Auf dem Markt im Frühling: fremdes Italien

Jungzwiebel , auf dem Markt im Frühling: fremdes Italien, Bild (c) Mischa Reska . kekinwien.at

Italien

Das kennen wir doch alle in- und auswendig und erst recht das italienische Essen.
Ist eh schon fad?
Wer meint, alles Obst und Gemüse, das man im Frühling bei unserem Nachbarn Italien genießt, sei auch für uns längst selbstverständlich, liegt falsch.

Immer nur an der verführerischen Tomate zu hängen bringt uns um einigen Genuss

Denn es gibt mehr! Die letzten ‘tomatigen Paradiesfrüchte‘ gab es im November. Ab April kommt die erste geschmackvolle Sorte Miranda aus Neapel. Das ist sehr weit weg, aber sie schmecken doch besser als die heimischen aus den beheizten Glashäusern. Vor Mitte Mai sind selbst die Italienischen Ochsenherzen mehlig und hinterlassen nur einen pappigen Geschmack auf der Zuge. Die eine oder andere Miranda Vorfreude-Frucht probiere ich aus und warte dann geduldig darauf, bis im August die eigenen Paradeiser und die vom Gartennachbarn vor lauter Süße und Säure fast am Platzen sind.

 

auf dem Markt: fremdes Italien, Fave bzw. Saubohnen, Bild (c) Mischa Reska - kekinwien.at

auf dem Markt: fremdes Italien, Fave bzw. Saubohnen, Bild (c) Mischa Reska – kekinwien.at

 

Fava, Saubohne, Erbse, Edamame

Wir müssen auch noch auf die ersten heimischen Erbsen warten, könnten uns aber an den Erbsentrieben freuen, wenn eine liebe Gärtner_in uns welche abgibt. Die feinen süßen Erbsentriebe schmecken roh und kurz gebraten unübertroffen.

Beliebter als Erbsen scheinen mir in Italien die Fave zu sein. Die verfüttern wir, wenn sie überhaupt noch angebaut werden, mangels Kennerschaft den Schweinen – es sind die hiesigen Saubohnen. In Italien knabbert man sie am liebsten roh zum Aperitif mit kleinen Stücken Pecorino.
Wo ist der entscheidende Unterschied zwischen Fave und der teuren Trendhülsenfrucht Edamame?

 

auf dem Markt: fremdes Italien, Nespole - die japanische Wollmispel, Bild (c) Mischa Reska - kekinwien.at

auf dem Markt: fremdes Italien, Nespole – die japanische Wollmispel, Bild (c) Mischa Reska – kekinwien.at

 

Das Obstangebot ist Anfang Mai auch südlich der Alpen bescheiden

Doch auf allen Märkten liegen in den Kisten neben den letzten Äpfeln auch die letzten Kumquats, eine bei uns viel zu wenig geschätzte Zitrusfrucht. Bis zum nächsten Winter ist dann die beste Zeit für alle Agrumi vorbei.

Selbstverständlich leuchten jetzt in Italien überall die ersten Erdbeeren, aber auf den Märkten fallen vor allem die Nespole auf, die gerade ihre kurze Hochsaison haben. Bei uns kann man die japanische Wollmispel bei türkischen Händler_innen entdecken.

 

Carciofo Spinoso della Sardegna, Bild (c) Mischa Reska - kekinwien.at

Carciofo Spinoso della Sardegna, Bild (c) Mischa Reska – kekinwien.at

 

Da ich auf Italiens Märkten noch keinen Rhabarber gesehen habe, könnte ich mir vorstellen, dass wir Nordländer_innen da ein Ass im Gemüsegarten haben? Die besseren Anbaugebiete haben wir und unsere deutschen Freund_innen auch beim Spargel. In Italien gibt es dafür noch immer Puntarelle, eigentlich ein typisches Wintergemüse.

Italien ist ein Artischockenland

Man weiß Bescheid über die verschiedenen Sorten und welche am besten zum Dämpfen, Füllen, Braten etc. oder eben für den Rohgenuss geeignet sind. Wem der Spargel zu beschwerlich zu schälen und die Artischocke zu mühsam zu essen ist, hat einfach keine feinfühligen Geschmacksnerven entwickelt, die einen täglich dazu verführen, es auf sich zu nehmen, das Gemüse ‘ausziehen’. Tiefkühlkost ist halt wie Bildschirmporno.

 

die typisch römische Artischockensorte Mammole, Bild (c) Mischa Reska - kekinwien.at

die typisch römische Artischockensorte Mammole, Bild (c) Mischa Reska – kekinwien.at

 

In Mailand habe ich die Märkte gerade kürzlich voller Mönchsbart gesehen

Wer ‘barba di frete’ nicht kennt, könnte ihn für Schnittlauch halten. Er stammt aber aus der Familie der Salzkräuter und ist ein perfektes Frühlingsgemüse. Sein Geschmack ist, wenn er auf Salzböden nahe am Meer wächst, leicht salzig und eigentlich mit nichts zu vergleichen.

Während der Spargel am liebsten den Soloplayer gibt, oder mit anderem Gemüse wie Erbsen, Radieschen, Kartoffeln usw. harmoniert, ist der Mönchsbart der ideale Begleiter, zu fast jedem Fleisch- oder Fisch-Gericht. Es gibt übrigens keinen mir bekannten Grund, die auch Agretti genannte Pflanze bei uns nicht anzubauen.

 

frisch vom Zitronenbaum: Limoni, Bild (c) Mischa Reska - kekinwien.at

frisch vom Zitronenbaum: Limoni, Bild (c) Mischa Reska – kekinwien.at

 

Richtig viel wärmer ist es im Frühling in Italien seit dem Klimawandel, der wie es scheint die Temperaturen in der Alpenregion besonders stark anhebt, nicht. Entscheidend ist, dass es im Süden keine späten Nachtfröste gibt, damit können viele Gemüsesorten im Freiland ‘ohne Schock’ gedeihen. Der unter österreichischen Gärtner_innen aufmerksam beobachtete Termin der Eismänner ist trotz Klimaerwärmung nicht vorgerückt und heuer mit Mitte Mai recht pünktlich – wenn nicht noch etwas kommt!

 

Puntarelle: kein Spargel, sondern Chiccoreetriebe, Bild (c) Mischa Reska - kekinwien.at

Puntarelle: kein Spargel, sondern Chiccoreetriebe, Bild (c) Mischa Reska – kekinwien.at

Mit dem Frühlingsgemüse ist es traditionell am 21. Juni vorbei

Nur wenn es zu heiß wird, gibt es schon früher keinen Spargel mehr. der Rhabarber soll dann giftig werden und die grüne Nüsse können nicht mehr eingelegt werden, da ihre Schalen schon zu dick sind.

Zum Sommeranfangsfest präsentiert sich mit einem Mal das ganze Sommergemüse auf unseren Märkten. Dann gedeiht auch bei uns alles, was es in Italien gibt. Und der Blick und die Lieferungen über die Grenze verlieren eigentlich an Bedeutung. Nur um vollreifes Fruchtgemüse zu bekommen, sollte man sich dann noch die eine oder andere Woche gedulden. Bis endlich die Goldäpfel …

 

Tomaten der Sorte Miranda, Blick (c) Mischa Reska - kekinwien.at

Tomaten der Sorte Miranda, Blick (c) Mischa Reska – kekinwien.at

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