Ramen! Das Restaurant Karma Ramen hat in Wien eröffnet.

Wie ernst ist es wirklich?

Alle wollen Ramen! Ramen essen, über Ramen schreiben, einen Ramen-Laden aufmachen zu wollen scheint geradezu ein Virus zu sein.

Befällt es einen, kann man nicht anders. Für Virolog_innen rätselhaft muss die Tatsache sein, dass sich gerade nicht in Japan Geborene besonders schwer gegen dieses Virus wehren können.

Dabei ist Ramen ein Gericht, das seit dem 19. Jahrhundert durch Chinesische Einflüsse in Japan entwickelt wurde. Wikipedia weiß von 5000 Ramen-Lokalen in Tokyo, in ganz Japan von 200.000 Ramen-ya. In den letzten Jahren hat sich die Ramen Begeisterung pandemisch vor allem in der englischsprachigen Welt ausgebreitet.
Das Internet quillt über vor Ramen-Suppen. Es gibt Anleitungen zum Ramen-Essen oder gar zum selber Kochen und es gibt Instagram- und Pinterest-Nutzer_innen, die sich ausschließlich mit Ramen-Fotos zu befassen scheinen. Der Ramen-Kult hat sich erst durch das Internet zu dem entwickelt, was er heute ist.

 

Ramen, ein Virus ist in Wien angekommen ... Foto (c) Mischa Reska - kekinwien.at

Ramen, ein Virus ist in Wien angekommen … Foto (c) Mischa Reska – kekinwien.at


Von Russland in die Wiener Chinatown

Bislang war Österreich so gut wie immun, jetzt aber wurde das Ramen-Virus von drei Russen in die Wiener Chinatown eingeschleppt.
Aus Russland kommend in Wien ein durch und durch Japanisches Lokal zu eröffnen – das ‘Karma Ramen’ – zeugt von wahrer Liebe zur Materie. Am kühnsten aber war wohl der New Yorker Ivan Orkin, als er 2007 in Tokyo seine erste Ramen-Bar eröffnete, heute ist er ein Star der Szene. Man kann sich nur wünschen, dass sich die Obsession für das perfekte Kreieren von Ramen nun schnell verbreitet und Wien von der Sucht die beste Ramen zu essen befallen wird.

Eigentlich besteht schon seit 1985 hohe Infektionsgefahr durch den Film Tampopo. In Amerika konnten sich viele schon damals mit dem unablässigen Versuch die beste Nudelsuppe zuzubereiten identifizieren. In Australien ist das Angebot an Ramen-Shops laut Asia-Food-Experten Tobi Müller riesig. Trotzdem sind es wohl die Instant Ramen, die auf der Welt am weitesten verbreitet sind, aber in meinem Universum kommen sie nur als bunte Bildchen im Asia-Laden vor.

 

"das Ramenvirus", Foto (c) Mischa Reska- kekinwien.at

„das Ramenvirus“, Foto (c) Mischa Reska- kekinwien.at

 

Echte Ramen zu machen ist eine Passion, darum ist es nötig gleich ein Lokal zu eröffnen.

Ramen zu Hause zu kochen mag einmalig ein so spannendes Experiment sein wie einen Ochsen einzurexen, – im Alltag jedoch wenig effektiv, da es nicht sinnvoll ist die vielen verschieden Komponenten in kleinen Mengen herzustellen. Das tägliche Ramen-Essen betreiben nur einige vom Virus befallene Bowl-Hunter quasi als Sport und bringen es damit angeblich auf an die 700 Schalen pro Jahr.

Auch sonst ist Ramen mehr als einfach nur Nudelsuppe.

Für die Vorbereitungen braucht man mehrere Tage. Um die ideale Suppe zu kreieren basteln Ramen-Köche jahrelang an IHREM Rezept (Männer erwischt das Ramen-Fieber offensichtlich schwerer).
Wer Ramen mit Convinience-Produkten zubereitet, gibt die Virus-Infektion nur vor. Für Connaisseure müssen alle Zutaten von bester Qualität sein, deshalb wird auch das Schweine- oder Hühnerfett selbst ausgelassen. Ein richtiger japanischer Koch kennt keine Kompromisse, manch einer widmete sich traditionell ein Leben lang nur einer einzigen Art von Nudeln. Heutige Perfektionisten servieren nur eine einzige Ramen-Variation, in der sie – wie sie sagen – ihre ganze Persönlichkeit auszudrücken versuchen.

Ramen, Foto (c) Mischa Reska - kekinwien.at

Ramen, Foto (c) Mischa Reska – kekinwien.at

 

Wie bei manchen ‘großen’ Gerichten (etwa Pasta) heißt das ganze Gericht nach der Hauptzutat – Ramen. Ramen-Nudeln werden in Japan nach wie vor als Chinesische Nudeln angesehen. Ihre Dicke liegt zwischen Udon- und Soba-Nudeln und kann etwas variieren, sie können dabei gerade oder gelockt sein. Immer sind sie gelb, haben eine glatte Oberfläche und sind elastisch mit kräftigem Biss. Das alles wird durch das Kansui, eine spezielle alkalische Zutat, bewirkt.

Udon Nudeln sind wesentlich dicker, beinahe rund, in der Form erinnern sie am ehesten an italienische Bigoli.
Sie sind immer aus Weizenmehl und schneeweiß, zugleich weich und hart im Biss.
Soba sind Nudeln aus Buchweizen, graubraun und dünner als klassische Spagetti, ihre Konsistenz ist etwas trockener und bröseliger.

Diese drei in Japan bekanntesten Nudelarten zu vertauschen wäre so, als ob man bei uns Knödel aus Kartoffeln, Semmeln oder Germteig durcheinander bringen würde.
Udon- und Sobagerichte werden, anders als die ‘jungen’ Ramen in Japan, seit vielen Jahrhunderten zubereitet.
Die Rezepte dafür haben sich so perfekt entwickelt, dass es wenig Sinn macht sich weitere Abwandlungen auszudenken und in Japan würde allein schon der Versuch für völlig absurd erachtet werden. Man kann sich bei diesen Suppen nur dem möglichst perfekten Servieren, von z.B. Kitsune-Udon (mit frittiertem Tofu) oder Niku-Udon (mit Rindfleisch), widmen. Für Ramen werden heute innerhalb wie außerhalb Japans immer neue Versionen erfunden und von der internationalen Ramen-Gemeinde für mehr oder weniger gelungen befunden.

Foto (c) Mischa Reska - kekinwien.at

Foto (c) Mischa Reska – kekinwien.at

 

Meine subjektiven Erinnerungen an die Ramen-Bars 2001 in Japan bestehen aus äußerst belebten Mittags-Ausspeisungen, bei denen auf einem langen Tresen in schnellem Tempo die großen dampfenden Schüsseln gereicht wurden. Enge Räume so voll mit Dampf und Hitze, dass ich mich ob dieser Eindrücke kaum auf das Essen konzentrieren konnte. Was die Sinne aber am meisten in Anspruch nahm, war der extrem fremdartige Geruch, der mir beim Betreten entgegenschlug. Nachträglich weiß ich, dass es die Mischung aus Huhn, Schwein, getrocknetem Fisch und Algen war, aber ich hätte wer weiß was vermutet. Auch der Geschmack war so intensiv wie kaum etwas, das ich bis dahin kannte. Ein Eindruck, den ich erst verarbeiten musste, den ich aber unbedingt wieder haben wollte, in der selben Intensität.
Dabei zeichnet sich die Japanische Küche im allgemeinen gerade dadurch aus, dass der Geschmack nicht durch den Geruch vermittelt wird, vielmehr wird mit den Texturen und den fünf Geschmacksrichtungen gearbeitet. Traditionelle japanische Speisen sollen kaum einen Geruch haben. Wir nehmen meist den feinen Algenton wahr, weil der für uns so völlig ungewohnt ist. Ramen ist eigentlich ein Kontrapunkt zur klassischen Japanischen Küche und dabei neben Sushi ihr größter ‘Exportschlager’.

 

Foto (c) Mischa Reska - kekinwien.at

Foto (c) Mischa Reska – kekinwien.at

 

Der Ramen-Fond besteht meist aus Schweineknochen- oder Hühnerbasis. Dazu kommt Schweine- und/oder Hühnerfett. In jedem Fall auch Dashi, DIE japanische Suppenbasis. Sie besteht aus getrocknetem Fisch (wobei in Japan die dafür verwendete Fischart sehr entscheidend ist) und getrockneter Kombu-Alge.

Tobi Müller beschreibt die (nicht vegetarische) Suppe in Wiens erster Ramen-Bar, dem ‘Karma Ramen’, als ‘tief und schweinisch im Geschmack’. Meine chinesische Bekannte hätte das ‘schmutzig’ genannt, beides ist nicht negativ zu verstehen!
In einer guten Ramen verbinden sich verschiedene Umami Noten zu einem neuen dichten Eindruck. Einigen Ramen-Kennern ist das Ramen im ‘Karma Ramen’ nicht heftig genug, Neulinge sind wohl davon schon überfordert. Vielleicht lassen sich Varianten für beide Gruppen finden. Wir wollen doch in Wien genauso authentische Ramen wie in Japan!?

Foto (c) Mischa Reska - kekinwien.at

Foto (c) Mischa Reska – kekinwien.at

 

Bei der Herstellung der Ramen-Nudeln hat Tobi Müller sehr genau zugeschaut.
An die mehr graue als gelbe Farbe der Nudeln kann man sich gewöhnen, aber sonst ist mir das Ergebnis noch etwas zu glatt, vielleicht auch zu schwer. Die Nudeln bilden kein Netz, sondern trennen sich voneinander, dadurch kann keine optimale Verbindung von Flüssigkeit und Nudeln entstehen. Gut sind sie trotzdem.

Die Ramen-Tare ist die Würzsauce, nach der die Suppen kategorisiert werden.

Basiert sie auf Sojasauce ist es eine Shoyu-Ramen. Bei Miso-Ramen ist die Hauptzutat Bohnenpaste. Ist der Geschmacksträger Salz, nennt man sie Shio-Ramen. Im ‘Karma Ramen’ wird je eine dieser Kategorien angeboten.
Ein Ramen-Chef wird nie das ganze Geheimnis der von ihm persönlich entwickelten Tare verraten. Sie kann auch getrocknete Gewürze, Pilze, Knoblauch, Ingwer, Essig, Öle, Sake, Mirin oder ganz Anderes enthalten. Ivan Orkin macht ein italienisches Soffrito für seine Tare und in Tokyo wie NYC liebt man seine Ramen.

Foto (c) Mischa Reska - kekinwien.at

Foto (c) Mischa Reska – kekinwien.at

 

Außerhalb Japans sind oft die Toppings bei Ramen am wichtigsten.

Am beliebtesten ist Schweinebauch oder Schweinefleisch ganz allgemein. Im ‘Karma Ramen’ gibt es Chashu-Pork, klassisch süß marinierte und gekochte Schweinebauchscheiben. Die sollen etwa so viel Fettanteil haben wie Fleisch, hier ist es fetter, aber Textur und Geschmack sind so fein, dass es die Wiener Gäste gar nicht schreckt.
Die beiden anderen (nicht vegetarischen) Suppen werden mit Huhn serviert, dessen knusprige Haut Florian Holzer – denke ich – besonders gefallen hat. Severin Corti fand die gesamt Komposition der ‘Schalen’ noch nicht ausgegoren.
Ajitsuke ist eine weitere unverzichtbare Garnitur. Im ‘Karma Ramen’ wird dazu ein perfekt wachsweich gekochtes, halbiertes Ei ebenfalls mariniert. Der dritte Klassiker sind in Würzsud gekochte Bambussprossen, auf japanisch Menma.

Sehr gut passen auch immer wieder die auch im Wiener Ramen-ya angebotenen knackigen Sojasprossen und cremigen Maiskörner. Andere Möglichkeiten der Begleitung wären diverse Pilze und Blattgemüse wie etwa Spinat oder Kohl.
Die Variante, bei der Butter über die Ramen gegeben wird, kommt von der Insel Hokkaido, die bekannt für ihre guten Milchprodukte ist.
Gut wäre, wenn nicht nur die erwähnten Beilagen extra geordert werden könnten, sondern auch Shichimi Togarashi (Würzmischung aus Chili, Sesam etc.) um einen weiteren Geschmackshorizont zu eröffnen.
Einzig von der Knoblauchwürze war es uns keken Verkosterinnen schon zu viel.

Foto (c) Mischa Reska - kekinwien.at

Foto (c) Mischa Reska – kekinwien.at

Vom Schlürfen und Schweigen: Die Ramen Esskultur

Den wahren Ramen-Genuss erreicht man angeblich nur, wenn man die Nudeln mit der Suppe schlürft, aber diese hohe Schule ist schwer zu erreichen. Nudelsuppe muss, wie österreichische Rindsuppenexpert_innen wissen, heiß serviert werden, sonst schmeckt sie fad. Ramen-Nudeln, bei deren Kochdauer es auf die Sekunde ankommt, garen in der heißen Suppe weiter und deshalb muss auch schnell gegessen werden. Ramen ist kein geeignetes Take-Away Gericht, aber das ist Pizza auch nicht …

Einige Ramen-Chefs, die der Zubereitung der Speise mit sehr viel Ernst nachgehen, verlangen auch die nötige Aufmerksamkeit von ihren Kunden. In ihren Ramen-Lokalen darf außer bei der Bestellung nicht gesprochen werden, damit sich Köche und Gäste auf die Ramen konzentrieren können. Wie man liest, stehen vor diesen Lokalen, die nur wenige Sitzplatze bieten, meist lange Schlangen von Fans, die auch an die Reihe kommen möchten.

Die Ramen-Kultur bedeutet also kein geselliges Beisammensein, außer beim Warten, und ist vielleicht deshalb in Wien nicht so beliebt. So ist das ‘Karma Ramen’ auch viel zu sympathisch und gemütlich um es gleich wieder zu verlassen. Es wäre wichtiger, dass die Schalen brenn-heiß an den Tisch kommen, als dass sie schneller vor einem stehen. Ob das hiesige Publikum irgendwann authentisches Ramen-Essen praktizieren will – schlürfen und schweigen – bleibt offen.

Sicher ist, dass sich Wien vom Ramen-Kult im ‘Karma Ramen’ anstecken lassen wird und auch sonst gibt es dort noch einiges andere Gute zu essen und trinken.

Karma Ramen, Foto (c) Mischa Reska - kekinwien.at

Karma Ramen, Foto (c) Mischa Reska – kekinwien.at

 

 

Karma Ramen
Wiens erste Ramen-Bar

Rechte Wienzeile 2a  (Achtung! nicht beim Karlsplatz, sondern gleich neben der Chinabar), 1050 Wien
Tel.: +43 680 3216838
web: http://www.karmaramen.at
Öffnungszeiten: Di bis Sa 11:30 – 14:30 Uhr und 18:00 – 23:00 Uhr

Buchempfehlung (Basis für Foto 2  bis 9):
Ivan Ramen – Love, Obsession and Recipes from Tokyo’s Most Unlikely Noodle Joint
Autor: Ivan Orkin, Verlag: Ten Speed Press, Erstausgabe 29.10.2013, 224 Seiten, gebunden.
ISBN-10: 1607744465 und ISBN-13: 978-1607744467

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Dein Kommentar

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3 comments

  1. mir

    Achtung wir hatten hier falsche links – jetzt sollte alles stimmen.
    Wir bitten um Entschuldigung!!!

  2. mischa

    Revisited: Die jungen Russen sind Japan leider nicht näher gekommen.
    Die Ramen-Suppe kommt diesmal zwar rasch, aber immer noch nicht heiß an den Tisch. Die Nudeln gelingen immer besser und Shichimi Togarashi gibt es auch, aber was hilft es wenn die Toppings arg vernachlässigt werden.
    Das Schweinefleisch war dünn wie Wurstscheiben, hatte einen schimmernden Glanz, es war trocken und geschmacklos, also einfach nicht mehr als Chashu-Pork zu erkennen. Die Bambussprossen waren charakterlos weich und süß wie Dosenware. Hm – war das ein Tag mit schlechtem Karma? Der Nudelladen ist ausgebucht, augenscheinlich man hat man Spaß hier. Mir gefallen die Fotos von Suppen aus Japan auf ihrer Facebook-Seite besser. Wertes Karma Ramen bitte als Vorbild nehmen! Dann darf ich doch wiederkommen?

    • club

      Das bleibt zu hoffen, dass du wiederkommen kannst. Mit wunderbarem Karma …