und wird für Diskussionen sorgen. Ansehen, mitreden.
Ich versuche die Story zu umreißen ohne zu spoilern … Caleb (Domhnall Gleeson), ein Programmierer im größten Suchmaschinen Unternehmen der Welt, hat das große Los gezogen: er darf eine Woche mit seinem CEO Nathan (Oscar Isaac) verbringen. Er reist per Helikopter zu dessen Anwesen in Alaska, wo Nathan abgeschieden, durchaus luxuriös unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen und Geheimhaltung lebt und arbeitet.
Die hippe Designerhütte steht inmitten einer unberührten Berglandschaft, reduzierte Eleganz und cleaner Chic, wo auch immer das Auge ruht, Architektur und Natur verschmelzen auf ästhetisch hohem Niveau. Der nette Nerd Caleb trifft dort also auf Nathan, den bewunderten Firmengründer, als der gerade sein workout mit Boxhandschuhen und Trainingshose auf der Terrasse inszeniert. Cool. Zwei Männer werden zusammen bei Bier und Sushi in den Bergen anhängen, oder?
Caleb benimmt sich zunächst wie ein Musterschüler, der faszinierende Nathan sucht wohl zur Abwechslung menschliche Gesellschaft, gibt aber ab und an das narzisstische Kind. Nach einer Art Aufwärmrunde, in der Nathan deutlich seine geistige und körperliche Überlegenheit demonstriert, weiht er den Besucher in sein aktuelles Forschungsprojekt ein. Er arbeitet an der Erschaffung künstlicher Intelligenz. Und Caleb soll den Prototypen testen. Die schöne Ava (Alicia Vikander) tritt auf …
Ex Machina defininiert das Genre neu: er ist langsam.
Ich mag Sci-Fi. Und ich bin erfreut, wenn ich mitdenken soll. Ich schätze die Ästhetik dieses Films, die ruhige Inszenierung und den hervorragenden Soundtrack. Die Besetzung hätte nicht passender sein können und aller Spiel ist berührend. Ein guter Film, der dennoch unterwegs ein wenig von seinem Potential verschenkt.
Die Wahl der Location ist grandios gelungen. Bis auf die erste und die letzte Einstellung befinden wir uns immer in und um das Chalet in den Bergen. Es ist in den Hang gebaut, wahnsinnig stylish, voll von zeitgeistigem Design: Zitate aus den 1960ern, kupferne Lampenschirme, das Weizengras auf dem Küchenbord, schon wieder diese Glühbirnen, …
Die Gegensätzlichkeit der hochtechnisierten Behausung mit Keycardsystem und totaler Überwachung mit der sauberen, gesunden Natur samt Wasserfall und Gletscher spiegelt das Spannungsfeld zwischen den handelnden Personen wider. Stahlgrau trifft Waldgrün, im kühlen Glas spiegelt sich der Himmel Blau. Doch die Klarheit der Räume lässt uns mehr auf die handelnden Personen achten. Gedreht wurde in Norwegen und dieses Haus gibt es wirklich: Juvet Landscape Hotel, Alstad, Valldal, Norway! Die Innenräume, diese besondere Art von Gefängnis und Labor wurden in den Pinewood Studios erschaffen.
So ein Haus hätte man gern, nur dass ich mir statt des Klimt einen Brandl wünschte und statt des Jackson Pollok viel lieber einen Aaron van Erp. Aber ich bin ja auch nicht ein bulliger Bartträger, ein machtbewusster moderner Frankenstein so wie Nathan. Ich sage nicht: „Ich bin Gott. Weil ich’s kann.“ Und ich kenne das 11. Gebot: „Du sollst nicht irren!“
Nathan sagt: „Ich bin Gott.“ Und wir glauben es Oscar Isaac.
Oscar Isaac gibt den manipulativen Verführer Nathan, den arroganten Machtmenschen mit viel Charisma.
Er gefällt einem, man mag ihn, bemitleidet ihn, findet ihn abstoßend und faszinierend zugleich. Isaac gehört für mich zu den wandlungsfähigsten Schauspielern unserer Tage – man vergleiche sein Spiel in Inside Llewyn Davis! Es ist mein neuer De Niro.
Die Figur des smarten Nathan zeigt durchaus den gottgleichen Anspruch des Schöpfers. In seiner Schaltzentrale, die mich an die reduzierte Brücke eines Raumschiffs erinnert, arbeitet er an den kognitiven Fähigkeiten seiner Androiden. Dass es das auch mit Hilfe einer Wand voll von Post-its tut, macht ihn menschlicher.
Gelingt es ihm tatsächlich künstliche Intelligenz zu schaffen, wird dies die Geschichte der Menschheit verändern. Er hat keine Angst davor, ganz im Gegensatz zu Stephen Hawking, der erst vor wenigen Wochen in der Financial Times vor Künstlicher Intelligenz gewarnt hat: „Da der Mensch durch langsame biologische Evolution beschränkt ist, könnte er nicht konkurrieren und würde verdrängt werden.“
Nathan fühlt sich überlegen. Aber Götter sind einsam. Fast scheint er depressiv, zumindest ist er ein Suchtmensch, ein exzessiver Grenzgänger. Man könnte meinen, er schafft sich die schönen weiblichen Androiden, um seiner Einsamkeit zu entrinnen. Begabung kann eine Behinderung sein. Aber dieser Schöpfer achtet seine Geschöpfe nicht …
Will Ex Machina, ein Film, die großen Fragen der Menschheit stellen?
Welcher Rechte hat ein Android? Was ist Bewusstsein? Die Fragen „Wer schaltet mich ab und warum darf das überhaupt jemand“? stellen auch künstliche Intelligenzen vermutlich irgendwann. Wo beginnt Emotionalität und wie weist man sie nach? Ist der Turing Test unzulänglich? (Ja, Alan Turing, The Imitation Game.) Sind wir Menschen unzulänglicher als wir dachten? Wie selbstbestimmt sind wir in Zeitalter der totalen Überwachung und des übersteigerten Sicherheitsdenkens? Wer zieht die Grenzen zwischen Mensch und Maschine, zwischen Gott und Mensch?
Die Dialoge kommen druckreif, thematisieren philosophische Fragen, regen zum Denken an, aber alles bleibt zunächst steril und ein wenig oberflächlich. Hier setzt auch meine Kritik an. Die Interaktion zwischen den Figuren, das Dreiecksverhältnis, die Begegnungen Nathan und Caleb, Caleb und Ava sind unglaublich spannend. Letztlich interessiert mich – auch wegen der mehreren überraschenden Wendungen – am meisten, was zwischen den Figuren passiert. Die großen Fragen bleiben platt im Raum liegen. Zu viel gewollt? Alles so bedeutungsschwanger aufgeladen bis hin zu den biblischen Namen, kann sich nicht entladen, obwohl der Showdown schon nennenswert ist!
Ex Machina ist ein Erstling.
Man bleibt dran. Von den 108 Minuten ist keine umsonst oder langweilig. Der Produzenten Scott Rudin (No Country for Old Men, The Social Network, True Grit) war mutig genug die Story einem Erstlingsregisseur anzuvertrauen. Ich ziehe meinen Hut vor Alex Garland. Da freut man sich, auf alles, was noch kommen wird. Apropos: Das Ende des Films lässt den Willen zu einer Fortsetzung erkennen.
Fazit: Ein moderner Frankenstein öffnet die (zugegeben sehr hübsche) Büchse der Pandora. Unsere kühnsten Träume treffen auf unsere größten Ängste. Wir werden Zeugen eines feinen, sehr grausames Kammerspiels in herausragender Besetzung.
Man geht raus aus dem Kino und hat ein wenig Angst, dass einem die herzlose Ava über den Weg laufen könnte. Denn Bewusstsein ist eine Sache. Die andere ist, dass wir selbst, unsere Spezies noch so sehr damit beschäftigt sind, menschlich zu werden und zu handeln. Es ist nicht vorstellbar, dass wir eine neue Wesenheit schaffen und sie darin unterrichten, was es ausmacht, ein Mensch zu sein.
Danach: sehnt man sich nach emotionaler Nähe und Normalität. Und nach einen Bier oder einem zu viel, so wie Nathan.
Im Brickmakers gibt’s das Bier und den Rest zum Beispiel in der R&Bar.
Ex Machina
2015, UK, 108min
Drehbuch: Alex Garlnad
Regie: Alex Garland
Soundtrack: Portishead’s Geoff Barrow und Ben Salisbury – genial!
mit Domhnall Gleeson, Oscar Isaac, Alicia Vikander, Sonoya Mizuno, …
FSK 12 Jahre (naja … oder älter, wenn es nach mir ginge)
Der Film läuft ab heute in unseren Kinos!