Ein Sonntag auf dem Lande gehörte früher zum guten Ton.
Bei mir war es ein Samstag und ich musste ‚mal raus. Ich liebe Wien, aber eine gute Beziehung lebt von Nähe und Distanz, auch die Beziehung zu einer Stadt.
Deswegen: auf zum Pollak!
Der Weg selbst könnte im Frühling im Weinviertel auch das Ziel sein: Die Natur ist am Aufbrechen und sieht dabei verdammt gut aus. Erste Station: Kirschblütenfest. Nein, nicht Japan, Schrattenthal! Bei Kirsch‘ me kann man nämlich für fast kein Geld ein Jahr lang Baumpate sein. Also Baum aussuchen, Schild drauf hängen und später im Sommer dann die Kirschen ernten. Sind sicher noch ein paar Bäume frei!
Danach ein bisschen in Retz abhängen. Geht am besten mit einem Glas in der Hand. Das geben einem sehr nette, kompetente Menschen vom der chicen Gebietsvinothek Weinquartier am Hauptplatz. Wenn dann der Frizzante vom Gelben Muskateller des Weinguts Autrieth drin ist, kann das Leben schon sehr schön sein.
Feinste Perle, feiner als die von so manchem Champagner, im Mund breitet sich der Frizzante dann überraschend bis zu einer nennenswerten Geschmacksexplosion aus. Man darf das so nicht sagen, aber er schmeckt fast wie Parfum. In der Beschreibung des webshop liest sich das so: „gelber Apfel, etwas Ananas und Biskuit, helle Anklänge von Anis und Fenchelsalat“. Den Apfel habe ich gerochen, ich schwör’s!
Irgendwann verspürt man dann leichten Hunger. Was ein Glück ist, denn zum Retzbacherhof vom Pollak ist es nicht mehr weit. Danke, Florian Holzer für den Tipp. Landgasthaus. „Tradition trifft Moderne“, so etwas fällt einem ein.
In der Gaststube sitzen die Einheimischen – und wir, hab und ich. Im Salettel, einem lichtdurchfluteten Raum mit Blick auf die Kastanien im Innenhof speisen die „Zuagrasten“. Der Pollak ist ein Gasthaus und kein Wirtshaus. Merkt man gleich. Die Kellnerinnen sind freundlich und haben einen tschechischen Akzent, die Grenze ist nicht weit. Man liest die Speisekarte und denkt: „Hier ist egal, was ich esse. Alles ist gut.“
Blunzen mit Burrata: Die Blunzen scharf angeröstet und intensiv. Die Burrata, auf der Zunge schmelzend, kauft der Blunzn die Schneid ab. Eine gelungene Liaison. Blattsalat. Radieschen und Kresse sinnlos, aber egal. Danach gegrillte Beiried. Ich bestelle sie wegen der Morcheln. Die liebe ich. Die frische Pasta schmeckt wunderbar, aber ist zu lang gekocht. So ist das fast immer in Österreich und kein Beinbruch. Das Fleisch, das Safterl: großartig. Wieder Kresse. Warum?
Gespeist wird hier mit Andacht. Die Portionen sind groß, die Preise nicht ganz. Kaffee. Dessert? Geht eigentlich nicht mehr, aber ja: überbackene Topfentorte mit Vanillesauce. Unbedingt! Essen beim Pollak macht glücklich.
Man braucht danach keinen Schnaps, aber wenn man einen oder zwei trinkt, kann man beim Pollak in der Nähe übernachten. Und dann am nächsten Tag wieder kommen. Es gibt blödere Ideen. Nächstes Mal. Die Kastanien blühen ohnehin bald …
Pollak’s Retzbacherhof
Bahnstraße 1, 2074 Unterretzbach
Tel.: +43 (0) 2942/20171
web: POLLAKRETZBACHERHOF.AT
Öffnungszeiten: Mi 17:00 – 24:00 Uhr, ab Mai ab mittags geöffnet; Do bis Sa 10:00 – 24:00 Uhr; So und Feiertag 10:00 – 17:00 Uhr; Mo & Di Ruhetag
Küche: 11:30 – 14:00 Uhr und 17:30 – 21:00 Uhr
Nichtraucherlokal, großer Gastgarten
Kirschgarten Schrattenthal, Kirsch‘ me
Andrea Schubert
Tel.: 0699 102 88 072