Lieblingsszene aus "Take This Waltz"! Foto © april-maybeIch gebe es zu.
Wenn wir nicht schon alles gesehen hätten, was im Moment so in den Wiener Kinos Nennenswertes läuft, würde ich niemals Take This Waltz ausgewählt haben.
Ein Liebesfilm. Pah.
Ein Liebesfilm, der doch keiner ist. Aber großartig.

Margot (Michelle Williams) bäckt. Heidelbeermuffins. Es ist heiß im Sommer in Toronto, Canada. Ihr rotblondes Haar klebt ihr im Nacken. Die Haut glänzt. Sonnenstrahlen fallen durch das Küchenfenster und tauchen die feinen Härchen auf Margots Armen ins Gegenlicht. Ihre nackten Füße tapsen über den Schiffboden. Sie ist hübsch, aber nicht schön. Die Kamera und das Licht liebkosen sie. Man mag sie auch.

Sie liebt ihren Mann. Er ist Kochbuchautor. Sie schreibt PR-Texte für Tourismusseiten bis sie sich leisten kann Anderes zu schreiben. Wir beobachten die kleinen Neckereien des jungen Ehepaares, ihre spielerischen Rituale. Sie treffen einander sehr auf der Kinderebene ihrer Beziehung. Er will noch keine Kinder. Sie lieben sich. Lou (Seth Rogen) ist zufrieden, Margot scheint glücklich.

Auf einer beruflichen Reise trifft Margot Daniel. Man fühlt sich sofort zueinander hingezogen, obwohl das Kennenlernen und die ersten Gespräche eher skurril verlaufen. Wie im ganzen Film auch hier großartige Dialoge, nie ein Wort zu viel.
Sie ticken gleich. Man teilt sich ein Taxi, weil man in der gleichen Stadt wohnt. „I’m married.“ stellt Margot bestimmt fest, als sie am Ziel aussteigen. Daniel bedauert dies aufrichtig. Und geht nach Hause. Er wohnt schräg vis-a-vis. “ Oh shit.“ (Margot)

Nach und nach erkennt man mögliche Sollbruchstellen in Margots und Lous Ehe. Ihre Sprachlosigkeit – großartig dargestellt von Rogen, den man sonst aus dem komischen Fach kennt und Williams, die nie bittersüß wird, nie übertreibt.
Behutsam und stetig wächst die Verliebtheit und die erotische Spannung zwischen Daniel und Margot. Die Szene, in der untertags in einer Bar Martinis getrunken werden sollen, könnte die Szene im Schnellimbiss in Harry und Sally an Berühmtheit übertrumpfen: so heißen Sex gab es noch nie, so ganz ohne jegliche Berührung. Daniel, perfekt besetzt mit Luke Kirby, ist kreativ, ein Maler, der zu feig ist seine Arbeiten öffentlich zu zeigen. Unerfüllte Sehnsüchte auch hier.

Natürlich spitzen sich die Ereignisse zu. Die tragischen Aspekte der Liebesgeschichte(n) werden immer wieder gekonnt durch witzige Szenen unterbrochen: ich liebe die Duschsequenz mit Margots Freundinnen nach der ebenfalls amüsanten Wassergymnastikstunde. Nie verliert die Handlung ihre Balance zwischen Schmerz und Humor, Alltäglichem und Besonderem.
Es verwundert nicht, dass dieser kanadische Film kein klischeehaftes zuckersüßes „Hollywoodende“ hat …

„Ich wollte einen Film über Begehren machen“, sagt Regisseurin Polley – und darüber, „wie schwierig es für uns menschliche Wesen ist, diesem Gefühl entweder einfach den Rücken zu kehren oder aber mit der Urlücke zu leben, die es schafft“. So klingt großartiges, uneitles Autorenkino.
Wenn dann so wie bei Take This Waltz (ja, der Cohen – Song kommt vor) auch noch die Musik, die Location und die Farben stimmen, sehe ich Liebesfilme gern.

Definitiv nicht für Paare in Beziehungskrisen, die mit Untreue zu tun haben. Und nichts für Feiglinge.
Danach muss ein Martini Cocktail sein. Die Bar Tabacchi liegt in der Nähe des Filmcasinos, wo der Film in OmU läuft und die Menschen auch beim Abspann noch sitzen bleiben. Danke auch dafür.

 

 

Take This Waltz

2011, Kanada/Spanien/Japan, 116min (zensuriert 91min)

Buch und Regie: Sarah Polley
mit Michelle Williams, Seth Rogen, Luke Kirby, Sarah Silverman, …
FSK 12 Jahre

Der Film läuft im Moment synchronisiert im Village und in der Urania, in OmU im Filmcasino.

 

 

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