Unterschätzt mir die Kartoffel nicht, Erdäpfelwissen Teil 2
Erdäpfel gehamstert?
Vor zwei Wochen habe ich der Kartoffel schon einige Aufmerksamkeit geschenkt, jetzt geht es munter weiter!
Achtung: Frühkartoffeln, also solche, die gerade jetzt in südlicheren Ländern geerntet werden und dann ab etwa Juni bei uns, sollte man innerhalb von etwa zwei Wochen verbrauchen.
Lagerkartoffeln, die im Herbst geerntet wurden, haben auch sensible Ansprüche und gerade jetzt im Frühling treiben sie schnell aus. Für die meisten Haushalte ist es besser nur kleinere Mengen zu kaufen, denn einen perfekten Erdäpfelkeller hat heute kaum noch jemand …
Die dunkle Lagerstätte muss gut belüftetet sein, konstant zwischen 5 °C und 10 °C aufweisen und etwa 90 % Luftfeuchtigkeit haben. Ungewaschene Erdäpfel halten übrigens besser. Der Kühlschrank ist höchstens ein Notaufbewahrungsort, besser ist ein vor Licht schützender, dabei luftiger Kasten. Ein natürliches Raumklima ist das Nonplusultra, Kühlräume wie sie von Großfirmen verwendet werden, sind dem Geschmack und der Ökobilanz der Erdäpfelproduktion abträglich.
Bitte bio und chemiefrei
Bei Tageslicht gelagerte Erdäpfel werden grün, ein Zeichen für einen erhöhten Solaningehalt, den man möglichst vermeiden soll. Auch Erdäpfel die bereits Triebe angesetzt haben sind nicht mehr gesundheitsförderlich und sollten im Biomüll oder am Kompost entsorgt werden.
Wer jetzt von sich denkt, ein Problem mit treibenden Kartoffeln habe ich nie, kauft sicher keine Biokartoffeln. Nur diese und solche von kleinen Selbstvermarkter_innen werden nämlich nicht nach der Ernte mit chemischen Mitteln bedampft, um das Austreiben zu verhindern. Mir schmeckt die Idee Nahrungsmittel so zu verändern nicht.
Erdäpfel sind wie Wein
Bei Trauben gibt es verschiedene Sorten denen man, zu Wein verarbeitet, unterschiedliche Dichte, Schwere, Süße etc. zuordnet. In den unterschiedlichen Regionen entwickeln sie sich je nach Boden und Klima trotzdem sehr verschieden.
So schmeckt auch jede Erdäpfelsorte in verschiedenen Regionen angebaut unterschiedlich. Dieselben Sorten sind aus anderer Herkunft nach dem Kochen mehr oder weniger klebrig, schnittfest oder zerfallen cremig.
So viele Geschmacksnuancen wie beim Wein werden selbst Erdäpfelkenner_innen nicht herausschmecken können, aber einem geübten Gaumen bleibt nicht verborgen, ob die optimale Sorte für das jeweilige Gericht verwendet wurde. Und ich bin sicher, jede_r wird eine erstklassige Kartoffel schätzen und bei einer muffigen, wässrigen oder geschmacklosen Knolle die Nase rümpfen.
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Heuriger und Heurige
Der Beaujolais Nouveau ist bei weitem nicht der beste aller Weine, nur weil er als erster aus den Fässern kommt. Und so sind die ersten ‘Heurigen’, die im frühen Frühling zu uns meist aus Zypern kommen, auch nicht die besten Erdäpfel. In Österreich gibt es die ersten ‘Heurigen’ meist im Juni, wenn sie bei guten Witterungsbedingungen im März gepflanzt werden konnten.
Länger als bis zum Sommerbeginn kann die Ernte vom Vorjahr oft nicht gelagert werden. Vor allem für Erdäpfelteig braucht man aber abgelegene, alte und trotzdem gut gelagerte Erdäpfel. Meiner Salzburger Erdäpfelbäuerin hat im Juli noch gute mehlige Erdäpfel aus der vergangenen Saison, mit denen gelingt der Teig für Marillenknödel erstklassig.
Erdäfpel Basics
Für Erdäpfel, aus denen man Erdäpfelteig für Nockerl, Gnocchi, Wuzerl oder Knödel, machen will, egal ob, gefüllt oder ungefüllt, ist es geschickt, sich immer bei ein und der selben Selbstvermarkter_in Nachschub zu holen. Nur so weiß man, wie die jeweiligen Knollen (halbmehlige oder mehlige) reagieren, das heißt wie viel Mehl (griffiges!) in den Teig muss, damit sie beim Kochen nicht zerfallen und trotzdem nicht zu fest schmecken.
Rotschalige Erdäpfel sind keine einheitliche Sorte. Es gibt sie von der bekannten Linzer Rose, über Red King Edward VII bis hin zu Sputnik oder Asterix mit speckigen bis mehligen Eigenschaften. Selten findet man rotfleischige Sorten wie Königspurpur oder den Kefermarkter Zuchtstamm. Das liegt wohl daran, dass diese Sorten nicht so ertragreich sind. Kenner geben für solche Spezialitäten gerne ein Vielfaches aus, für viele nicht so tragisch, denn die billigsten Erdäpfel werden unter einem Euro für das Kilo angeboten.
Mit den blauschaligen oder blaufleischigen Erdäpfeln verhält es sich ähnlich. Sie werden gerne Trüffel-Kartoffeln genannt, was wieder auf den Wortstamm von Kartoffel verweist (siehe bitte Teil 1).
Man braucht keine Waldviertler Erdäpfel, um Waldviertler Knödel (aus rohen oder zur Hälfte rohen Erdäpfel) herzustellen, aber sicher einige Anläufe bis man die hohe Kunst beherrscht. Das entscheidende ist der Anteil an Stärke in der Kartoffel, der als Kleber wirkt und die Masse zusammenhält. Man kann auch noch Stärkemehl hinzufügen, wenn die gewählte Erdäpfelsorte nicht ausreichend viel bietet. Kartoffelstärkemehl wird in Europa auch häufig dem Nudelteig, aus dem man Teigtaschen macht, zugegeben.
Aus dem Erdäpfelkochtopf
- Erdäpfel zu dämpfen ist dem Kochen vorzuziehen, wenn man die Inhaltsstoffe so weit wie möglich erhalten will.
- Beilagen Erdäpfel (speckige – halbmehlige), die übrig bleiben, werden am nächsten Tag zum Erdäpfelgröstl.
- Püreeliebhaber_innen sind sich nicht einig, ob Erdäpfelpüree aus ganz mehligen oder halbmehligen besser schmeckt. In jedem Fall darf man die Erdäpfel nicht zu fest stampfen.
- Bei der Erdäpfelsuppe bin ich bei Halbmehligen.
- Die ganz speckigen nehme ich für Erdäpfelsalat und Erdäpfelgratin, aber da gibt es auch unterschiedliche Vorlieben, denn andere ziehen halbmehlige vor.
- Nichts geht über ein selber gemachtes Erdäpfelgulasch (halbmehlige)!
- Im ganzen gegarte Ofenerdäpfel (halbmehlig oder mehlig) schmecken pur und lassen sich auch köstlich füllen.
- Gebratene Erdäpfellaibchen passen ganz traditionell gut mit frischem oder Sauer- Kraut.
- Das Frittieren der Erdäpfel, von traditionellen Erdäpfelblattln (Friggele) bis zu Pommes frites überlasse ich lieber den Profis,
schon aufgrund der schwierigen Entsorgung des Altöls.
Weltweite Erdäpfelliebe
Es gibt allein schon in Europa so viele Rezepte von Himmel und Äd (mit Äpfeln und Blutwurst) im Norden, bis hin zur Kartoffelpizza im Süden, dass man je mehr man sich umschaut, immer mehr die Übersicht verliert.
Besonders gern mag ich indische Erdäpfelcurrys (speckige), mit Karfiol und Erbsen gekocht, zu Chapati oder Nan Brot.
In Asien werden die Erdäpfel als ein Gemüse unter vielen gesehen, sie haben keine so herausragende Stellung wie bei uns in der nordeuropäischen Sozialisation.
Die weite Welt der Lateinamerikanischen Küche konnte ich bisher noch nicht ausreichend erforschen, ich vermute dort viele Erdäpfelgerichte. (Siehe Teil 1 bitte.)
Erdäpfel machen weder gesund, noch dick
In meiner salzburgisch-oberösterreichischen Familie hat man früher noch fast jeden Tag Erdäpfel als Beilage gegessen. Reis oder Nudeln waren die absolute Ausnahme und Knödel eher ein Hauptgericht.
‚Sättigungsbeilage‘ ist ein böses Wort – diese aber wegzulassen, bekommt gesundheitlich nur einer geringen Zahl von Ernährungstypen. die wenig Kohlenhydrate brauchen. Eine ‘Kartoffeldiät’, ja die gibt es natürlich auch, finde ich genauso fragwürdig.
Erdäpfel haben wenig Kalorien und sind aufgrund ihres Nährwerts ein guter Sattmacher, meint kurz zusammengefasst die westliche Ernährungslehre. Das Indische Ayurveda sieht alles auf den jeweiligen Typ bezogen und empfiehlt Erdäpfel den luftigen Vata-Typen, die diese erden sollen. In der traditionellen chinesischen Medizin werden Erdäpfel gerne bei Gastritis oder Diabetes Typ 1 empfohlen. Erdäpfel sind im chinesischen System süß und damit kühlend; exakt ausgeführt betrachtet man in der TCM jeden Menschen einzelnen um zu wissen, ob ein Lebensmittel zum jeweiligen Zeitpunkt gut vertragen wird.
Dass hochprozentiger Alkohol nach dem Essen gesund sei, ist eine Behauptung, die manche einfach gerne hören, auch wenn sie unrichtig ist.
Wer auf seinen Erdäpfelschnaps steht, wird sich den Wodka nicht nehmen lassen.
Reinen Alkohol – woraus auch immer – brauchen wir jetzt vor allem für Desinfektionsmittel (ab 70 Vol.-%) …