Alpenlachs, Gurke, Dill, Kren. Amador. Foto (c) Claudia Busser- kekinwien.at

Ich war bei Amador essen. Exakt bei: Amador’s Wirtshaus & Greißlerei. Die kulinarische Landkarte in meinem Kopf hat eine weitere Station bekommen. Stichwort: fabelhaft.

Eine ausführliche und schonungslose Restaurantkritik zum neuesten Luxusrestaurant in Wien.

Grinzing wird weiter neu erfunden. Nach dem Melrose hat in der gleichen Straße ein weiteres Luxusrestaurant eröffnet. Dass dieses hier sich als „Wirtshaus“ bezeichnet ist der Witz des Jahrhunderts, eine unnötige Untertreibung, die schon ausführlich in den Sozialen Medien diskutiert wurde. Um also vorab alle Zweifel zu zerstreuen: Das Amador ist ein Luxusrestaurant auf höchsten Niveau mit entsprechenden Preisen.

Die angeschlossene Greißlerei bietet Einkaufsmöglichkeiten für allerlei Köstliches samt Zutaten, falls sich jemand am Nachkochen versuchen mag. Kein Witz. Außerdem kann man im ersten Raum an einer langen Tafel auch aus dem exzellent bestückten Keller des von Fritz Wieninger übernommenen Weinguts Hajszan-Neumann mit über 2000 Positionen verkosten und in Heurigenatmosphäre, später dann auch im Innenhofgarten à la carte Folgendes essen:

Speisekarte Greißlerei Amador - kekinwien.at

Speisekarte Greißlerei Amador – kekinwien.at

 

Aber hier geht es um das Restaurant aka Wirtshaus.

Der ehemalige Sektkeller des Weinguts wurde adaptiert. Eine heilige Halle des Genusses mit einem Tonnengewölbe aus rohen Ziegeln und einem Blick auf gefüllte Weinfässer am Kopf des langgestreckten Raumes versprechen demjenigen einen  Auftritt, der auf dem Holzsteg in der Mitte bis zu den hintersten Tischen durchgehen muss. Es sind lediglich zehn riesige runde Tafeln (ideal für je fünf Personen) mit bodenlanger weißer Tischwäsche, die man schon ab und an unter dem Tisch sortieren muss, will man aufstehen. Ein intimes Diner zu Zweit ist ebenso möglich wie eine große Runde. Aber Vorsicht: Obwohl die Tische großzügig sehr weit auseinander stehen, würde ich trotzdem keine pikanten Geheimnisse austauschen. Der Raum ist zwar klug durch den Kamin und diverse Sevicestationen unterteilt, aber dem Schall ist das egal.

Die Codes des Luxus

 

Insiede Amador, Foto (c) Amador's Wirtshaus & Greißlerei auf fb

Insiede Amador, Foto (c) Amador’s Wirtshaus & Greißlerei auf fb

 

 

Die weißen, bequemen Drehstühle haben durchaus Witz und stehen blumig auf roten Designerteppichen: Juan de la Cruz Amador Perez halt. Die Luster sagen „Design!“, sind aber nicht mehr ganz neu im Style und so wie alles beim Interieur nicht wirklich mutig. Macht aber nichts, man arbeitet eben mit vertrauten Codes und so fühlt man sich nach ein paar Minuten richtig wohl in diesem Gourmettempel.

Die Möglichkeit zur echten Entspannung wird auch von der jungen, kompetenten Servicemannschaft gewährleistet. Sie sind da, wenn man sie braucht, aber nerven nie. Viele sind aus Mannheim, dem langjährigen Wirkort des Drei-Sterne-Michelin-Kochs mitgekommen und das war eine wahrlich gute Idee. Diese Menschen scheinen einander zu mögen und das, was sie tun. Nach einer Woche open house ist man perfekt eingespielt, war man vermutlich schon am ersten Tag. Großes Kompliment! Dass das Wiener Publikum nicht immer einfach zu nehmen oder auch zu ertragen ist, werden diese netten Menschen hoffentlich nie erfahren müssen.

Die Musik spielt auf den Tellern.

 

Die Menükarte von Amador's Wirtshaus & Greißlerei, März 2016

Die Menükarte von Amador’s Wirtshaus & Greißlerei, März 2016

 

Ganz daneben fand ich die Musik. Als ich gegen 19.00 Uhr an einem Donnerstag das Geschehen betrat, musste ich Jamie Cullum ertragen. Willkommen im Kaufhausfahrstuhl … dann folgte die hoch verehrte Nina Simone. Gewollte Kontraste? Wer programmiert eigentlich die Musik in solchen Restaurants? Später, als alle Gäste des Abends anwesend waren, gab die Anlage nicht mehr her als ein paar verlorene Beats, das glückliche Geplauder der Gäste ließ  bloß eine Art Soundmüll ans Ohr. Muss man überall beim Essen beschallt werden?

Zum Luxus in der High End Gastronomie gehören die versiegelte Speisekarte, Besteck, das nicht nur optisch erfreut, sondern auch gut in der Hand liegt, eine sehr schöne Glaskultur (die man zuhause ebenfalls genießen kann, kauft man vorne in der Greißlerei ein, www.schwarzmuellerglas.de), schönes, auf jedes Gericht abgestimmtes Porzellan bzw. Material, das warme Handtuch bei Tisch um für den Gruß aus der Küche gewappnet zu sein, der als Fingerfood gereicht wird.

Die Menükarte von Amador's Wirtshaus & Greißlerei, März 2016

Amuse-Gueules – kekinwien.at

Hahnenkamm und Beef Tatar - kekinwien.at

Hahnenkamm und Beef Tatar – kekinwien.at

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Jedes einzelne der vier Amuse-Gueules wird seiner Bezeichnung gerecht.

  • Ein Süppchen vom Schinken im Glas lässt einen gleich mit Paukenschlag starten. Unglaublich intenstiv. Besser also beginnen mit dem
  • Wachtelei: aufgespießt und knusprig ummantelt, kernweich und kross umschmeichelt es die Geschmacksnerven.
  • Einen Hahnenkamm habe ich noch nie gegessen. Daraus hat man früher die Hyaluronsäure für Gesichtscremen gewonnen, ich sag’s nur. Schmeckt wie scharf angebratene Hühnerhaut und ist wohl als Hommage ans Paprikahenderl zu verstehen. Lustig, muss ich aber nicht jeden Tag haben.
  • Das dafür gerne täglich: Beef Tatar. Ein Mund voll bestes Fleisch gekrönt mit einer Perle vom Sojagel und einer mit Ingwer.Oh ja!

Zu diesem Zeitpunkt hat man sich schon zwischen einem der beiden Menüs entschieden: „Die Zauberflöte“ oder „Fidelio“. Und jetzt muss ich mich noch einmal beschweren: Man ist gezwungen zischen fantastisch und fabelhaft zu wählen! Gemein. In jeder Speisenfolge sind berühmte Klassiker aus Amadors Küche zu finden. Die Mieral Taube. Das Schweinskotelette. Und wenn man glaubt, man kommt aus diesem Entscheidungsnotstand heraus, indem die eine das eine und der andere das andere Menü bestellt, irrt man gewaltig. Niemand will diese Kunstwerke teilen! Die Karte wechselt mit den Saisonen. Das Schwein wird bald einem Lamm weichen. Und die Taube fliegt immer wieder vorbei und findet sich in der Speisenfolge wieder. Gottseidank.

Amador verneigt sich vor Wien.

 

Geeister Gemischter Satz, Royal Caviar, Haselnussmilch, Malzbrot. Amador. Foto (c) Claudia Busser - kekinwien.at

Geeister Gemischter Satz, Royal Caviar, Haselnussmilch, Malzbrot. Amador. Foto (c) Claudia Busser – kekinwien.at

Kaisergranat, Kalbskopf, Spargel, Sauce Gribiche. Amador. Foto (c) Claudia Busser - kekinwien.at

Kaisergranat, Kalbskopf, Spargel, Sauce Gribiche. Amador. Foto (c) Claudia Busser – kekinwien.at

Mieral Taube, Mango, Cocos, Purple Curry. Amador. Foto (c) Claudia Busser - kekinwien.at

Mieral Taube, Mango, Cocos, Purple Curry. Amador. Foto (c) Claudia Busser – kekinwien.at

 

Wer schon das Vergnügen hatte beim dekorierten Kochkünstler zu speisen, wird sich also über Vertrautes freuen. Was heimische Gewässer und Traditionen zu bieten haben, fließt harmonisch ein: Alpenlachs, Käse aus Österreich, Wiener Melange beim Dessert.

Was zeichnet die Gerichte Amadors aus?

Zweifelsohne großes handwerkliches Können gepaart mit gewaltiger Innovationskraft: Tradition trifft Molekuarküche. Die Zahl ist Vier: Herzbries, Jakobsmuschel, Petersilie, Pastinake. Bris und Muschel im Sud, ähnlich bissfest, voller Eigengeschmack. Die Pastinaken hauchdünn dazwischen, die Petersilie als grüne Decke auch obenauf, zart und deutlich zugleich. Himmlisch.

Herzbries, Jakobsmuschel, Petersilie, Pastinake. 1. Foto (c) Claudia Busser - kekinwien.at

Herzbries, Jakobsmuschel, Petersilie, Pastinake. 1. Foto (c) Claudia Busser – kekinwien.at

Herzbries, Jakobsmuschel, Petersilie, Pastinake. 2. Foto (c) Claudia Busser - kekinwien.at

Herzbries, Jakobsmuschel, Petersilie, Pastinake. 2. Foto (c) Claudia Busser – kekinwien.at

 

Oder: Kabeljau, Melanzani, Lustenauer Senf, Herzmuscheln. Der Kabeljau so, dass man ihn liebt, obwohl man ihn sonst nicht sehr schätzt, die Melanzane trägt alles und der Senf, der sich so unglaublich gelesen hat auf der Karte, perfektioniert den Jus. Überhaupt die Saucen und Schäume. Himmlich habe ich schon gesagt, oder?

Wahrhaft gelungen auch die Dramaturgie im Menü, ein perfekter Spannungsbogen. Beim Käse würde ich allerdings Blauschimmel und Zotterschokoladiges umreihen, Zotter war beim Käse eindeutig der Höhepunkt für uns.

Fulminantes Finale bei Amador

 

Zartbitter, Salzkaramell, Wiener Melange, Original Beans Schololade und im Hintergrund Brick in The Wall, Rote Rüben, Himbeere, Tonka Bohne.

Zartbitter, Salzkaramell, Wiener Melange, Original Beans Schokolade und im Hintergrund Brick in The Wall, Rote Rüben, Himbeere, Tonka Bohne.

 

Danach die Desserts überzeugen restlos. Ich will niemand zu nahe treten, aber das hat bei mir in Wien noch keiner geschafft, dass er bei den Süßspeisen halten konnte, was er davor versprochen hatte. Die Petits Fours sind dann noch ein weiteres Sahnehäubchen auf dem ungetrübten Glück: Wer noch nie die Eispraline hatte, wird sagen, so etwas Gutes habe ich noch nie gegessen. Es gibt Wiener Zuckerl ein Mal mit Gurke und Dill innen drinnen und ein Mal mit Wasabi. Ich bin nur so dahin geschmolzen. Das lag insgesamt vielleicht auch an der exquisiten Schokolade aus dem Hause Original Beans, die hier verarbeitet wird. Sogar die Tafel mit getrockneter Hühnerhaut kann mehr als ein Gag.

Die begleitende Weinmenü ist eine Möglichkeit, aber der Blick in die würdige Weinkarte mit über 2000 auch internationalen Positionen zahlt sich aus.

Fazit: Sternenhimmel über Grinzing. Traumhaft.

Petits Fours. Phantastisch. Amador. Foto (c) Claudia Busser - kekinwien.at

Petits Fours. Phantastisch. Amador. Foto (c) Claudia Busser – kekinwien.at

 

 

Amador’s Wirtshaus & Greißlerei
Grinzingerstraße 86, 1190Wien
Tel.: 0660 9070500
E-mail: reservation@amadors-wirtshaus.com
web: www.amadors-wirtshaus.com
fb: www.facebook.com/amadors.wirtshaus

Öffnungszeiten des Restaurants: Mi bis Sa 18.00 – 24.00, So 11.30 -18.00 Uhr
Öffnungszeiten Greißlerei: Di bis Sa 10.00 – 22.00 Uhr, So 10.00 –  18.00 Uhr

großer Garten, Kamin, Nichtraucherlokal, Einkaufsmöglichkeit.
Preise: Menü mit 6 Gängen um Euro 125,-  /  Menü ohne den Käsegang um Euro 105,- inklusive jeweils vier Amuse-Gueules und je vier Petits Fours. Auf Anfrage vier Gänge um Euro 85,-.

Chefkoch: Sören Herzig
Gastgeber, Koch und Pächter: Juan Amador
Mitpächter: Gebhard Schachermayer
Besitzer: Fritz Wieninger

rating_5sterne

Dein Kommentar

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2 comments

  1. Hund

    Wir haben vorgestern genau diese speisen genossen,
    Es ist wahnsinnig toll in geschmack und optik

    • club

      Freut mich, dass sie es auch so erlebt haben.

      Wir planen insgeheim schon unseren nächsten Besuch …