Das neue Kochbuch Vienna Chinatown – mehr als acht Köstlichkeiten.
Manche fürchten sich vor ihr und überall ist sie ein Touristenmagnet:
Chinatown! Auch in Wien ist sie längst existent und viele wünschen sich, die Stadt würde offiziell zu ihr stehen.
Simon Xie Hong und Florian Holzer führen uns in ihrem Kochbuch durch diese fremde Welt um’s Eck (rechts und links vom Naschmarkt), entführen uns zu weiteren exotischen Wiener Ausflügen und wollen uns vor allem dazu verführen selbst die Kochstäbchen, den Wok und das Beilmesser zu schwingen.
Acht Gründe, warum man mit ‘Vienna Chinatown’ den besten Kochbuch-Begleiter für diese Abenteuer gefunden hat:
1. – weil es kein Gesamtkunstwerk mit endgültigen Rezepten ist, bei deren Nichtbefolgen einem der Meister virtuell auf die Finger klopft, sondern ein wohl abgeschmeckter Ideengeber für Einsteiger, Kenner und Könner. Von einfachen, aber äußerst geschmackvollen Tofugerichten (weit abseits der Degradierung zum Gulasch-Fleischersatz) bis zur Kalbfuß-Sulz mit Safran oder mit Tee geräucherter Entenbrust.
2. – weil Simon Xie Hong sich und uns nicht mit Mengenangaben aufhält. Was vielleicht mancher/em etwas Mut abverlangt, aber durchaus sinnvoll ist. Man merkt es, wenn man klassische chinesische Gerichte in diversen Kochbüchern vergleicht, die Zutatenliste ist meist ident, die Mengen variieren völlig. Chinesische Klassiker von Xie Hong ein bisserl variiert: rot geschmorte Schweinsbackerl oder Mapo-Tofu vegetarisch.
3. – weil es kein Kochbuch ist, bei dem man sich dann im ‘dazugehörigen’ Restaurant frustrieren lassen muss. In Xie Hongs ‘On’ und der ‘Chinabar’ kommt alles ganz im beschriebenen Stil auf den Tisch. Der ist unverwechselbar geradlinig, konsequent bei den Ingredienzien, mit geringem Aufwand bei den Zubereitungsarten, ohne Behübschung. Vor allem frei von jeder dogmatischer Schulmeinung, denn wenn etwas aus einer anderen Kochtradition am besten passt, dann kommt eben Pastis zur Lotuswurzel.
4. – weil man nicht fremdln muß, da Simon Xie Hong nicht das Exotische herauskehrt, sondern zeigt, was sich sowohl in der Chinesischen, als auch der Europäischen, Österreichischen und Wiener Küche bewährt hat. Das ist der Gegensatz zur Fusion, wo immer neue, noch irrwitzigere Kombinationen versucht werden. Der gebürtige Chinese folgt dem Weg der Nord-europäischen und -amerikanischen Tradition, die Zutaten, die einander geschmacklich nahe sind, miteinander verbindet. Und er findet chinesisches Kalbsbeuschl oder Ochsenschlepp in Rotwein und Vanille mit Taro.
5. – weil man Unerwartetes entdecken kann. Etwa wie die Uiguren kochen, die einmal ein Großreich wie China waren und heute als ‘Minderheit’ unter anderem im Westen Chinas (zwischen Indien und Russland) leben. Und auch die Han-Chinesen, die genauso wie wir fremdem Essen gegenüber skeptisch sind, schätzen mehr und mehr das ihnen bisher unbekannte Lammfleisch mit Kreuzkümmel.
6. – weil man sich mit einigen Rezepten auch ganz wie ein echter Chinese fühlen kann, z.B. beim Fischköpfe abnagen und aussaugen. In China kombiniert man gerne Fischiges mit Fleischigem, in unzähligen Gerichten wird Schweinefleisch quasi als Gewürz für Fisch verwendet, etwa beim Karpfenkopf mit gehacktem Schweinefleisch und Tofu.
7. – weil man lernt, dass für Chinesen alles Rohe barbarisch ist (selbst Gemüse) und wie es hier trotzdem souverän integriert wird. Man lernt, dass anders als wir es aus den uns bekannten Eck-Chinesen kennen, in China das Fleisch am Knochen und der ganze Fisch höher geschätzt werden als andere Zubereitungsarten. Dass die Konsistenz der Speisen für die Chinesen ebenso wichtig ist wie der Geschmack. Nicht zu kurz kommen dabei die verschiedenen Arten an Wabbrigem, Schwabbeligem, Galertigem, vom Reisteig bis zu Hühnerfüßen, ich sage nur: frittierte Phönixkrallen mit fermentierten schwarzen Bohnen.
8. – weil man Rezepte findet um aus einem Huhn drei verschiedene Gerichte zu kochen (fortgeschrittene Köche kommen mit Innereien, Füßen, Haut etc. auch auf acht). So macht es Spaß für sich im Singlehaushalt ein ganzes Huhn zu verarbeiten oder Gästen ein Hühnermenü zu zaubern. Viele ÖsterreicherInnen scheuen ja mittlerweile die Berührung der Zähne mit den Hendlknochen, deshalb werden hauptsächlich Brüste verkauft und der Rest nach Afrika geschickt. Hühner aus Massentierhaltung erkennt man tatsächlich am grauslich schmeckenden Fleisch rund um die Knochen, deshalb lohnt es sich wie Xie Hong immer nach bester Qualität zu suchen.
In Chinatown findet man das berühmte schwarze Huhn (sehr gesund für die Nieren), der ehemalige Chirurg Hong kochte es für uns in der Suppe.
Wer (1.) so gerne wie die Chinesen isst, wem Simon Xie Hong schon in Mistelbach oder im Fernsehen als Silent Cook gefallen hat, der sollte sein Talent anhand dieses neuen Kochbuches erproben.
‘Vienna Chinatown’ hebt sich erfreulich ab von den opulenten Bildbänden mit den vielfach immer gleichen Rezepten und ist auch noch professioneller als die meist wenig durchdachten kleinen Bändchen mit wirrer Vielfalt persönlicher Aufzeichnungen chinesischer Gerichte.
Den Fortschreitenden lockt die englischsprachige Kochbuchliteratur, dann der Kochkurs in China – und wer wird endlich (8.) die zweite Langnase, die es vor Ort wirklich erlernt?
Mit Simon Xie Hong und Florian Holzer kann man den österreichischen Weg gehen um die größte aller Kochkünste kennen zu lernen. Nach unterschiedlichen Theorien gibt es acht oder dreizehn verschiedene chinesische Küchentraditionen (von den über 50 Minderheiten ganz abgesehen).
Acht bedeutet im chinesischen Verständnis auch einfach viel.
Vienna Chinatown
Die neue China-Küche von Simon Xie Hong
Florian Holzer und Simon Xie Hong, mit Fotos von Philipp Horak
1. Auflage März 2012, 205 Seiten, Pichler Verlag
ISBN-13: 978-3854315889
Hardcover ab rund Euro 25,00 gesehen im Buchhandel