Letzte Meldung, März 2013:
Joachim Gradwohl beendet sein kurzes Gastspiel und verlässt das Fabios nach sechs Monaten. Man hört, er träumt von einem kleinen, feinen Landgasthaus mit ein paar Zimmern: eine wunderbare Vorstellung.
Kek wünscht gutes Gelingen!
Hast du Joachim Gradwohl schon einmal ohne Kochjacke gesehen?
Eben. Wenn er sie nicht trüge, würde das Gehirn sie wohl ergänzen.
Das Gesicht ist spitzbübisch, die großen Hände sprechen immer mit, wenn er uns im neuen Fabios über die neuen Küchenlinie „a casa“ berichtet.
Fabio Giacobello und Joachim Gradwohl, eigentlich hätten die beiden schon viel früher zusammenkommen müssen. Der eine bietet als genialer Patron die Infrastruktur, in diesem Fall wohl auch die beste Servicemannschaft der Stadt und das passende Ambiente mitsamt Klientel für den mit fünf Sternen und drei Hauben ausgezeichneten Koch.
„Nur schön kochen, ist heute zu wenig.“, sagt Gradwohl und fügt hinzu, dass es eben auch den richtigen Platz braucht für persönlichen Erfolg und Verwirklichung. Den scheint er jetzt nach längerer und wohl auch mühsamer Suche gefunden zu haben.
Italien regiert weiterhin in der Küche des Fabios, darf aber mit Regionalem und Saisonalen zu einfacher Raffinesse auf höchstem Niveau verschmelzen.
„A casa“ nennt sich das neue Konzept, das Giacobello und Gradwohl auf vielen Reisen nach Barcelona, Paris und London ausgearbeitet haben. Food Sharing heißt das modische Zauberwort dazu: viele kleinere Speisen erlauben gemeinsamen Genuss, Probieren und Erleben auf höchstem Niveau zu gerechtfertigten Preisen.
Authentisch und klar, ehrlich und ohne unnötiges Schnickschnack waren die Gerichte, die pia und ich verkosten durften. Wir kamen jedenfalls ins Grübeln, ob wir die Köstlichkeiten tatsächlich mit jemand hätten teilen wollen…
(Die kulinarischen Details finden sich gegen Ende dieses Artikels!)
Neben den Detox Juices, die man vielleicht braucht, wenn man sich ermattet vom Einkauf im Goldenen Quartier in die Couchlandschaften des Fabios fallen lässt, ist auch das Frühstück neu.
„Wir habe die richtige Henne noch nicht gefunden!“, lacht Gradwohl auf die wichtige Frage der Frühstückerinnen nach der Herkunft des Eis zum Frühstück. Und was es überhaupt zum Frühstück geben wird? „Einfach, was gut ist!“, sagt er. Wir glauben es ihm gern.
Dass die Zutaten von bester Qualität sind, versteht sich sowohl für den Koch als auch das Restaurant von selbst: das Brot kommt vom Josef, der Käse vom Pöhl, für den Fleischlieferanten allein wurden vier Betriebe getestet: Steiner machte zum Beispiel das Rennen beim Lammfleisch.
„Es ist wie zu Hause, der größte Zeitaufwand beim Kochen ist das Einkaufen.“, erklärt Gradwohl.
„Was kann man einem jungen, aufstrebenden Koch empfehlen?“, will ein Bloggerkollege vom Mundschenk wissen. Er erntet einen freundlichen Lacher, denn Gradwohl, Jahrgang 1969, nimmt sich selbst zu Recht auch als jung wahr. „Man muss auf jeden Fall ins Ausland! Ideal ist es in den besten Häusern überall auf der Welt zu arbeiten. Man soll sich die Betriebe anschauen und sich fragen, warum macht wer was wie.“
Gradwohl selbst hat es so gemacht und dirigiert heute zwei Souschefs, einen Pâtissier und zehn weitere Künstler in der vergrößerten Küche des Fabios. Hat man ihm eine Weile zugehört, kann man sich vorstellen, das er seine Möglichkeiten zur kreativen Verwirklichung an die Mannschaft weitergibt.
Bei einer kleinen Degustation durften wir einige Gerichte vorab verkosten:
im Hintergrund Popcorn in Rosmarin-Tempura, das sehr wohlig und mollig unsere Geschmacksknospen öffnete.
Davor zu sehen ein Amuse Gueule in Form eines Pfefferthunfisch auf asiatischem Sojasprossensalat – für mich waren die Aromen des Salats ein wenig zu intensiv im Vergleich zum Thunfisch, aber mit der Meinung war ich vermutlich allein unter den Testern.
Es folgte ein grandioses Risotto mit Octopus, Vongole und knusprigen Artischocken: weich fügten sich Geschmäcker und Konsistenzen im Mund zu einem gelungenen Ganzen, schlicht bervorragend – da waren sich alle einig.
Auch der Steinbutt mit schwarzen Nüssen auf Topinambur mit Pak Choi überzeugte restlos.
Und der Lavendelpfirsich mit Vanilleeis führte zu andächtiger Stille bei Tisch.
Wir bitten Joachim Gradwohl zum keken Kunst-Essen-Kino-Wordrap:
Gibt es Zeit für Kunst? „Ja schon, ein lieber Freund aus Pinkafeld, Kurt Koch, ist Künstler. Ich folge manchmal Tipps von Gästen, gehe in der Albertina oder ins Belvedere. Und natürlich auf Reisen in die lokalen Museen.“
Wo er selbst am liebsten isst, wollen wir natürlich auch wissen. „Zu Hause mit der Freundin!“, kommt es ansatzlos. Leider vergessen wir zu fragen, wer kocht. „Auswärts im Yohm, Pan e Vin, Amarantis, Procacci und auch im Steirereck.“
Aber für’s Kino bleibt sicher keine Zeit, oder? „Sicher“, lacht Gradwohl, „mein letzter Film war Wie Zwischen Himmer und Erde.“
Wo der kulinarsiche Himmel in Wien derzeit sein kann, wissen pia und ich nun auch.
Publikationen von und mit Joachim Gradwohl:
„Essen Sie sich jung“, Pichler Verlag 2003, ISBN 978-3854313021
„Geschmack verbindet: Zeitgemäße österreichische Küche mit Sojasauce“, mit Josef Haslinger und Christian Petz, D + R Verlagsgesellschaft 2009, ISBN 978-3902469229
„Das große Julius Meinl Kochbuch: Ausgabe Österreich“, Brandstätter Verlag 2009, ISBN 978-3850332699.
FABIOS
Restaurant, Bar, Caffè
Tuchlauben 4-6, 1010 Wien
Telefon: 01/ 532 22 22
E-mail: fabios@fabios.at
website: http://www.fabios.at
Öffnungszeiten: Mo bis Sa 8.30-1.00 Uhr, nur sonntags geschlossen.
pepe
Danke für den ausführlichen Bericht (und den Link ;-)!
Einen wichtigen Aspekt meiner Frage habt Ihr aber unterschlagen *g*: Wie man die (auch finanzielle) Durststrecke zwischen gerade ausgelernter Jungkoch und Chef de Cuisine „mit allen Freiheiten“ überwindet, ohne dabei die Motivation zu verlieren. Leider war in der Runde zu wenig Zeit, da noch einmal nachzuhaken. Soweit ich weiß bleibt ja nur ein sehr geringer Teil der Leute mit abgeschlossener Koch/Köchin-Lehre längerfristig in der Gastronomie.
club
das stimmt natürlich.
und so wie an dem verkostungsabend zu wenig raum war, ist es auch in den blogeinträgen.
man will den leser ja nicht über gebühr beanspruchen.
aufschlussreich über j. gradwohls denkwelten könnte hingegen das große inerview in der zeit sein.
dort ist auf alle fälle genug platz!
keke grüße und aug bald, lieber mundschenk!
claudia