Cafe Jelinek

Wenn es das Wort „Patina“ nicht schon gäbe, müsste man es für das Cafe Jelinek erfinden.
Und „authentisch“.
„Wer’s eilig hat, wird hier nicht bedient“ kann man noch immer neben der Theke lesen.
Dabei ist das Ehepaar Knapp schon seit 2010 in Pension …

Leider habe ich das legendäre Wiener Original Maria Knapp nicht mehr erlebt: gestresste Menschen und Handys waren ihr ein Gräuel. Im weißen Apothekermantel und mit diktatorisch mütterlicher Autorität führte sie das Kaffeehaus seit 1988, ihr Ehemann war für die Küche und die Kuchen zuständig: Wenn ein Gugelhupf fertig war, präsentierte er ihn noch warm und duftend stolz den gerade anwesenden Gästen.
Davor gehörte das Kaffeehaus ab 1910 einer jüdischen Kaffeesiederfamilie und jetzt betreiben es mit viel Fingerspitzengefühl die Paare Haas und Schiffner. Frau Knapp fehlt, aber sonst ist fast alles wie früher.

Der wunderschöne amerikanische Ofen wird im Winter eingeheizt und gleich daneben ist dann auch der beste Platz – schließlich kann man zwischen rotem, blauem und grünem Salon wählen. Die Kuchen sind immer noch köstlich und hausgemacht und der weithin gelobte Kaffee kommt aus der Privatrösterei Suchan Kaffee in Freistadt. Hunde und Kinder sind jetzt willkommen, gestresste Menschen kommen sowieso nicht.
Das Schild neben der Theke ist immer noch ernst gemeint.

Was also tun in einer Pause im Jelinek?
Das Angebot an nationalen und internationalen Zeitungen und Magazinen ist überwältigend, das reicht für mehr als einen Nachmittag. Frühstücken kann man nennenswert den ganzen Tag über ab Euro 5,00. Um 9.00 Uhr beim Aufsperren ist die Besetzung noch locker, aber gegen 11.00 Uhr ist es wochentags schon ziemlich voll mit glücklich mampfenden FrühstückerInnen.

Die teils skurrilen Bilder an der Wand inklusive der Autogrammfotos der mehr oder weniger berühmten Stammgäste sind auch ein angenehmer Zeitvertreib – Elfriede Jelinek hat mit dem Jelinek übrigens überhaupt nichts zu tun. Man gönnt sich dazwischen einen kleinen Imbiss: Würstl, ein Gulasch, nichts über Euro 10,00. Oder man betrachtet die Details der Inneneinrichtung: die geschichtsträchtigen Samtbezüge der Sitzgelegenheiten, die Tapeten und rauchkuchlartigen Wände, die keiner Modernisierung zum Opfer gefallenen Schrulligkeiten dort und da und die klassischen Marmortischen mit den gusseisernen Sockeln.
Es gibt nur mehr wenige klassische Kaffeehäuser wie dieses in Wien. Leider.
Für jeglichen Anfälle von Sentimentalität; für Menschen, die Wien atmen wollen; für den Ausstieg aus dem Alltag.
Allein hervorragend, zu zweit auch sehr schön, ab fünf Personen wird’s irgendwie sinnlos.

Cafe Jelinekdie Zeitungen und ZeitschriftenCafe JelinekDer zentrale Ofen war bei unserem Besuch eingeheizt.Cafe Jelinek

 

Cafe Jelinek
Otto – Bauer – Gasse 5, 1060 Wien
Tel.: 01/5974113
E-mail: cafe@cafejelinek.at
(keinerlei webaktivitäten)

Öffnungszeiten: täglich von 9.00 Uhr – 21.00 Uhr
kleiner Gastgarten im Innenhof; Schanigarten vor dem Cafe; großer Nichtraucherbereich; mit einer Schwingtür abgetrennter Raucherbereich, der früher einmal Frau Knapps Büro war; WLAN

 

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2 comments

  1. Michaela Juzek

    Ich weiß nicht wie man darauf kommt das diese Cafe von einer jüdischen Kaffeesieder Familie gegründet wurde. Der Bruder meines Urgroßvaters Harald Jelinek hat dieses Kaffeehaus gegründet. Sein Vater Franz Jelinek Uhrmacher ist mit seiner Frau Franziska von Triest nach Wien gezogen.
    Die Cousine meiner Oma Elfriede Jelinek hat bis zum Verkauf an die Familie Knapp das Familienunternehmen geleitet.