China Bar an der Wien, Foto (c) China Bar

So richtig Spaß macht doch alles erst, wenn man gut darin ist.
Auch in der Schule wird es lustiger, wenn man Fortschritte macht und sich etwas angestrengt hat.
Die Kunst gut zu essen lernt man relativ leicht, praktisch nebenbei, indem man darauf achtet, was man isst. Dazu gehört noch ein wenig Experimentierfreude, und schon ist man ein Gourmet – zumindest in der Theorie.

Wenn aber immer nur ein schlechter Anfängerkurs angeboten wird, tut sich auch der Vorzugsschüler schwer dem Native Speaker bzw. Native Eater gleich zu kommen. Zum Kennenlernen der authentischen Chinesischen Küche kann die Lokalszene Wiens nicht allzuviel beitragen. Es mag vielen nicht aufgefallen sein, da sich alles am qualitativ untersten Ende der Kulinarik abspielte: Aber die meisten ‘Chinesen ums Eck’ wurden durch Asia-Fastfood-Läden mit einem unspezifischen Angebot von Curry bis Sushi ersetzt.

Die chinesischen Wirtschaftsflüchtlinge, die in den 1970er und 1980er Jahre nach Wien kamen, stammten fast alle aus einer einzigen kantonesischen Provinz. Viele von ihnen haben mangels Alternativen hier ein Restaurant eröffnet. Neugierige Esser_innen lernten dadurch vor allem die Kanton Küche Südchinas kennen – und leider oft wenig schätzen. In den letzten Jahren florierte Chinas Wirtschaft und wer reich werden will, eröffnet heute dort ein Lokal. (Zu sehen im Film China Reverse.)

China Bar an der Wien, Foto (c) Mischa Reska - kekinwien.at
In Wien sollten also die Idealist_innen bleiben, denen es darum geht, beste chinesische Küche zu präsentieren. Doch scheint das auch den mit noch so beeindruckenden kaiserlichen Auszeichnungen Versehenen oft kein großes Anliegen zu sein.
Umso größer die Freude bei Anhänger_innen der nach der französischen weltweit anerkannt ‘größten’ aller Küchen, wenn eine weitere Chinabar aufsperrt.

Aber warum eigentlich Bar?
Beisl wäre für das Nachfolgelokal des Horvath in der Hamburgerstraße 2 angebrachter. Passend auch für Simon Xie Hongs bisherige Lokale, das ON in der nahen Wehrgasse und die Chinabar in der Burggasse. Das Konzept seines On Market entspricht weit mehr den allgemeinen Erwartungen an eine Bar. Doch, denke ich, ist es gerade der Beislcharakter, den Xie Hong selbst schätzt und ganz offensichtlich auch das bunt gemischte, fröhlich plaudernde Publikum, das eine recht heftige Geräuschkulisse zustande bringt.

Das gelungene Design ist, wie bei manchen neuen, anspruchsvollen, asiatischen Lokale, ‘aus dem Dunkel heraus’ gestaltet. Eine passende und angenehme Abwechslung zum derzeit trendigen, skandinavisch-lichtgrau gebeizten Holz.
In Verlängerung der Rechten Wienzeile, Wiens inofiziellem ‘Chinatown’ gelegen, ist diese China Bar ein gemütlicher Raum um sich zu treffen und gemeinsam zu genießen –  das fanden offensichtlich sofort viele Wienerinnen und Wiener.

China Bar an der Wien, Foto (c) Mischa Reska - kekinwien.at
Der im südchinesischen Hangzhou geborene studierte Arzt, der sich, seit er vor etwa einem Vierteljahrhundert nach Österreich kam, auch Simon nennt, kann nicht in allen seinen nunmehr vier Lokalen selber kochen. Er hat aber die verschiedenen Küchenchefs auf einen erkennbaren Xie Hong Stil eingeschworen. In der Chinabar an der Wien wird vorwiegend sichuanesisch gekocht – das südwestliche Chun-Kulinarium ist eine der acht großen chinesischen Kochschulen. (Manche wissen auch von 13, andere nur von vier).

Fusion, für die Xie Hong bekannt ist, gibt es im neuesten Ableger vor allem bei den Tagesgerichten, jetzt im Herbst z.B. mit Steinpilzen oder Wild. Zumindest in der berühmten sichuanesischen Straßenküche dürfte wesentlich mehr Öl (traditionell aus Rapsamen) verwendet werden, als es Xie Hong uns zumutet. Sojasauce wird in der chinesischen Küche allgemein viel dezenter verwendet als wir Langnasen oft annehmen, (schwarzer) Essig in Sichuan weniger als in Nordchina.

Unersetzbar in der Sichuanküche sind die verschiedenen Arten von sehr, sehr viel getrocknetem Chilli. Wer scharf nicht mag, ist beim neuen ‘Chinesen’ so falsch wie Veganer in einem Steaklokal. Aber keine Angst, für das durchschnittliche hiesige Schärfeempfinden ist es ‘gerade gut scharf’.
Zu seinem Essen schätzt der Chef gute Bioweine, die hausgemachten Limonaden sollte man auch nicht auslassen.

China Bar an der Wien, Foto (c) kekinwien.at
Bei den kalten Vorspeisen ist besonders ‘Sauer-scharfer Seetang mit Koriander’ verlockend, weil in Wien selten zu bekommen, aber dann leider eine Enttäuschung. Dabei liest man von Simon Xie Hong, er möchte den Geschmack etwas differenzierter interpretieren als es manchmal in Sichuan der Fall ist und nichts in Knoblauch und Chilli begraben.
Die zarte ‘Hühnerleber aus Salz Gewürze Sud’ kann sich nicht nur positiv absetzen, ihr fehlt genau das, was die Chinesische Küche auszeichnet – nämlich jedem Geschmack und jeder Textur zugleich etwas entgegen zu setzen. In Florian Holzers Kochbuch ‘Vienna ChinatownDie neue China-Küche von Simon Xie Hong‘ gäbe es da zum Beispiel ein interessantes Fusion-Rezept, das (Kalbs-) Leber mit Datteln kombiniert.

Vielleicht haben wir beim ersten Besuch auf der etwas umfangreichen Karte genau die falsche Wahl bei den Vorspeisen getroffen.
Mit den warmen Gerichten kommen wir in den unkomplizierten Genussbereich, den man der sichunesischen Küche nachsagt, und zwar mit den Auberginengerichten.
‘Vegan-Melanzani Wok-Gemüse’ klingt erst einmal genauso wenig verlockend wie die entsprechende englische Bezeichnung ‘fisch-fragrant’ für diesen Sichuan Klassiker (hier ohne Schweins- oder Hühnerfond), schmeckt aber vollmundig.
Sehr poetisch dafür ‘Geschwängerte Melanzani mit gehackten Shrimps’, süß und gut.

China Bar an der Wien, Foto (c) Mischa Reska - kekinwien.at

Manche Bezeichnung auf der Speisekarte können einen leicht verwirren: ‘Chong Qing Maishähnchen’ oder ‘Gong Bao Maishähnchen’ lässt alle Nicht-Eingeweihten im Unklaren. Der Laie erwartet vielleicht Mais auf dem Teller, doch wurde das Tier (eher kein kleiner Hahn?) damit gefüttert.
Chong Qing ist neben der sichuanesischen Hauptstadt Chengdu eine gewaltige, benachtbarte Wirtschaftsregion, und eine weitere Millionenstadt. Es heißt, man liebt die Speisen dort noch schärfer.
‘Gong Bao’ war ein sichuanesischer Herrscher. Das nach dem ‘großen Esser’ benannte Hühnergericht findet sich in fast jedem chinesischen Kochbuch und ich wählte damit eine meiner Lieblingsspeisen. Gerade bei diesem Gericht schmeckt man, dass es umso besser ist, je exakter die Zutaten geschnitten sind. Hühnerfleisch, Lauchzwiebeln und allfällige, aber nicht nötige, andere Zutaten, passend zu den Erd- oder Cashewnüssen. Extrem perfektionierte Schnitttechnik ist eine Basis der chinesischen Küche. Die Paprikaschoten auf meinem Gong Bao Teller haben sich nicht daran gehalten.

Gerade als ich ein köstliches Szechuanpfefferkorn zerbeiße, kommt Jimmy Hendrix aus dem Lautsprecher und ich sinniere darüber, wie das kräftige Prickeln des mehr mit der Zitrone als dem klassischen Pfeffer verwandten Gewürzes damit harmoniert, da erklingt schon ein zartes chinesisches Popliedchen – that’s fusion.

‘Mapo-Tofu’ ist das wohl bekannteste aller Tofugerichte und zugleich das berühmteste Gericht der Sichuanküche überhaupt. Es könnte statt mit ‘Wollschwein’ auch mit gehacktem Rind zubereitet werden. Von ‘wolligen’ Schweinen wird erwartet, dass sie besonders gut gehalten werden, und das zeugt von erfreulich sorgsamer Zutatenauswahl.
Die Chinabar Mapo-Tofu Interpretation schmeckt frisch, duftig, zitronig, nur leicht ölig, der Tofu ist von erstklassiger Konsistenz, dezent dazu der Umami-Geschmack der fermentierten Bohnen.

die Rechnung aus der China Bar an der Wien, Foto (c) Mischa Reska - kekinwien.at
Die Nachspeisen lasse ich lieber aus.
Süßspeisen liegen nicht in der Tradition der chinesischen Küche, vielleicht weil ohnehin viele Speisen mit reichlich Zucker zubereitet werden.
Auch waren die Wiener Profikritiker diverser Medien weniger erbaut darüber, als sonst beeindruckt vom neuesten Streich Simon Xie Hongs – hoffentlich nicht der letzte!

Für alle, die sich von ihm in die reiche, chinesische Geschmackswelt einschulen lassen wollen: Möge die Übung gelingen!
Die versierten Kenner mögen sie so und so.

China Bar an der Wien, Foto (c) Mischa Reska - kekinwien.at

 

Chinabar an der Wien

Hamburgerstraße 2, 1050 Wien
Telefon: +43 1 971 32 88
E-mai: office@chinabaranderwien.at
Homepage: www.chinabaranderwien.at (kommt erst!)
web: www.facebook.com/chinabaranderwien

Öffnungszeiten: Mo bis Fr und So 11:30 – 24:00 Uhr und Sa 8:00 – 24:00 Uhr
Am Samstag gibt es asiatische Frühstückssuppen!  Das ist besonders zur Gastgartenzeit unweit vom Naschmarkt eine spannende Option. Leider ist der Gastgarten im Herbst mittags zu schattig.

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Dein Kommentar

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2 comments

  1. mischa

    China an der Wien lockt mich. Die Tageskarte ist immer erfreulich saisonal, wie ich im vorbeigehen verfolge. Die Standardkarte hat sich etwas verändert, ich mag das wenn die Küche an sich und mit dem Geschmack der Gäste arbeitet!
    Das Enten-Wrap von der Abendkarte sollte wohl an den ersten Gang der Pekingente erinnern, diesen Klassiker hab ich aber sogar in Wien schon um so viel präziser zubereitet gegessen, dass mich diese Variante leider nicht besonders erfreut hat.
    Sehr gut waren die marinierten Glasnudeln, für eine handvoll nur mit frischem Koriander und ein paar Erdnüssen 6,10 Euro zu berechnen finde ich stolz, denn den Warenwert schätze ich auf etwa 61 Cent.
    Die Sezuanesische Hühnerleber und das Drei-Schicht-Fleisch (Schweinebauch) kamen mit dem selben bunten Sommergemüseallerlei und auch die Saucen war kaum zu unterscheiden. Für meinen Geschmack sollte man mehr gegen die Vorstellungen des Durchschnittsgastes was Chinesische Küche ist arbeiten, statt es sich so leicht zu machen. Ich gebe hier nicht auf, irgendwann schaffe ich es und habe nur mich zufrieden machende Gerichte am Tisch.

    • club

      Ja, man darf nie aufgeben bei der Jagd nach gutem Essen!