Das Restaurant aend.

Fabian Günzel, zuletzt im ‚Das Loft‘ im Sofitel, hat am 12. März 2018 im 6. Bezirk sein (erstes) eigenes Restaurant eröffnet: [aend].
Wien ist um ein vergnügliches Lokal in Richtung Bistronomie – Konzepte reicher.
Ich war essen …

Weil mein abendliches Date geplatzt war, bin ich einfach mittags allein hingegangen in das neue Mekka für Essverrückte, Genießer und Vinophile. Das fühlte sich zunächst ein wenig seltsam an, denn für eine kurze Weile war ich zu High Noon tatsächlich der einzige Gast am Tag 5. (Nur dass es keine Missverständnisse gibt: Ich habe schon zwei weitere Termin gebucht, weil der Laden wird sicher sehr bald brummen, wie man so schön sagt.)

Der Chef

 

Die Küche im aend, gesehen von meinem Essplatz, links Fabian Günzel, Bild (c) Claudia Busser - kekinwien.at

Die Küche im aend, gesehen von meinem Essplatz, links im Bild: Fabian Günzel, Bild (c) Claudia Busser – kekinwien.at

 

Mir gegenüber also eine offene Küche mit der versammelten Mannschaft samt schmuckem Chef, links die warme, rechts die kalte Küche – die totale Transparenz. Was mit sich bringt, dass man sich als Esserin so ganz allein fast ein wenig beobachtet fühlt.
Es geht relativ entspannt zu, alles wirkt perfekt vorbereitet. Die Küche im aend ist beeindruckend klein. Günzel dirigiert sein Team aus vier Köchen souverän, strahlt eine Art natürliche Autorität aus. Er sieht von seiner „Kommandobrücke“ aus beim Anrichten auch praktisch alles. Manche Gerichte serviert er selbst, locker und charmant.

Das Lokal

 

das einnehmende Interieur im schönen, neuen Restaurant von Fabian Günzel, Bild (c) Claudia Busser - kekinwien.at

das einnehmende Interieur im schönen, neuen Restaurant von Fabian Günzel, Bild (c) Claudia Busser – kekinwien.at

 

Wo früher eine nicht nennenswerte Pizzeria ihr Dasein fristete, geht man jetzt auf glänzendem, hellgrauen Estrich, blickt auf in dunklem Anthrazit getünchte Wände, in offene Regale mit schöner, zeitgeistiger Keramik und auf Edelstahl. Bestimmend sind viel Holz und die Farbe Schwarz. Die wenige Deko-Elemente wirken sorgfältig ausgesucht. Eleganz durch Reduktion. Passte in jeden Hauptstadt Nordeuropas.

Es gibt genau 34 Essplätze. Für jeden Gast ist zur Rechten eine Schublade im Tisch integriert, die Serviette und Besteck bereit hält. (Das fanden wir schon im Pramerl & the Wolf super.) Man entscheidet selbst über das Werkzeug. „Du kannst hier machen, was du willst. Fühle dich wie zu Hause.“, ruft mir der Chef zu. Na dann!

Das Team

 


Mich betreute vorwiegend und sehr angenehm Simon Schubert (auf dem instagram Bild oben links), zuletzt Sommelier im Restaurant Mraz und Sohn. Bilde ich mir das ein, dass hier alle in freudiger Erwartung der Gästescharen agieren, konzentriert mit nur kleinen Anflügen von Anspannung? Schubert passt jedenfalls hervorragend hierher in diese neue casual fine dining – obwohl, das aend entzieht sich letztlich einer Kategorisierung, denn Günzel wirkt ziemlich selbstbewusst, es ist einfach „sein Restaurant“.

Die Distanz zum Gast, die in der Luxusgastronomie auf der Jagd nach Sternen herrscht, ist weg. Besser kann man eine (antialkoholische) Begleitung zum Businessmenü wohl kaum hinkriegen als Simon Schubert: Apfelsaft von der Streuobstwiese zur Entenleber, ein in der Nase herrlich fruchtiges IPA aus Deutschland (duftete für mich nach Marille und Honig, schmeckte dezent bitter) passte perfekt zum Hirsch und zum Schluss Quitte (wieder Deutschland, Streuobst; schön wie das Gelb im Glas leuchtete). Ich freue mich schon auf die Weinbegleitung bei der nächsten Gelegenheit!

Die andere Kraft im „Team Service“ ist kongenial und auch kein Unbekannter: Stephan Martin, Sommelier, zuletzt im Restaurant Wetter, davor im Restaurant Konstantin Filippou. Er ist übrigens auch für die Musikauswahl zuständig. Ja, es gibt eine Beschallung. Sie ist mutig, stimmig und könnte auch aus dem Ghettoblaster kommen.

Die Regeln

 

Die Speisekarte im aend zur Eröffnung, Bild (c) Claudia Busser - kekinwien.at

Die Speisekarte im aend zur Eröffnung, Bild (c) Claudia Busser – kekinwien.at

 

Das kleine und große Menü kann man sowohl mittags, als auch abends erleben. Der Businesslunch mittags besteht aus drei Gängen. Günzel weiß um die Bedürfnisse seiner Gäste: „Mittags geben wir ein bisschen Gas!“ Man ist in einer Stunde ohne Hetze fertig, satt, glücklich.
Wer auf weiße Tischwäsche, Showeffekte und Effekthascherei steht, ist hier falsch. Die Servietten sind schwarz. Das Toilettenpapier übrigens auch; und die Toiletten ziemlich klein. Das ganze Lokal ist nicht wirklich groß, wirkt aber großzügig.

Wer nach strengen, persönlichen Regeln isst (vegetarisch, regional, …), wird im aend wohl nicht restlos glücklich werden können. Der Chef liebt zweifelsohne die klassisch französische Küche: Das bedeutet Enten- und Gänseleber, Butter, Meeresfische, klassische Saucen, … Günzel kocht nach seinen Regeln, leidenschaftlich, klug, sodass man sich nicht am Ende des Dinners stöhnend ein Minzblättchen wünscht. Man merkt die Anstrengung nicht, nicht die der Küche und eine eigene entsteht gar nicht erst.

Das Essen

Die Speisekarte huldigt dem Namen des Restaurants und nennt immer zwei Produkte – du findest oben ein Bild von der aktuellen Karte. Unterm Strich kommt für mich heraus: zwei Komponenten, eine Sensation. Und das sieht so aus:

1. Hühnerhaut und Madras Curry

 

Restaurant aend, Hühnerhaut und Mardas Curry, Claudia Busser - kekinwien.at

Restaurant aend, Hühnerhaut und Mardas Curry, Claudia Busser – kekinwien.at

 

Krosse Hühnerhaut links mit zurückhaltendem Curryaroma, Mayonnaise, Radieschen, Seetang.
Diese Sache mit der Hühnerhaut habe ich schon im Amador gemocht – und aus der Kindheit von der Oma. Hier ist die Haut ein Chip, leicht fettig, Röstaromen, passt.

 

2. Sellerie und Kurkuma

 

Sellerie und Kurkuma, aend, Bild (c) Claudia Busser - kekinwien.at

Sellerie und Kurkuma, aend, Bild (c) Claudia Busser – kekinwien.at

 

Ein weicher Geschmack, rund, sparsam der Umgang mit Kurkuma, der schöne Duft von Butter steigt in die Nase, ganz wenig Säure ist auch da.
Und weil ja der immer gleiche Geschmack bei jedem Schluck wahrgenommen wird, passt die Menge für mich wunderbar.

3. Entenleber und Rote Rübe

 

Entenleber und Rote Rübe, im Hintergrund das Joseph Brot, aend, Bild (c) Claudia Busser - kekinwien.at

Entenleber und Rote Rübe, im Hintergrund das Joseph Brot, aend, Bild (c) Claudia Busser – kekinwien.at

 

Im Hintergrund sieht man das für das Lokal von Joseph Brot entwickelte sehr gute Sauerteigbrot „Joseph und Josephine“. Ja, hier wird zugekauft. „Ich bin Koch und kein Bäcker!“ (O-Ton Fabian Günzel). Die gesalzene Butter dazu ist locker aufgeschlagen und mit gebrannter Molke bestreut.

Im Vordergrund die Entenleber mit Dreierlei von der Roten Rübe, wenn ich das richtig gedeutet habe: als süßliches Gel, die Rübe selbst und als Pulver. Mit der perfekten Entenleber wurde nicht gespart. Aber für mich wirkliche erhellend war, dass die Stücke vom Brioche deutlich angebraten waren, was eine weitere Konsistenz in den Teller einführt. Nimmt man alle Komponenten gleichzeitig in den Mund, macht das besonders große Freude. Und wenn man dann noch ein, zwei Salzkörner erwischt hat: Heureka!

4. Kartoffel und Kürbis

 

Kartoffel und Kürbis, aend, Bild (c) Claudia Busser - kekinwien.at

Kartoffel und Kürbis, aend, Bild (c) Claudia Busser – kekinwien.at

 

Was so einfach und unspektakulär klingt, ist ein erhellendes Erlebnis auf dem Gaumen. Dieses Gericht sollte man unbedingt wählen!
Das Kartoffelpüree ist ein Espuma aus dem Siphon, seidig und warm. Mittig liegt der Kürbis als Eis, sehr cremig, nicht zu kalt ,und sobald alles auf der Zunge zerschmilzt, nimmt man verzögert den Geschmack des Kürbis wahr. Darübergestreut wurde ein wenig grobes Vanille-Salz, das nicht nur mit seinem Geschmack, sondern auch mit der Konsistenz dieses vermeintlich so simple Gericht zu einer echten Sensation macht.
Kalt und warm, hart und weich, fettig und luftig … für mich quasi der Signature Dish.

5. Hirsch und Navetten

 

Hirsch und Navetten, Bild (c) kekinwien.at

Hirsch und Navetten, Bild (c) kekinwien.at

 

Die Navetten alias Mairüben finden sich in verschiedener Ausführung auf dem Teller. Das Hirschfleisch ist zart, und wer es nicht gern blutig mag, den wird dieses Gericht eventuell überfordern. Denn der klassisch französischen Wildsauce (Sauce Gibier) ist ein bisschen Blut beigemengt. (Das bindet und verursacht auch die nicht so attraktive Farbe.)
Der Chef serviert persönlich. Die Sauce befindet sich zunächst in einem hübschen, schweren Becher (im Bild links oben) und vor dem Eingießen rührt er noch kräftig Gänseleber ein, „weil Gänseleber geht immer.“ Dem würde ich niemals widersprechen!
Auf dem Teller liegen ein paar wenige Körner vom schwarzen Pfeffer. Sie wurden „anfermentiert“, sind außen hart und salzig, innen weich und feucht, aromatisch. Draufbeißen und ein Stück Hirsch damit gemeinsam essen, zahlt sich aus!
Als Zwischengericht wird ein geeister Moccacino serviert.

 

6. Kondensmilch und Basilikum

 

Kondensmilch und Basilikum, Dessert, Bild (c) Claudia Busser - kekinwien.at

Kondensmilch und Basilikum, Dessert, Bild (c) Claudia Busser – kekinwien.at

 

Schon wieder schaut etwas relativ simpel aus, das sich dann im Mund überraschend raffiniert entfaltet. Das Basilikum ist in der Mitte als Sorbet zu sehen und wurde auch als Öl über den Teller geträufelt. Die Kondensmilch kommt ebenfalls zwei Mal vor: Die braunen Akzente sind reduzierte Kondensmilch, die sich auch am Boden der Schüssel sammelt. Also unbedingt mit dem Löffel bis zum Grund vordringen. Auch hier finden sich wieder Stücke vom Brioche. Ein schönes Dessert, nicht zu süß, frisch, spannend.

Fazit: Das aend ist eine echte Bereicherung und das Dargebotenen jeden Cent wert. Suchtgefahr.

 

 

links Ganache von der Vollmilchschokolade, in der Mitte geeiste Kumquats mit Lavendel obenauf, rechts dunkle Schokolade mir Amaranth, Bild (c) Claudia Busser - kekinwien.at

links Ganache von der Vollmilchschokolade, in der Mitte geeiste Kumquats mit Lavendel obenauf, rechts dunkle Schokolade mir Amaranth, Bild (c) Claudia Busser – kekinwien.at

 

 

 

aend

Mollardgasse 76, 1060 Wien
Tel.: +43 1 595 34 16
web: www.aend.at

Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 12.00 bis 14.00 und 19.00 bis 21.30 Uhr

Kleines Menü, 8 Gänge um Euro 99,00, Weinbegleitung um Euro 59,00
Großes Menü, 10 Gänge: 120,00 Euro, Weinbegleitung 79,00 Euro
Businesslunch, 3 Gänge: 39,00 Euro

Über einen Schanigarten denkt man momentan noch nach. (Ich befürchte ja Schlimmes: ein paar Wochen Sperrzeit im Sommer?) Die Speisekarte wird etwa alle zwei Wochen wechseln wie man hört.
Lieferanten:

  • Gemüse: Unfried aus der Wachau
  • Brot: Joseph Brot
  • Fleisch: Manfred Höllerschmid
  • österreichischer Süßwasser-Fisch: Gut Dornau
  • Kaffee: Rösterei Alt Wien

(Beitragsbild: aend, Blick auf die Vorspeisenküche und den Eingang, Bild (c) Claudia Busser – kekinwien.at.
Anmerkung: Der Lokalname ist [aend], ich habe die eckigen Klammern manchmal absichtlich weggelassen.)

 

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2 comments

    • club

      Fabian Günzel ist jetzt 32 oder 33 Jahre alt: Da geht noch mehr.