Who am I
Babylonische Sprachverwirrung beim Obst!
Aber jetzt kommt gleich Licht in die verwirrende Welt um Kriecherln, Zwetschken und Co.
auf den Markt im Sommer …
Wer Früchte sagt, kennt nur die Pflaume und nicht die Welt abseits des Supermarkts?
Wer Obst sagt, unterscheidet Pflaumen und Zwetschken?
Wer spazieren geht und sich in Wildgärten herumtreibt, der weiß etwas von Kriecherl?
Wer auf den Markt geht oder einen Garten hat, dem sind vielleicht auch Kirschpflaumen, Mirabellen und Ringlotten bekannt?
Jetzt im Hochsommer stechen alle mit ihren leuchtenden Früchten ins Auge!

Zwetschken, auf dem Markt im Sommer, Babylon, Bild (c) Mischa Reska – kekinwien.at
Pflaumen, Zwetschken, Kriecherl, Mirabellen und Ringlotten sind Steinfrüchte wie auch Kirschen, Marillen und Pfirsiche. Erstere vereint die Zugehörigkeit zur Gattung Prunus. Die einzelnen Mitglieder genau auseinander zu halten, ist gar nicht so leicht. Vielleicht ist schon jemand darüber gestolpert?
Exaktes Botanisches Fachwissen hilft nicht viel, denn es gibt keine einheitlich gültige Systematik. Es scheint sich niemand die Mühe gemacht zu haben. Vielleicht ist es aber wirklich unüberschaubar, denn bei Prunus wird von 2000 verschiedenen Arten gesprochen, bei den Zuchtformen Prunus domestica von immerhin 200.
Bei der Zucht ist es meist interessant größere und süßere Früchte auf regelmäßig und reich tragenden Bäumen reifen zu lassen. Manchmal wird nur mehr daran gedacht, dass sie beim Transport und der ‘zur Schau Stellung’ im Supermarkt lange unverändert aussehen.
Die Wildformen bleiben zur Verarbeitung zu besonders geschmackvollen Marmeladen, Kompotten … und nicht zuletzt fruchtigem Schnaps die bessere Wahl.

gelbe Zwetschken, Bild (c) Mischa Reska – kekinwien.at
In Österreich gedeiht, verglichen mit anderen Ländern in Europa, durch die klimatisch unterschiedlichen Lagen zwischen Ost und West, Nord und Süd eine besonders große Vielfalt an Prunus. Die Übersetzung aus anderen Sprachen – Prunier, Quetsche, Damson, Susine… und unsere Dialekte, aber vor allem unser Deutsches Nachbarland machen das Unterscheiden und damit Wissen um die jeweilige Frucht nicht leichter.
Man kann sich aber schon einen Hausverstands-Überblick verschaffen.
Die Farbe hilft einem wenig weiter, besser aber man beginnt mit der Form.
Alles was länglich ist, ist eine Zwetschke (auch Zwetschge) – die ist meist außen blau mit einem weißen Belag, den man abwischen kann. Dieser weist darauf hin, dass die Früchte frisch vom Baum kommen. Aber aufgepasst! Es gibt auch ganz köstliche sogenannte Hauszwetschken in länglicher Form und mit gelber Haut! Das Fruchtfleisch der Zwetschke ist immer gelb bis orangefarben. Ob sie süß ist, hängt nicht von ihrer Größe ab, dabei glauben die einen die größeren… die anderen die kleineren …
Ob der Begriff Hauszwetschke in Abgrenzung zu Wildformen verwendet wird, ist nicht ganz eindeutig, wäre aber vielleicht sinnvoll.

Mirabellen und Ringlotten (im Hintergrund), auf dem Markt im Sommer, Bild (c) Mischa Reska – kekinwien.at
Die Mirabelle und die Ringlotte werden hauptsächlich in Frankreich kultiviert und sind deshalb in Vorarlberg besser bekannt als im Osten. Oft werden sie versehentlich in ‘den selben Topf geworfen’. Es ist aber nicht die gleichen Frucht.
Beide sind rund, die Ringlotte ist meist etwas größer mit grüngelber Haut. Es wurden aber auch gelbe und rote Früchte gezüchtet. Sie sind sehr süß und arm an Säure.
Am meisten Aufsehen wird um die Mirabelle gemacht. Sie ist – soweit ich weiß – immer gelb und hat charakteristische ‘rote Backerl’, die an Sommersprossen erinnern. Gourmets nennen die Mirabelle die edelste Steinfrucht, sie sei im Geschmack unvergleichlich. Für mich schmeckt sie – von der Hand in den Mund – wie ein Luxus-Kriecherl. In der Küche ist meinem Dafürhalten nach die Zwetschke unter den Prunus unübertroffen die Königin.

Pflaumen, Bild (c) Mischa Reska – kekinwien.at
Pflaumen sind immer rund – sind gelb, rot oder blau. Meist werden recht große Exemplare gezüchtet, die lang halten. Diese sind saftig und süß schmecken aber wenig charakteristisch.
Aus Italienischen Gärten und von Märkten kenne ich ausgesprochen geschmackvolle kleinere Arten – oder sind das eher italienische Kriecherl?
Nicht unbedingt zur Identifizierung hilft der Hinweis, dass sich das Fleisch der Pflaume schwer vom Kern löst und er im Verhältnis zur Frucht klein ist, denn zumindest ersteres gilt auch für Kriecherl.
Pflaumen eignen sich in der Küche nur zum Einkochen, da das Fruchtfleisch zerfällt und nicht fest bleibt wie das der Zwetschke, zudem haben sie kaum Säure. Die riesigen Supermarkt Pflaumen isst man am besten, wenn man nicht an ihnen vorbeigehen kann, wie sie ‘daher kommen’ – genießt, dass man in eine große Masse beißen kann, die nicht weiter anspruchsvoll ist.
Auf dem Markt jedoch kann man im Sommer sehr gute alte Pflaumen Sorten finden.

Kriecherl, Bild (c) Mischa Reska – kekinwien.at
Kriecherl – eine kleine Wildform der Prunus, reihen sich unter die 2000 verschiedenen Arten ein.
Zuchtformen der Steinfrüchte kann man nicht einfach dadurch vermehren, dass man den Kern in den Boden steckt. Das funktioniert nur mit wilden Prunus. Von wilden Prunus Bäumen mit gelben, orangen und roten Früchten habe ich Kerne in meinem Garten in die Erde gesteckt. Es sind schon einige aufgegangen, allerdings immer an den ‘falschen’ Stellen!?
Im Garten bezeichnet man die Eigenschaft, dass man Früchte aus Kernen vermehren kann, als Kerngeher. In der Küche bedeutet Kerngeher, dass sich das Fruchtfleisch leicht vom Kern löst. Dass das Kriecherlfleisch um den Kern so fest ist, erleichtert die sich lohnende Verarbeitung nicht, zum Rohgenuss sind sie leider oft zu sauer.

Zwetschken, Bild (c) Mischa Reska – kekinwien.at
Im Waldviertel liebt man eine spezielle gelbe Art und lässt nur diese als echte Kriecherl gelten.
In der Steiermark wird ein blaues Kriecherl traditionell zum Schnapsbrennen verwendet – ob das nicht doch etwas länglich wie eine wilde Zwetschke ist?
Und der gelbe runde Spilling: Wo genau kommt der jetzt her und wo gehört er hin?
Heuer ist, wie viele sagen, ein schlechtes Kriacherl Jahr, nachdem die meisten Bäume im letzten Jahr überreich getragen haben. Das liegt vielleicht weniger daran, dass, wie bei den Wachauer Marillen, die Blüten diesen Frühling abgefroren sind. Bei Wildformen wechseln sich immer reich tragende Jahre mit schwachen ab. Ganz fallen sie aber nicht aus, es gibt schon Kriecherl auf den Märkten, im Supermarkt wird man die wilden Früchte sowieso nie finden.

Kirschpflaume, Innenansicht, Bild (c) Mischa Reska – kekinwien.at
Später als das Kriecherl reift die innen und außen rote Kirschpflaume: Sie ist ein spezieller Hybrid (sich nicht vermehrend) aus Kirschpflaume und Schlehdorn, liest man u.a. in Wikipedia. Man soll sie nicht mit dem bayerisch Kriacherl (!) verwechseln. Die Kirschpflaume wird auch grün geerntet. Die unreife Früchte werden auf türkischen Märkten und u.a. am Wiener Brunnen- und Hannover-Markt als Can Erik vermarktet.
Anderswo erfährt man, dass das bayrische Kriacherl etwas Besonderes ist, das man nicht mit dem ‚gemeinen‘ Kriecherl gleichsetzen darf.
In Salzburg sagt man zu allem, was keine Zwetschke ist, Kriecherl und ist der Meinung, die Deutschen sagen zu allem Pflaume, was keine Marille – äh, Aprikose – ist.
Babylonische Sprachverwirrung?
Aber wunderbar, dass die Natur so unüberschaubar viele Früchte – Obst (!) – hervorbringt.

Pflaumen, auf dem Markt im Sommer, Bild (c) Mischa Reska – kekinwien.at