Am 11.12.2015 hat nach Tel Aviv und Paris nun auch in Wien ein Imbiss mit Take Away an einer sehr prominenten Adresse gleich hinter dem Stephansdom aufgesperrt: das Miznon Vienna.

In der Schulerstraße 4 war früher das Dombeisl, dessen plötzliches Verschwinden manch einen traurig stimmen mag. Das Nachfolgerlokal ist hingegen alles andere als unlustig: hier geht’s nämlich richtig rund!

Aus den Lautsprechern plärrt die Musik so laut, dass man sich nur im hinteren Teil des langgestreckten Lokals unangestrengt unterhalten kann. Manchmal, wenn die Dezibelanzahl abzusinken droht, wird auch mitgeklatscht von den Köchen. Diese akustische Barriere kann abschrecken. Und bei meinem ersten Versuch hat meine Begleitung auch gleich beim Eingang verweigert: Voll und laut war ihm einfach zu viel.

Miznon Foto Andrea Pickl kekinwien

Miznon Foto Andrea Pickl kekinwien

Multikulti und generationsübergreifend: Miznon

Voll ist es hier nämlich immer seit dem ersten Tag und zu jeder Tageszeit: Familien mit Kindern, einsame Esser, Freundinnen, Paare, Freunde des Hauses, Touristen, Gruppen jeglicher Zusammensetzung, was Alter und Herkunft betrifft. Ein lukullischer Melting Pot. Wien ist wohl nur in der Uno City internationaler aufgestellt als hier.

Ist man ein Mal ein paar Minuten im Lokal, gewöhnt man sich an den Lautstärkepegel und das Tempo und entspannt sich so die die anderen, die schon länger da sind. Man kann sich dann darum kümmern, wie man zu Essen und Getränken kommt, weil hier gilt: Selbstbedienung. Es ist auch ganz gut, wenn man Englisch kann und schon einmal bei Starbucks war.

 

Die ganze Speisekarte des Miznon Vienna, Foto (c) Claudia Busser - kekinwien.at

Die ganze Speisekarte des Miznon Vienna, Foto (c) Claudia Busser – kekinwien.at

 

Die Speisekarte (in Deutsch oder englisch) steht auf einem Papiersackerl, bestellt und bezahlt wird bei einer netten jungen Dame an der Kassa in der Mitte der Theke. Ihr verrät man (s)einen Namen: „Wie möchtst du heute heißen?“ ist ihre ernst gemeinte Frage. Johanna, Paul, Fritz the Cat. „Ich heiße Franz. Das ist mein richtige Name. Aber beim nächsten Mal bin ich vorbereitet!“ meint ein Gast schmunzelnd. „James Bond“ wäre gut scherzt Pia, ich bin mehr für „Godot“ bei unserem dritten Besuch. Oder vielleicht „Stoascheißer Koarl“?
Ich bin ja seit meinem zweiten sehr gelungenen Anlauf im Miznon die Miriam …

 

Überfahrene Kartoffel mit Sauerrahm im Miznon, Foto (c) Claudia Busser- kekinwien.at

Überfahrene Kartoffel mit Sauerrahm im Miznon, Foto (c) Claudia Busser- kekinwien.at

 


Miznon (das Z wird weich ausgesprochen) heißt Kantine.

Miznon bedeutet laut einer Mitarbeiterin vor Ort: „Ein Ort, wo man sich trifft, wo man zusammenkommt“. Das Essen hier ist auf alle Fälle ein Grund, um das zu tun.

Hat man sich also an Lautstärke und Tempo gewöhnt, kann man sich im hinteren Teil des Lokals gemütlich oder vorne an der Bar mit viel  Action der Speisekarte widmen. Ich versuche ja immer überall an der Bar zu sitzen, was hier besonders vergnüglich ist. Hinten kocht und dampft der Brokkoli in einem riesigen Topf, die Karfiolköpfe sind schon vorgeschmort und warten gebräunt auf Wandregalen auf ihren nächsten Aufenthalt im Backrohr, bevor sie im Ganzen mit Olivenöl in zwei Butterpapiere gehüllt serviert zu werden. Das Besteck und die Servietten gibt es am kostenlosen Vorspeisenbuffet gleich beim Eingang. Die Getränke sind im Kühlschrank, das Heineken wird frisch gezapft.

Karfiol liegt im Trend. Wer hätte das gedacht?

Im riesigen Heißluftherd werden fast ununterbrochen die besten Pitabrote der Stadt aufgebacken, ein Import aus Israel, wie man hört. In kleinen Pfannen schmort das Ratatouille, unentwegt putzt jemand Karotten oder Brokkoli, schneidet Tomaten und die im Ganzen wie Essiggurkerl eingelegte Salatgurken (!) in Scheiben und schnetzelt Zwiebel. Ein Beikoch schält heiße Kartoffel oder stampft sie mit Schale ganz flach zwischen zwei Butterpapieren auf einer Aluplatte (Überfahrene Kartoffeln mit Sauerrahm und Dill) und ganz hinten auf der heißen Platte werden die Minutensteaks aus dünn geschnittenen, herrlichen großzügig mit Olivenöl beträufeltem Rindfleisch, die Burger und die kleinen, mit Zimt (?) und Kräutern wunderbar gewürzten Lammfleischlaibchen gebraten.

"Spinat zum Dahinschmelzen", Miznon Vienna, Foto (c) Claudia Busser - kekinwien.at

„Spinat zum Dahinschmelzen“, Miznon Vienna, Foto (c) Claudia Busser – kekinwien.at

Der Chefkoch, bei dem alle Bestellungen und die Fertigstellung jedes einzelnen Speise zusammenlaufen, richtet an: Fünf Lammlaibchen in ein Pitabrot, zuerst die Saucen, wenige flinke Hangriffe, fertig, noch ein Blick auf den Bon, „Miriam!“ brüllte er.

Wie viele Kartons, Teller und Pitas er während seines Arbeitstages fertigt, mag man sich gar nicht überlegen. Das ist der stressigste Arbeitsplatz,den ich je erlebt habe. Wir  stellen uns vor, dass man wohl schon schläft, bevor man noch das Bettlaken berührt, wenn man am Ende des Tages müde ins Bett fällt. Chapeau!

Miznon Foto Andrea Pickl kekinwien

Miznon Foto Andrea Pickl kekinwien

Was man bei uns in der Politik so oft hört und nicht sieht, wird in dieser Küche gelebt: Transparenz.
Klar hat man nach ein paar Besuchen das Gefühl, dass die Küche hier sehr einfach ist, und dass man alles locker nachkochen könnte. Einfach stimmt. Nachkochen wohl kaum. Man würde schon an der Beschaffung der Zutaten scheitern. Das herrliche Brot! Und wie macht man die Saucen? Woher stammen die geschmacklich nennenswerten großen Kartoffel und die wohlschmeckenden Tomaten im Winter?

Chicken Spachtel im Miznon, Foto (c) Claudia Busser - kekinwien.at

Chicken Spachtel im Miznon, Foto (c) Claudia Busser – kekinwien.at

 


Im Miznon gibt es Street Food, aber indoor.

Ein Pitabrot macht satt, egal ob vegetarisch oder fleischlich gefüllt. Das ist hier übrigens kein Thema: Vegan, bio oder was weiß ich was. Die Speisekarte ist so, dass jeder weiß, was er essen kann und will, und was eben nicht

Die Pitas gibt’s auch ohne Brot auf dem Teller und in kleine Portionen („Scherzerl“). Die kleinen Reststücke der Fladen kann man gratis zu Saucen und Gemüse am Vorspeisenbuffet essen währen man wartet. Obwohl rasant gekocht wird, dauert es naturgemäß ein paar Minuten bis man aufgerufen wird.

Oft fällt die Bezeichnung Street Food für die frische, köstliche Küche des Miznon. Es stimmt schon, die meisten der Gerichte kann man mit den Fingern essen und in der Hand halten. Ich bin gespannt, ob es im Sommer einen durchreiche auf die Gasse geben wird …

typisch Miznon, Foto (c) Andrea Pickl - kekinwien.at

typisch Miznon, Foto (c) Andrea Pickl – kekinwien.at

Wer kann, probiert das Dessert: Tatami, eine Tiramisu – Variation mit Butterkeksen statt Biskotten. Hat gut ausgesehen, aber das haben wir beim besten Willen nicht mehr geschafft.

Wenn man zufrieden und angenehm gesättigt das Lokal verlässt, ist man fast ein wenig traurig, dass Wien so leise und langsam ist manchmal.
Apropos Stille: Für eine ruhige Mittagspause kann man sein Essen (im Warmhaltepapiersackerl) auch mitnehmen.

Miznon, Foto (c) Claudia Busser - kekinwien.at

Miznon, Foto (c) Claudia Busser – kekinwien.at

 

Miznon Vienna

Schulerstraße 4, 1010 Wien
Tel.: 01 / 512 03 02
fb: www.facebook.com/miznonvienna/

Öffnungszeiten: Mo bis So 12.00 – 23.00 Uhr
keine Reservierung möglich, Take Away, Selbstbedienung, gratis Vorspeisenbuffet für Gäste
Inhaber: Eyal Shani

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