Vom Leben in fremden Städten bekommt man am schnellsten einen Eindruck, wenn man auf deren Märkte geht. Diese sind aber nicht allen Stadtplänen so wichtig, dass sie eingezeichnet werden. Oft stehe ich auf der Straße, so nahe wie ich mit Hilfe des Reiseführers heran finde an das Ziel meiner Wünsche, und es bleibt nur mehr die Einheimischen zu fragen:‘Wo finde ich den Markt?’
Das bewirkt meist ratloses Staunen, ich werde auf den nächsten Supermarkt oder die ‘Mall’ verwiesen, manchmal sogar auf die Börsen. Die Markthallen, Wochenmärkte, ‘food-markets’, ‘farmers markets’ kennen meist nur diejenigen, die sie selbst besuchen. Und das werden, wie es scheint, immer weniger.
Der Markt ist in der Krise. So wie der Markt als Begriff im wirtschaftlichen Gebrauch. Beide haben denselben Ursprung, der zentrale Platz im Dorf als Marktplatz, aus dem sich Marktrecht wie Stadtrecht entwickelte. Das geht weiter bis zum heutigen Kapitalmarkt, Marktwirtschaft, marketing usw.
Denkt man, wenn man über den Markt (wirtschaftlich) liest, den ursprünglichen Marktplatz mit, so erweitert das durchaus den Blick.
So schreibt Armin Thurnher im Falter: „… Märkte sind überhaupt dabei sich abzuschaffen. Oder sie haben sich längst abgeschafft, indem sie sich dem einzigen Markt unterwerfen, den wir noch kennen, dem Finanzmarkt. … Scheinbar mehr Markt denn je, aber immer weniger Markt. Scheinbar mehr Öffentlichkeit denn je, aber immer weniger Öffentlichkeit. … Demokratien, denen an Ihrer Selbsterhaltung etwas liegt, werden alles tun müssen um den Markt zu rekonstruieren. Diese Rekonstruktion wird nicht gelingen, ohne eine andere Rekonstruktion, die der Öffentlichkeit. … Es sind nicht die Märkte, es sind die Spekulanten, die den Märkten ein Ende machen.“Gerät das ursprüngliche Markttreiben aus der Balance, wird nicht das angeboten, was nachgefragt wird. Kommen weniger Einkäufer, weniger Händler, schnell ist der Markt am Ende. Ich denke, es suchen längst viele Marktbesucher ein zeitgemäßeres Angebot, aber die heutigen Verkäufer sind oft mehr Spekulanten mit knallhartem kurzfristigen Profitinteresse.
Das Besondere am Markt im Vergleicht zum Geschäft war immer saisonale Ware. Die kann dann auch günstiger angeboten werden. Früher ging man auf den Markt, um besonders Billiges zu finden. Das gelingt heute nur mehr, wenn man auf bestimmten Märkten, in großen Mengen kauft.
Über scheinbar exotisches Marktangebot staunen heute nur mehr ahnungslosen Touristen, die sich gerne Unsinn aufschwatzen lassen, um dann bestätigt zu wissen, wie schön das sichere Zuhause mit dem immer gleichen Supermarkt ist. Trotzdem – oder deshalb – steht der Einkauf von Lebensmitteln ganz oben bei den unbeliebtesten Haushaltstätigkeiten. Ich kaufe fast alle Nahrungsmittel auf Märkten, und das ist eine meiner liebsten Beschäftigungen. Notwendigkeit und Vergnügen fallen auf’s Angenehmste zusammen.
Der geübte Marktbesucher fragt heute nach regionalen Produkten. Am liebsten direkt vom Hersteller, dem man vertraut, dass dieser seine Waren nach bestem Wissen und Gewissen produziert. Für Qualität zahlt man gerne etwas mehr, zurecht, denn man hat auch mehr davon.
Märkte, die in Wien gut funktionieren sind z.B. die Wochenmärkte am Karmeliter- und am Yppenplatz. Die Vielfalt des Angebots steht dort im Gegensatz zu einem ziemlich einheitlichen Publikum. Auf dem Yppenmarkt mischt es sich noch mit den vor allem türkisch-balkanischen Zuwanderern, die die Stände am direkt anschließenden Brunnenmarkt betreiben und besuchen.
Im besten Fall wäre ein Marktplatz, mehr noch als die anderen Plätze einer Stadt, belebt von möglichst unterschiedlichen Menschen. Dazu könnte man jetzt unendlich viele Zitate von Richard Sennett anführen – oder noch einmal Armin Thurnher lesen. Marktfahrer und Einkaufende verstehen derzeit scheinbar dann am besten, was sie aneinander haben, wenn ihre Lebenseinstellung eine ähnliche ist.
Die richtige Vielfalt mit dem echten ‚Marktgewurl‘, gibt’s die noch wo?
Unsere Welt ist zwar globalisiert, aber wie oft wird es hier schlechter, wird es dort besser. In Istanbul entdeckt man in den letzten Jahren erstmals den Wert ökologischer Produkte, und die ersten Ökomärkte florieren.
So wie die 68er- Bewegung in Kalifornien begann, entstand dort auch ein neues Bewusstsein für gesunde Ernährung. Heute gibt es in Kalifornien über 700 ‘farmers markets’.
Gerade als es bei uns nicht mehr üblich war auf dem Markt einzukaufen, in den Nachkriegsjahren, in denen sich hier die aus Amerika kommenden Supermärkten ausbreiteten, begann die Österreichische Biobewegung. Eine neue Marktkultur kam in den 1990ern mit der nächsten Naturkostwelle.
Auf dem Markt einen Überblick über die Preise zu behalten ist nicht einfach. Böse, wenn man sich am Ende des Einkaufs wundert, wofür man eigentlich so viel ausgegeben hat. Qualität, ob biologisch zertifiziert oder nicht, korreliert nur in geringem Maß mit dem, was für die Wahre verlangt wird. Viel ausschlaggebender ist der Ort und das Ambiente für ein ‘gehobenes Einkaufserlebnis’.
Aber wer will nicht sparen, nach Möglichkeit am richtigen Platz? Ob nach den Ausgaben für’s Weihnachtsmenü (die kleine Bio-Gans für Euro 100,00?) oder, weil die Krise über einen hereingebrochen ist. Sich schlecht zu ernähren soll daraus aber nicht folgen, denn das hat noch schlechtere Folgen.
Ich werde in den nächsten Wochen bei meinen Marktbesuchen versuchen die Preise von dem zu notieren, was gerade Saison hat.
Und ich gebe ‘Auf dem Markt im Februar’ die Ergebnisse hier wieder.