Fisch ist in aller Munde, Teil 2
Wie versprochen folgt nun der 2.Teil in Sachen frischer Fisch in Wien. Ich war unterwegs auf dem Naschmarkt …
Fisch-Familien-Geschichten auf dem Naschmarkt
Es gibt eine stärkere Solidarität auf den Märkten seit Corona, von der Kundschaft zu ‘ihren’ Ständen und unter den Markttreibenden selbst. Das hört und liest man und kann es auch so erleben, wenn man aufmerksam über den Naschmarkt geht, der doch als anonym und unpersönlich verschrien ist.
Fehden aus der Marktvergangenheit seien derzeit vergessen. Die echten Lebensmittel Stände ziehen am gleichen Strang. Manche haben engere Beziehungen zu ihrer Nachbarschaft, Verkäufer_innen helfen sich gegenseitig aus, man sitzt über dem Schachbrett zusammen und an verträumten Lockdowntagen sah man schon mal Ball spielende Kinder.
Platz und Zeit gibt es, wenn die Touristenmassen fehlen, manchen fehlen dadurch auch die Einnahmen. Von den Ständen, die keine Gastronomie betreiben oder beliefern und nicht ausschließlich auf vorbeiziehende Tourist_innen aus sind, hört man, dass sie im letzten Jahr sogar mehr Umsatz hatten.
Die Fischstände schwimmen auch in den letzten Jahren beständig wie Inseln im Tourismus Gewirr. Manche Vorlieben der Stammkund_innen sind bekannt, die stolz ihre Zubereitungserfolge berichten oder vorwurfsvoll den Fisch fürs Misslingen verantwortlich machen wollen. Man kennt das eine oder andere private Detail voneinander und dann weiß wieder jemand anderer etwas … – nennt man das Markttratsch?
Der Naschmarkt kann trotz aller berechtigten Kritik beim Fisch noch immer, was große Märkte können sollten: Er bietet mit vier fixen Fischständen die Möglichkeit Preis und Frische zu vergleichen und selbst die beste Wahl zu treffen, auch bezüglich Nachhaltigkeit. Nicht nur Treue, auch Konkurrenz belebt hier das Geschäft.
Es ist keine einfache Übung bei Fisch gut einzukaufen, umso mehr freut man sich über einen guten Fang!
Eine große Geschichte
Laura Lämmermann stellte 1876 das erste Mal ihren Stand mit Gemüse und einem Karpfenbottich auf dem Freihausplatz in Wieden auf. Nur wenige Jahre später übersiedelte sie in einen der Stände auf den neu errichteten Naschmarkt. 1900 organisierte ihre Tochter nach einem Kuraufenthalt in Italien von dort erste Fischimporte mit der Pferdekutsche. Bedeckt mit Seetang oder Brennnesseln, damit der Fisch auch sicher frisch blieb.
Manche erinnern sich heute noch an Hella Gruber, die resolute Chefin aus der 4. Generation. Ihr Mann Erich Gruber war Berufsfischer, damals war man berühmt für die besten Flusskrebse und den schönsten Hummer der Stadt. Heute arbeiten schon Grubers Enkelkinder im Geschäft und der Stand ist der einzige, der von Beginn des Marktes an in der Familie blieb.
FISCH-GRUBER Angebot
Das Sortiment ist sehr umfangreich: von Meeres- und Süßwasserfischen aus Wildfang und Zucht, Meeresfrüchten, frisch oder tiefgekühlt bis zu Bottarga und Stockfisch. Sehr lobenswert ist die Information neben jedem Fisch, wo er produziert bzw. gefangen wurde und mit welcher Methode. Das kenne ich aus Norditalien längst als Standard, hilft aber nur kundigen Kund_innen, die damit vor allem die Nachhaltigkeit beurteilen können.
Was fürs Putzen und Ausnehmen an eventuellen Kosten anfällt, sollte man erfragen.
Der traditionelle Augenschmaus ist der Aschermittwoch-Stand, der jedes Jahr noch bunter und größer wird. Vergleichsweise unscheinbar ist der echte Matjes, der nur in Salz fermentiert wird – ein echter Geheimtipp!
120 JAHRE NORDSEE
1896 begann die ‘Deutsche Dampffischerei Gesellschaft Nordsee’ mit sieben Fischdampfern ihre Geschichte, die von Beginn an groß angelegt war. Nach einem Jahr betrieb man mit sechzehn Dampfern einen eigen Hafen bei Bremerhaven. Schon ab dem Jahr 1900 war die Firma mit dem Handel von Nordseefischen in Wien vertreten. Bald darauf eröffnete man auf dem Naschmarkt im schönen ersten Pavillon bei der Sezession, wo auch heute noch ‘die Nordsee’ ist.
Geliefert wurde aus dem damaligen Preußen mit der Bahn zum Wiener Nordbahnhof. Die dort errichteten gekühlten Lagerhallen waren der Zeit voraus. Heute findet man in der Filiale auf dem Naschmarkt neben fertigem Fast-Food auch Fischfilets und ganze Fische, teilweise in Bio-Fischzucht Qualität. Aber die Wiener_innen kennen ihre Nordsee und steuern, nicht anders als die Tourist_innen, meist den direkten Weg zu den Fischbrötchen an. Man scheint sich nicht vom Anblick ‘echter Fische’ verwirren lassen zu wollen.
Bei Umar lacht der Fisch
Erkan Umar ‘wohnt’ auf dem Naschmarkt. Dass er fast immer vor Ort ist, freundlich und aufmerksam, ist vielleicht ein Geheimnis seines Erfolgs. 1996 startete er mit seinem Bruder den Fischstand auf dem Naschmarkt direkt neben den zwei alt eingesessenen Fischständen. Die Familie, die aus Istanbul nach Wien kam, hatte bis dahin keine Erfahrung mit dem Verkauf von Lebensmitteln oder Fisch und ist durch Zufall auf dem Markt gelandet.
Im an den Verkaufsstand anschließenden Fischlokal konnte Erkan Umar seit 2003 seine Qualitäten in der Kundenbetreuung dann richtig ausspielen. Er, die Kellner und die Gäste haben es gerne lustig zum guten Fisch. Die Umar Fischbar konnte 2020 pandemiebedingt noch nicht richtig starten. Was ich bisher von Insider_innen erfahren habe, kann es sein, dass sie nicht nur im Fischbereich alles auf dem Naschmarkt kulinarisch überflügeln wird.
UMAR FISCH Angebot
Meeresfisch aus Wildfang und Aquakulturen sind vorrangig in der Vitrine zu finden. Zumindest bis zuletzt vorwiegend ganze Fische, die man sich aber rasch filetieren lassen kann. Ich schätze das, denn ich schau‘ dem Fisch gern in die Augen, bevor ich ihn esse (frisch!). Wer sich nicht sicher ist, ob bei den Meerestieren Frisch- oder Tiefkühlware präsentiert wird, muss mangels Auszeichnung meist nachfragen.
Derzeit nehme ich vor allem die Freitaglieferung jede Woche in Augenschein. Wenn Umars Lokal und Bar wieder laufen, wird es noch viel mehr frische Auswahl geben. Umar ist meine bevorzugte Quelle für alle Arten von Tintenfisch. Kommt ein Sardinenfang, ist der oft so frisch, wie man die Sardinen im Urlaub an der Adria nicht mehr leicht bekommt, also innerhalb von 24 Stunden vom Meer auf dem Teller.
Ich esse die herrlichen und dabei vergleichsweise billigen Blaufische lieber, als sie den Raubfische in Aquakulturen als Futter zu überlassen. Aufgepasst – auch der Nachbar Gruber bringt derzeit beste Qualität aus der Heringfamilie auf den Markt – die eine Woche ‘führt’ der eine, die nächste der andere …
Ein neues Viertel
Mit dem Fischviertel wurde 2011 der jüngsten Fischstand auf dem Wiener Naschmarkt eröffnet. Angeschlossen ist ein Großhandel, das Restaurant findet man hinter dem Verkaufsstand. Elijahu Chassidov hat beim Meinl am Graben in der Fischabteilung seine Lehre gemacht und ist immer noch einer der jüngsten Marktstand Betreiber. Es gab ab 2011 schon ein Fischlokal der Familie Chassidov auf dem Karmelitermarkt, wo noch weitere Stände zum Familienimperium gehörten. Ihr Steakviertel auf dem Naschmarkt gab es auf Grund eines Brandes nur kurz, das Fischviertel hat sich mittlerweile gut eingeführt.
Das 100 Quadratmeter große Eurofisch der Chassidovs im 12. Bezirk habe ich mir einmal angeschaut. So toll wie das Frische Paradies (u.a. in Berlin) war es leider nicht, lange bestanden hat es auch nicht. Danach versuchte man es mit einem Fischsupermarkt in Salzburg Bergheim, aktuell gibt es eine Filiale in Klagenfurt.
Für ein breites ‚Frischfisch‘ Angebot im Supermarkt, wie in anderen Ländern üblich, ist man in Österreich einfach nicht genug ‚Fisch verliebt‘.
FISCHVIERTEL Angebot
Immer leuchtet das Rot der Lachshälften verführerisch. Wer nicht widerstehen kann: Ich rate zur angebotenen Bio-Zucht Qualität. Prachtvoll die Krustentiere, beeindruckend die großen Fische aus dem Meer oder aus Aquakulturen. Ich genieße sie nur als Augenschmaus und lasse sie in der Vitrine links liegen.
Besonders sticht fast immer der kuriose, urzeitliche Stör hervor, der sonst kaum erhältlich ist. Von allen Exemplaren, die hier im Ausmaß für eine große Party präsentiert werden, kann man sich Steaks herunterschneiden lassen. Der Stör ist ein bestens für die nachhaltige Zucht geeigneter Friedfisch und damit auch für vorbildliche Umweltschützer_innen bestens geeignet. Daneben breitet sich eine weite Palette an Kaviardosen aus, für die, die sich dieser Welt zugehörig fühlen.
Fisch, nachhaltig
Alles über die dringend schonungsbedürftigen Fischbestände der Weltmeere im Kopf zu haben ist nicht möglich.
Am besten man schaut bei seinen Lieblingsfischen nach, welche gerade vertretbare Fischereigründe sind:
Am samstäglichen Landparteienmarkt bei der Kettenbrückengasse wird das heimischem Süßwasserfischen Angebot bereichert von:
DIE FISCHBAUERN, mit speziell feinen Bio-Saibling-Filets und HONIGLACHS, mit allerlei frischen und verarbeiteten Salmoniden aus heimischer Zucht.
Beide sind auch auf vielen anderen Märkten in Wien und Umgebung vertreten.
(Beitragsbild: frischer Fisch auf dem Naschmarkt, Bild © Mischa Reska – kekinwien.at)
Mischa
Der Naschmarkt ist immer in Veränderung und das ist prinzipiell sehr gut so.
Mit Fisch probiert es seit kurzem auch die Firma Hawramy die bisher vorallem mit bemaltem Geschirr aufgefallen ist. Überzeugt hat mich das Gebotene bisher nicht, da großteils aufgetaute Ware.
club
Danke für den Hinweis!
Fischers Fritz …