Selten zuvor wurde vor einer „Schon-Wieder-Neueröffnung“ eines Restaurants über den Koch so viel Gift verspritzt wie über Tim Mälzer im Salonplafond. Und auch das neu gestaltete Interieur des Restaurants im MAK wurde sofort nach der Veröffentlichung der ersten Fotos mit erstaunlich viel Häme bedacht.
Noch zwei Gründe mehr für uns gleich mal vorbeizuschauen am „Tag Zwei“ der Soft Opening Phase vor der offiziellen Eröffnung am 17.12.2015.
Hier kommt die keke Restaurantkritik: Im Salonplafond trifft Berlin Wien mitten ins Herz.
Das Lokal im MAK war vor zwei Jahrzehnten legendär: die coolste, lässigste, chicste Bratpfanne der Stadt, ein kommunikativer Begegnungsort inklusive Nahrunsaufnahme und eine Bar wie eine Bühne. Die luftige Möblierung des ursprünglichen Entwurfs von Hermann Czech spielte unter der imposanten Decke Katz und Maus, wir am Boden Johnny loves Jenny …
Ich habe diesen Ort geliebt.
Dem Restaurant nach dem Umbau 2006 durch Eichinger oder Knechtl, dem Österreicher im MAK, hatte ich auch ein paar Chancen gegeben, aber irgendwann zog ich enttäuscht einen Schlussstrich für mich.
Ich war dementsprechend aufgeregt, als ich vom neuerlichen Versuch das Restaurant im MAK wiederzubeleben hörte. Was dann folgte, war – sagen wir einmal – besorgniserregend: Ein deutscher Starkoch soll der Küchenlinie Gesicht und Namen leihen. Mir wäre da schon der eine oder andere Österreicher eingefallen, dem gerade ein eigener Herd fehlt.
Der Raum soll durch eine riesige Kredenz geteilt werden und die Bar wandert im Raum ganz nach hinten: echt jetzt? Nix mehr Sehen und Gesehen werden gleich beim Eingang? Nix mehr imposantes Raumgefühl wie ganz früher?
Und dann auch noch die bissigen Kommentare im Netz über all das!
Pia und ich holten uns kegg zur Verstärkung beim Testen. Wir pilgerten also am zweiten Tag seines Bestehens, einem Sonntag zum Frühstück in das neue Lokal am Stubenring. Gleich kurz nach 10.00 Uhr waren wir dort gar nicht allein. Schnell füllte sich der riesige Salon mit Freundesrunden mittleren Alters, ein paar Hipstern, Familien mit ganz kleinen Kindern und Museumsbesuchern: eine sehr angenehme Mischung alles in allem. „Das hier ist die schönste Säuglingsstation Wiens!“, meinte kegg angesichts der anderen Gäste. Ja, wir hatten es ziemlich lustig.
Unser erster Eindruck samt all unseren negativen Erwartungshaltungen?
Gemütlich!
Noch vor dem Stiegenaufgang gleich hinter der schweren Eingangstür begrüßen einen Kerzenschimmer und eine grüne Installation, die einer Lederleitnerfiliale würdig wäre samt erfrischender Musik: Pop und Lounge, entspannt und happy.
Stiegen hinauf – der Denkmalschutz und die Barrierefreiheit gehen nicht einmal einen Zwangsehe ein, aber an einer Lösung für Rollstuhl und Kinderwagen wird getüftelt – Glastüre auf und: wow! Ideales Licht und ein schlaues Farb- und Materialkonzept verschmelzen zu einer heimeligen Wohnzimmeratmosphäre, die eine gewisse Eleganz trotzdem nicht vermissen lässt. Damit hatten wir nicht gerechnet.
Der Salonplafond gefällt uns allen dreien.
Die Frage ist doch: Hätte es die Stoffe von Josef Frank wirklich gebraucht im Salonplafond?
Das Museum am Stubenring war gegen Ende des 19. Jahrhunderts nach Plänen von Heinrich von Ferstel im Renaissancestil errichtet worden. Ihm verdanken wir die beeindruckende Stuckdecke, dem Denkmalschutz die Tatsache, dass sie noch da ist.
Sonst allerdings blieb kein Stein auf dem anderen. Der sinnlose Wintergarten kam weg und mutierte zur neuen, zweiten Terrasse. Im Sommer kann man dann also zur ebenen Erde und im ersten Stock draußen sitzen und auf der großen grünen Wiese wird es Picknicks geben. Endlich hat mal jemand kapiert, dass man diesen Bereich auch bespielen kann.
Die Wände wurden bei der Umgestaltung im kolportierten Wert von 1,3 Millionen Euro in einen warmen Sandton getaucht bzw. mit einer schallfreundlichen Verkleidung verhübscht. Der Raum wirkt jetzt unglaublich warm und einladend, der Blick nach oben ist wieder frei.
Wesentlich zum Wohlgefühl trägt sicherlich das gelungenen Lichtkonzept bei. Die Firma Zumtobel hat nur vor Ort allein eine Woche lang daran herumgetüftelt. An solchen „Details“ merkt man, dass hier insgesamt Gastroprofis am Werk sind.
Ein langer Werktisch, 1500 Kilo schwer mit Onyxmarmor als Platte, dient abends als große, gesellige Tafel und untertags als sehr ansprechendes Buffet für das Frühstück inklusive Koch dahinter. Man kann die Joghurt und Toppings, Kuchen und Brote schon beim Hereinkommen mit den Augen verschmausen.
Das griechische Naturjoghurt hatten wir nicht, aber es wurde am Nebentisch geradezu hymnisch gelobt, ich sag’s nur.
Der Sitzbereich davor ist ein Deli, die Kredenz soll an Zuhause erinnern, deswegen sind die Küchenkastltüren auch offen, nur ein bisschen edler als daheim und Gott sei Dank höher oben. Dringt man weiter vor, gelangt man ins Kernstück des Restaurants, ein trotz neuer Raumaufteilung immer noch riesiger Bereich mit einladenden Kojen und Blick zur großen Bar am Kopfende. Im Tagesverlauf wandert man als Gast quasi von vorne nach hinten, darf aber immer überall alles konsumieren, das heißt der Cocktail ist auch mit Aussicht auf den Ring möglich und das Hauptgericht genau so an der Bartheke.
Das mag ich: Freiheit für den Gast! Der Salonplafond scheint also ein Gasthaus zu sein und kein Wirtshaus.
Trotzdem gibt es etwas zu bemäkeln.
Wir verstehen die lustig eingestreuten Stoffdesigns von Josef Frank nicht: paradiesische Muster auf schwarzem Grund. Das hätte es bei aller Liebe zum Architekten nicht gebraucht. Aber das passt halt so gut: Svenskt Tenn Pop Up und dann noch eine Ausstellung zum bedeutenden österreichischen Entwerfer ab 16.12.2015 im Haus. Na, dann!
Das Essen im Salonplafond oder krasse Kresse, Mann!
Wir bleiben ganz brav vorne und genießen das Unterhaltungsprogramm am großen Frühstücksanrichteplatz. Hier ist immer Bewegung. Da könnte man auch ganz allein sitzen ohne eine Minute Langeweile.
Den Latte kann man im Glas oder in Keramik serviert bekommen. Ich wähle das Glas ab, weil ohne Unterteller. Wer mich kennt: Darüber kann ich eine Stunde lang ohne Punkt und Komma referieren, dass man für den langen Löffel zwingend irgendetwas zum Drauflegen braucht, irgendetwas außer dem Tisch.
Dazu noch ein verwandter Gedanke: Im Salzfass hätte ich neben dem wunderbaren Fleur de Sel bitte auch ein Löffelchen. Die Zuckerdosen sind aus Stein, was zwar hübsch ist, aber da bin ich Hygienefreak und vermissen einen Deckel. Das Geschirr (auch wie vieles hier von Broste Copenhagen) versprüht den Charme eines geschmackvollen dänischen Zuhauses. Das Besteck auf den Tischen gefällt mir nicht, aber die Gläser und Karaffen dafür sehr, wenigstens mal etwas anderes als überall. Die Langeweile ist letztlich der wahre Tod des Gastrokritikers.
Wir haben uns durch die jetzt noch kleine Karte gekostet und das machte durchaus Lust auf mehr. Ich seziere das jetzt einmal:
- Ochsenbrot mit Beinschinken und Kren, Euro 6,00
Das Sauerteigbrot ist hervorragend: angenehm würzig, knackige Kruste, intensiver Geschmack, hoher Roggenanteil. Der Beinschinken schön feucht, saftig, beste Qualität. Darunter Kraut. Warum? Bringt geschmacklich wenig, soll aber vielleicht das „Brenzlauer-Berg-Gefühl“ nach Wien holen. Aber es stört auch nicht. Darüber: Kresse und Schnittlauch. - Ochsenbrot mit Avocado und Parmesan, Euro 6,00
Die Avocado im genau richtigen Reifezustand, die Zwiebel stark in der Nase, der Parmesan sehr jung und mild, ergibt insgesamt einen runden Gesamteindruck.
Darüber: Kresse. - Die Eier sind bio und kommen zu zweit, als Spiegel, pochiert, Eierspeise oder im Glas, jeweils mit geröstetem Ochsenbrot um Euro 4,00
Wir hatten zwei Eier im Glas.
Darüber: kein Schnittlauch.
Und das pochierte Ei, das auf dem Brot ein wenig verloren aussah, war geschmacklich tadellos, aber trotzdem wünschte ich mir die Sauce Hollandaise aus der Liebe herbei.
Darüber: genug Schnittlauch.
Also mein Wunsch an das Christkind wäre: Kresse weg und Schnittlauch nach den Regeln der Wiener Küche einsetzen. Aber Koriandergrün will ich dafür keines, bitte. Danke. Zum Joghurt kann man sich auch Wildkräuter als Topping wünschen übrigens – vielleicht ist da ja etwas Passendes dabei? - Der klassischen Pulled Pork Burger war perfekt (Euro 14,00). Der braucht sich sicher nicht vor den vielen anderen guten Burgern in Wien zu verstecken. Die Pommes Frites waren echt und gut. Für ein hausgemachtes Ketchup zum Beispiel hätte ich mich durchaus erwärmen können.
Aber ich meckere ausgehend von hohem Niveau. Die Karte ist noch im Aufbau: belegte Brote, Salate, Joghurts, Kuchen, vier Hauptgerichte, nämlich Griechischer Salat (kein Witz – Euro 10,00), Bandnudeln Bolognese mit Parmesan (Euro 10,00), aber heute leider kein Beef Tartar (ab Euro 14,00 für 100g). Verdammt.
Was da so in der Soft Opening Phase aus der Küche kam an diesem nebeligen Sonntagvormittag, kann das Gemüt eines Essers schon sehr erheitern. Und ich freue mich wahrhaftig auf die fertige Speisekarte ab dem 17. Dezember 2015. Man wird traditionell kochen und Sous-vide, angekündigt sind zum Beispiel Spinatcremesuppe mit Brandteigkrapfel und Kürbiskernöl (9,00 Euro), gebeizter Saibling mit Maroni und Karfiol (14,00 Euro) oder Kalbstafelspitz mit Avocado und Fenchel (16,00 Euro).
Das Service ist jung, zahlreich vorhanden, sehr aufmerksam, freundlich und bis auf den F& B Manager noch ein wenig unentspannt. Man will halt alles richtig machen. Ich weiß schon, die WienerInnen und ich können ganz schön garstig sein, aber ein bisserl mehr Vertrauen in uns und ins eigenen Können macht es für alle leichter. Wir beißen nämlich nicht.
Die Getränkekarte ist schon ziemlich fertig, auf ihr tummeln sich ein paar sehr interessante Craft Beer Vertreter. Dass Jan Pavel (jetzt noch im Fabios) ab Jänner 2016 hier den Barchef gibt, lässt auch viel Gutes in Sachen Cocktails und Trinkkultur erhoffen. Zum Wein kamen wir nicht, den nehmen wir uns für das nächsten Mal vor, aber kleine ausgesuchte Weingüter sollen liefern, wie man hört. Denn das wird es ganz sicher geben, das nächste Mal – allen Unkenrufen zum Trotz.
Wir mögen ihn nämlich, den Salonplafond.
Salonplafond
Stubenring 5, 1010 Wien
Tel.: [telnumlink]+43 1 226 00 46[/telnumlink]
E-mail: willkommen@salonplafond.wien. Das Reservierungsprogramm ist wird am 17.12.2015 freigeschaltet.
web: www.salonplafond.wien
Öffnungszeiten: ab 17.12.2015 täglich ganztags und abends, Details folgen
Bis zum Ende der Soft Opening Phase ist alles noch ein wenig unübersichtlich. Am 7. und 8.12.2015 ist von 9.00 bis 18.00 Uhr offen; am 9. und 10.12.2015 geschlossen. Am 11.12.2015 wieder offen und ab 17.12.2015 wird täglich, auch an den Feiertagen geöffnet sein (Ausnahmen: 24.12.2015 abends und 1.1.2016 ganztags).
Also: Frühstück, Mittagessen, Abendessen, Cocktails jeden Tag!
Inhaber: Barbara und Peter Eichberger in Zusammenarbeit mit der Hamburger tellerrand consulting
Küchenchef: Aaron Waltl
Barchef: Jan Pavel
Innenarchitektur: Michael Embacher
Lichtdesign: Zumtobel
Sounddesign: Klangfarbe
Technische Details: 290m², 140 Plätze plus Bar, zwei Terrassen, Garten, Nichtraucherlokal, Wickeltisch inklusive Windeln
Und jetzt zum Schluss aus reiner Sentimentalität: Hermann Czech.
Andreas Mautner Markhof
Am 7.10. wollten wir bei einem guten Essen die Hochzeit meines Sohnes feiern. Das gute Essen beschränkte sich bei mir auf einen Beilagensalat, der Rest war nicht mittelmäßig sondern grauenhaft schlecht. Ich hätte es bisher nicht für möglich gehalten so etwas serviert zu bekommen, gilt auch für Vor und Nachspeise. Es wäre besser gewesen überhaupt auf ein Mittagessen zu verzichten, wir hätten uns viel erspart, an einem für uns so wichtigen Tag.
Andreas Mautner Markhof
1030 Wien
Brömer
Gutes Essen
Gutes Team
Gute Musik
Alles richtig gut.
H. Brömer Berlin
13.11.16
club
Hier geht es ja ganz schön ab!
Ich persönlich war mittlerweile schon oft und zu mehreren unterschiedlichen Tages- und Jahreszeiten im Salonplafond.
Und es war immer erfreulich.