kek unterwegs im Berlin: Markt!
Berlin finde ich echt gemütlich.
Man schlendert über den Markt, oft in einer schönen breiten Allee oder um eine ruhig gelegene Backsteinkirche.

Es wird ganz ohne Hektik miteinander geplaudert und man lässt sich ausführlich von den StandlerInnen beraten. Zu Gedränge kommt es fast nur am Maybachufer bei BiOrientalmarkt, auch einfach ’Türkenmarkt’ genannt, der besonders bei jungen Leuten und TouristInnen sehr beliebt ist.
Aber da gibt’s noch so manches mehr, das schön ist und schmeckt!

Manchmal wir es auch auf den großen Samstagsmärkten eng, wo man an vielen Ständen kleinere oder größere Speisen bekommt und wo auch hochwertiges Kunsthandwerk angeboten wird (z.B.: Winterfeltbergplatz).

Von den ganz unterschiedlichen Bezirken hat jeder seine speziell geprägten Märkte, die meist einmal unter der Woche und einmal am Wochenende stattfinden und nicht immer Mittag schon zusperren, sondern dann oft erst beginnen. Manche haben nur wenige, dafür oft ausgesuchte Stände, zu anderen, auch am Rand der Stadt gelegenen, kommen bis zu 200 Marktfahrer, das aber vor allem im Sommer.
(Über das auch in Wien brisante Thema ‚Markthalle‘ mehr hier im Dezember.)

Auf Berliner Märkten wird Obst und Gemüse häufig von Direktvermarktern und in Bioqualität angeboten, so vielfältig, dass man auch aus Wien kommend immer wieder etwas Neues entdecken kann z.B. bei den Pilzen: bunte Seitlinge, Maronen oder die Krause Glucke.

Bio-Fleisch findet man eigentlich schneller in einem der vielen Biosupermärkte, die in jedem Kiez, der nur irgendwie das Potential hat, ganz zentral eine Filiale aufsperren. An Fleisch- und Wurstständen mangelt es sonst natürlich nicht, dagegen ist die Vegan-Welle dann doch wieder recht klein.
Wildfleisch gibt es so häufig, der Wald ist nahe, und es leben ja auch schon nicht wenige Wildschweine in der Stadt.
Beim allgemein umfangreichen Geflügel-Angebot hab ich gute Bioqualität gefunden (z.B.: Markthalle 9). Von den vielen Puteneiern habe ich dann doch keines probiert, weil sie maximal in Freilandqualität zu haben waren.

In Berlin werden nur zehn Prozent Handwerksbrote verkauft, 90 Prozent ist Industrieware – erfährt man vom Obermeister der Berliner Bäckerinnung.

Welche Bäcker auf den Märkten mit richtig gutem Brot auffallen:
‚Weichardt’, die ‚Ur-Demeter-Vollkornbäckerei‘, vertreten auf den Märkten mit den klingenden Namen: Dahlem-Domäne, Schlachtensee-Matterhornmarkt, Kollwitzplatz (Do), Winterfeldtplatz (Sa). Die ‚ufa‘ bäckt am Gelände des früheren Kopierwerks des Filmunternehmens in Tempelhof, das heute ein selbstverwaltetes soziokulturelles Zentrum ist und auf fast allen bekannteren Märkten verkauft.

Und dann steht da auf dem Markt mit dem wahrscheinlich besten Lebensmittelangebot, am Karl-August-Platz, ein Stand mit ‚Wiener Brot‘.
Bevor ich mich fragen kann, was das soll, ist klar: Sarah Wiener hat ihr kleines Gastroimperium erweitert und mit im Boot ist Helmut Gragger. Gebacken wird auch in Berlin mit Natursauerteig im Holzofen. Der ‚Wiener Brot‘ Laib ist gewürzt mit Anis, Fenchel und Kümmel, was in Berlin unüblich ist. Das ‚Sonntagsbrot‘ erinnert an das ‚P-Brot‘ und ist genauso gut.
Und nicht zuletzt ‚Sironi’, – in der Markthalle 9 bäckt ein italienischer Historiker in einer Schaubäckerei kompromisslos echtes italienisches Brot.

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Bei den Fischständen scheinen die Zanderfilets (meist Zuchtfische) am gefragtesten. Vereinzelt habe ich Hechte, Aale, sogar Aalquappen und einen beindruckenden Steinbeisser gesehen, die in und um die Havel gefangen werden. Leider keine Plötzen – was war zuerst, der Fisch oder der See?

Es muss an der Nachfrage liegen, dass nicht mehr aus dem an Seen und Flüssen so reichen Umland angeboten wird. Wenn man in alte Berliner Kochbücher schaut, scheint das früher anders gewesen zu sein.
Berlins Luftlinie zum Meer (Rostock) ist ungefähr so weit wie die von Paris nach Le Havre (ca. 170km), das  Angebot an Meeresfischen entspricht in Berlin eher dem reichlich flauen von Wien (bis Grado sind es 340km). Ich habe Matjes, Sprotten, Nordseekrabben gefunden und wiederholt köstliche Lachsbrötchen gegessen, bei ‚Glut und Späne‘ in der Markthalle 9 (nachhaltig gefischt!).

Trotz der verschiedenen Foodmärkte, die an den Wochenende in Berlin veranstaltet werden und die regelrecht von begeistertem Publikum überrannt werden, hat Paris (leider nicht Wien), die europäische Hauptstadt der ‚Fresskultur‘, doch eine ungemein fundiertere Basis, die sich Berlin erst einmal erarbeiten muss.

Ein paar Berliner sind dran: gerade wurde etwa im Rahmen der Cheese Berlin die Brandenburger Milch- und Käsestraße ins Leben gerufen, um Hofkäse aus der Region künftig besser zu vermarkten. Bei Stadt Land Food 2014 konnte man neben Vorträgen und Diskussionen lernen wie Käse, Wurst, Bier oder Honig hergestellt werden.

Wem die Zukunft des Lebensstils nicht egal ist, der muss sich auch darum kümmern, dass Lebensmittel von guter Qualität im Umland produziert werden können.
Was vom Essen verstehen, heißt – neben selber machen und selber kochen – viel probieren, vergleichen, immer auch nachfragen wie, warum, woher und nie mehr gedankenlos einkaufen.
Alles weitreichender als bis zum Tellerrand, es beginnt damit, welche Milch man man sich in der Früh in den Kaffee gießt.
Und der Kaffee! Sich um dessen Qualität zu bemühen, gehört zum Berliner Chic, der oft was ‚Amerikanisches‘ an sich hat, was auch an den vielen jungen US-Bürgern in Berlin liegen wird.

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Liebe BerlinInnen, ich muss Euch ein bisserl eure Illusionen rauben: vor allem in den großen Wiener Kaffeehäusern ist vom Kaffeegenuß seit Jahren abzuraten, und gute Torten wie echte Mehlspeisen (zwei komplett verschiedene Dinge!) wachsen in Wien nicht an jeder Ecke.
Auch in Berlin kann man sich heute an vielem Historischen erfreuen, ich denke nur rund um den Wittenbergmarkt an die gleichnamige U-Bahnstation und die dortige Feinschmeckeretage im KaDeWe, das finde ich persönlich besser als Sisi.

Die Wiener Beiseln am Leben zu erhalten kostet Mühe, ganz im Gegenteil zu den vielen erfrischend chaotischen Berliner Lokalen, die nur so aus dem Boden sprießen. Neue Lokale in Wien beurteilen wir mit ‚wie in Berlin‘, wenn die Atmosphäre passt, Wien ist da seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr stilprägend. Die charmanteren ‚locations’ gibt es in Berlin, das bessere Essen in Wien – oder widerspricht mir jemand?

Und die Märkte?
Die sind hier wie dort wert darin einzutauchen, und werden hoffentlich im gegenseitig von einander lernen immer besser.

Die im Text erwähnten Berliner Märkte:

Kreuzberg: BiOriental – Maybachufer, Di+Fr 11h-17h

Kreuzberg: Markthalle 9 – Eisenbahnstr. 42/43,  Di+Fr 12h-20h + Sa 10h-18h (vereinzelt öfter)

Schöneberg: Winterfeltplatz, Mi + Sa 8h-14h (16h)

Prenzlauerberg: Kollwitzplatz, Do 12h-19h + Sa 9h-16h

Friedrichshain: Boxhagenerplatz, Sa 9h-15:30h

Wilmersdorf: Karl-August-Platz, Mi+Sa 8h-13h (14h)

Wilmersdorf : Wittenbergplatz,  Di+Fr 8h-14h (16h)

P.S.:
Unter #marktfrisch gibt es auf twitter aktuelle Informationen, welche Lebensmittel gerade Saison haben, an welchen Ständen Spezielles zu haben ist (Schwerpunkt Wien), Preisvergleiche, Rezeptanregungen und Links. Damit niemand orientierungslos am Markt steht!

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