Finnland hat gefeiert!
Und wir waren auf dem Markt: in Helsinki.
Das Mittsommernachtsfest fiel dieses Jahr äußerst günstig auf einen Samstag. Die Schulen haben schon seit Ende Mai Ferien, denn der 24.6. 2017 markiert hier die Mitte des Sommers. Jetzt kann es in Helsinki auch über 30° C haben und es ist fast neunzehn Stunden lang taghell. Das Wetterglück war beim Mittsommerfest mit 15° C Tageshöchsttemperatur und 10° C bei leichtem Regen in der Nacht bescheiden – egal, die finnischen Feste werden heiß gefeiert wie sie fallen!
Im Frühling und Sommer wird jede Minute im Freien genutzt – beim Picknick, auf Straßenfesten, im Sommerhäuschen, beim Fischen und bald beim Beeren Sammeln. Es ist genau so wie wir Nichtfinn_innen uns das vorstellen!?
Der Frühling in Helsinki kommt spät und endet früh.
Anfang Mai wuchs in diesen Mai aus dem grauen Boden noch kein Grashalm. Doch auch in der Stadt waren viele Stellen dicht bedeckt mit Buschwindröschen, der klassische finnische Muttertagsblume, die sich im eisigen Wind schüttelte. Innerhalb weniger Tage bricht dann das Grün mit erstaunlicher Geschwindigkeit aus dem Boden, den Pflanzen und Bäumen.
Die erste beliebte Kultur-Pflanze, die gedeiht ist der Rhabarber. Aber auch viele Wildpflanzen werden vor allem im Frühling wieder immer begehrter, etwa Sauerampfer und Brennesseln. Sobald die finnischen Erdbeeren und Erbsen reif sind, verdrängen sie die vorwiegend holländischen Importe, die davor den Markt beherrschen. Die Marktstände auf dem Marktplatz vor der Hakaniemi Markthalle sprießen richtig aus dem Asphalt-Boden und das Angebot wird umfangreicher.
Qietschkäse und Wolkenbeeren
Viel früher als bei uns kommen im Sommer in Helsinki die beliebten wilden Beeren auf den Markt. Im Netz habe ich die Zahl 500.000 Tonnen gefunden, so viele Beeren wachsen insgesamt jedes Jahr in finnischen Wäldern. Besonders gerne gegessen werden Mustikka (Heidelbeeren), den Finn_innen schmeckt vor allem der Saft, leicht angedickt vom Frühstück bis zum Dessert als traditionelle Mustikkakeito (Heidelbeersuppe – heute würde man vielleicht eher Heidelbeersmoothie sagen).
Eine Spezialität, die es nur im Norden gibt, sind die gelben Lakka (Wolkenbeeren). Marmelade aus diesen Beeren wird am allerliebsten zu Leipäjuusto, einem beim Essen etwas quietschenden Käse gegessen. Der wird gerne zum Frühstück warm genossen, dazu trinkt man viel hell gerösteten Filterkaffee.
Weit früher als bei uns ist der Herbst da und die Vegetationszeit der Pflanzen wieder vorbei. Dann kommt als frisches Obst und Gemüse nur mehr Importware auf den Markt, sehr viel davon aus Spanien.
Vanhakauppahalli und orangefarbenen Zelte
In Helsinki gab es drei Markthallen. Die älteste würde 1888/89 gebaut bzw. in Betrieb genommen. Heute ist das Angebot der Vanhakauppahalli, die unweit des Zentrums am Hafen liegt, sehr auf Touristen ausgerichtet. Erwähnenswert ist noch das traditionell gute Fischangebot, aber Hafenatmosphäre kommt keine auf. Trotzdem ist der Besuch reizvoll. Der nahe Marktplatz hat ein dem Naschmarkt vergleichbares Schicksal erlitten und wird vor allem von Reisegruppen zu Stoßzeiten regelrecht überschwemmt.
Die zweite Markthalle ist im ehemaligen Arbeiterbezirk Kallio, der sich in den letzten Jahren zum äußerst sympathischen Szenebezirk entwickelt hat. Vor der Halle liegt der oben erwähnten große Platz, auf dem vor allem im Sommer Händler_innen und Selbstvermarkter_innen ihre Waren anbieten. Das ganze Jahr über gibt es einige Gastro-Stände mit den charakteristischen orangen Zelten, an denen die Helsinkier_innen schon sehr früh am Morgen den ersten Kaffee trinken.
Die Hakaniemi Martkhalle selbst hat im Untergeschoß ein ausgesprochen gutes Angebot, viele Produkte haben Bioqualität (fi.: luomu). Natürlich gibt es sehr schöne Fisch-Stände mit Lachs, roh und in vielen verschiedenen Zubereitungen, ob als gravad laks (gebeizt), geräuchert oder gegrillt. Frischeste Meeresfische und saisonaler Fang aus den mehr als 1000 Seen. Besonders beeindruckt und überrascht hat mich die offensichtlich hervorragende Qualität von Fleisch.
Alle, die schon einmal in Finnland waren, schwärmen von den netten Finninnen und Finnen, auch auf demn Markt ist man äußerst hilfsbereit und zuvorkommend.
Im Obergeschoss der Halle gab es früher Kurzwarenhandel, Stände von Handwerkern, sowie echtes Kunsthandwerk. Immer mehr sollen hier aber auch Tourist_innen in das schöne alte Ambiente gelockt werden. Mit einer Filiale des Marimekko Konzern wird das schneller funktionieren als manchem lieb ist.
Die dritte Markthalle – Hietalahti, ist wie die beiden anderen ein Backsteinbau aus dem 19. Jahrhundert und architektonisch auch im Inneren überaus erwähnenswert. Leider bietet sie heute beinahe ausschließlich Gastronomie. Ich finde die Stimmung mit gelangweilten Tourist_innen noch trister als in einer Shoppingmall und schaute sie mir nur mehr an den Samstag Vormittagen von außen an.
Dann findet am Platz davor ein Flohmarkt statt, bei dem man immer Porzellan aus den von der finnischen Firma Arabia nicht mehr produzierten Serien findet, manchmal zu günstigeren Preisen als übers Internet. Auf den klassischen blauen Kilta-Tellern macht sich das finnische Essen besonders schön. Wenn es aus am Markt gekauften Produkten besteht und damit ein Gesicht und eine Geschichte hat, schmeckt es für mich erst so richtig perfekt.