UPDATE 2022:
Das Lokal hat seinen Standort leider aufgegeben.
Aber es ist nicht aller Tage Abend …
Kontakt: www.noblesavage.at
Noble Savage
Edel und wild zugleich – kein schlechter Plan!
Im Nachfolger des von uns hochgeschätzten Reisinger’s im 1. Bezirk, beinahe benachbart zur Dino’s Apothecary Bar wird sehr spannend und mit viel Hingabe gekocht. Wir waren essen …
Es war einmal und es war einmal schön
Adelheid Reisinger in der Küche und Michael Vesely vorwiegend im Service haben viel für Wien getan! Im Winter 2019 zogen sie sich in den wohlverdienten (Un-) Ruhestand zurück. Viele Jahre lang versorgten sie hungrige Menschen im Viertel hinter der Börse mittags (und zu Beginn auch abends) mit herrlichen Gerichten, die nicht nur satt, sondern auch zufrieden und glücklich machten. Niemals ruhten sie sich auf ihren Lorbeeren aus, sondern blieben neugierig und experimentierfreudig.
So brachten sie zum Beispiel die mit Abstand köstlichsten Fish & Chips und ebenso das beste Pastrami Sandwich der Stadt auf die Welt – letzteres war unserer Ansicht nach wesentlich am Wiener Pastrami Hype 2015 beteiligt. Danke für alles und ja, wir werden das Reisinger’s, sowohl den Ort, als auch den kulinarischer Trendsetter, vermissen.
Wer soll in diese großen Fußstapfen treten?
Wem übergibt man sein „Baby“? Soll oder wird der Nachfolger das bisherige Konzept weiterführen? Schwierig.
Anfang Dezember 2019 fand die Wiedereröffnung statt.
Es gibt nach wie vor 24 Sitzplätze und die Öffnungszeiten wechselten von mittags auf abends. Die Struktur mit offener Küche und den – sehr empfehlenswerten – Plätzen an der Theke, die klug gesetzten Spiegel, die kleinen, hellen Holztischen im Einraumlokal blieben erhalten. Eine „urwaldwilde“ Wandtapete und hübsche Dekoelemente veränderten den Charakter durchaus angenehm, ohne dass die Gemütlichkeit verloren ging.
Wer der Neue ist und was er will
Die website des Noble Savage gibt Auskunft über den neuen Betreiber Igor Kuznetsov und sein Team. Moment, diesen Chef kennen wir doch. Ich sage nur: Karma Ramen!
Kuznetsov ist ein hoch ausgebildeter Autodidakt, wenn man so will. Zu erwarten sind in Zukunft sicher auch Innereien und Fleischstücke abseits vom Filet also Mainstream. So hat er spontan für meine Begleitung, die Pescitarierin ist, ein eher selten verwendetes Stück vom Thunfisch als Hauptgericht zubereitet – siehe Bild weiter unten bitte.
2015 Training at Yamato Ramen School, Kagawa
2016 Training at Nihonbashi ôsaka washoku, Tokyo
2018 Internship at l´effervescence, Tokyo
2018 Perfecting culinary technique course at Basque Culinary Center, San Sebastian
2019 Internship at INUA, Tokyo
2015-2018 Head chef / founder at karma ramen, Vienna
2019 opens the restaurant Noble Savage
Woher der Name des Noble Savage kommt
Der Begriff des Edlen Wilden wurde im Zuge der Kolonialisierung Amerikas in Europa geprägt und ist sowohl obsolet, als auch mit ein wenig Vorsicht zu genießen. Liest man das Mission Statement des neuen Lokals, erscheint die Namensgebung allerdings nachvollziehbar.
Und man wird, besonders wenn man so oft auswärts isst und/oder testet wie ich, in der Sekunde dankbar, dass einen hier wohl nicht „more of the same“ auf den Tellern erwarten wird.
„Cuisine at Noble Savage is cosmopolitan and independent from stereotypes. At our restaurant we cherish high quality and culinary value of organic ingredients grown with love on small family owned farms. Therefore our food is rather simple yet sophisticated, focused on the natural taste and flavour of vegetables, herbs, grains, dairy and some rare meats. We worship slow and dedicated handcraft. Good food is our belief.“
Wer auch das Noble bringt
Die Liste der Lieferanten ist ein Who’s Who an Lieblingsproduzenten. Noch ein paar gute Gründe zur Vorfreude:
- Tristan Toe & Jahwezi Graf, Gars/Thunau am Kamp: Gemüse
- X.O. Beef: alte Kuh
- Oivia & Tobias Micke, Puchberg am Schneeberg: Lamm, Gans
- Gertrude Henzl (henzls ernte): Wildpflanzen aus Eigensammlung, sowie Obst und Gemüse aus Gärten von Familie und Freund*innen
- Robert Paget, Diendorf am Kamp: Büffel- und Ziegenkäse
- Der Schweizer, Wien: Schweizer Rohmilchkäse, Importe aus Britannien
- markta.at: eine Plattform für Bioprodukte von Kleinproduzenten (Dort kannst Du auch deine Lebensmittel bestellen übrigens.)
- Vinifero: Naturweine – siehe folgende Bilder bitte!
Was es zu essen gibt im Noble Savage
Eine der ersten Karten bei unserem Besuch Ende Dezember 2019 enthielt Schwerpunkte in Frankreich und – wenig verwunderlich – Japan mit Sidesteps in die weite Welt. Ich bekam beim Lesen kurz einen flauen Magen. Eine erklärt französisch-chinesische Fusion war nämlich in Gestalt des „What the Duck“ am Yppenplatz unlängst nach knapp eineinhalb Jahren „Experimentieren am Gast“ endgültig geschlossen worden. (Davon habe ich Euch bis dato nichts erzählt, da das Lokal für mich keine Empfehlung wert war.)
Aber langweilig war sie jedenfalls nicht, dieser Karte hier im Noble Savage, sondern aufregend im besten Sinne – Du kannst sie etwas weiter oben sehen. Wir beschlossen zwei Mal das viergängige Menü zu bestellen, das sogenannte „Noble Taste“ um jetzt Euro 55,00. Man sucht sich dafür insgesamt vier beliebige Gänge aus jeder Abteilung aus und kann so zu zweit alle angebotenen Gerichte genießen.
Wer ausreichend Appetit mitbringt, bestellt mit „Savage Feast“ um Euro 99,00 ein Mal die gesamte Karte von oben bis unten – dafür möchte ich eine dringende Empfehlung aussprechen! (Die Portionen sind jeweils realistisch dimensioniert. Wir waren angenehm satt am Ende des Abends)
Das Menü im Noble Savage
Hier kommt nun das aktuelle Menü laut website mit Stand 11. Jänner 2020 – die Karte wechselt täglich. Man darf sich das von der Dynamik her ähnlich vorstellen wie im aend. Je nach Angebot an Produkten werden einzelne Gerichte im Menü adaptiert bzw. ausgetauscht. Man beachte die charmanten Bezeichnungen der einzelnen Gänge bitte:
- Tarte Tartar
Beef tartar, Keta Caviar, Gochujang-Mayo, Roasted Rice Powder- Suppe
Warme Sellerie-Vichyssoise, Sanshō-Öl, Schnittlauchblütensalz- Daily fresh pasta
Linguine with Spicy Pollock Roe from Gwangjang Market- If my mom was French…
Pithivier, Kraut, Ei, Zwiebel- Natural born hero
Puchberger Lamm, Japanese Curry, Korean Royal Family Rice (Private Import)- Afterlife
Old milk cow Filet grilled on charcoal, Salsa verde, Kohlrabi in Anchovis Butter- Victorian beets
Englischer Rote Rüben Pudding aus 1862, Sauerrahm- Bobby Brown is going down
Affogato corretto mit Dulce de Leche Gelato, Ayuuk Empirical spirits, Espresso- Our favourite cheese plate
Ich meine jetzt nicht das teilweise hinreißende japanische Porzellan, auf dem die Gerichte serviert wurden, sondern unsere Teller. Wir hatten:
- Suppe
Warme Sellerie-Vichyssoise, Sanshō-Öl, Bärlauchblütensalz
Sowohl das Öl vom japanischen alias Szechuan Pfeffer, als auch die Schärfe aus dem Salz waren sehr zurückhaltend, der Gesamteindruck aber mollig, mild, wärmend und angenehm.
- If my mom was French…
Pithivier, Kraut, Ei, Zwiebel
Wann hat man zum letzten Mal dieses klassisch französische Blätterteiggericht in Wien bekommen? Ich kann mich nicht mehr erinnern.
Dieses hier schmeckt jedenfalls herzhaft. Einer der erfreulicher Höhepunkte im Menü.
- Cuoro tonnato coreano
Dünn geschnittenes Rinderherz, insgesamt eine Art Hommage an Vitello tonnato, nur eben mit „Thunfisch-Kimchi-Crema“.
Nicht nur Freunde des sauren Geschmacks und alles sauer Eingelegten werden jubeln.
- Pâté
mit getoastetem Hausbrot
Die Pâté wurde für mich ein wenig zu kalt serviert, schmeckte trotzdem wunderbar, ebenso das Brot.
Etwas hat für mich gefehlt … vielleicht etwas Süßes, Fruchtiges?
- Afterlife
Old milk cow Filet, Salsa verde, Kohlrabi in Anchovis Butter
Das Fleisch war perfekt mürbe, erstklassig zubereitet, tadellos. Die Aromen des Kohlrabi wurden nicht von den Anchovis erschlagen, im Gegenteil, die Beilage war erstaunlich mild, sehr fein.
(Die Salsa verde schmeckte bitter für mich, aber ich nehme – wie ein Drittel der Menschheit – den Geschmack Bitter außerordentlich deutlich wahr, zählt also nicht wirklich.)
- Victorian beets
Englischer Rote Rüben Pudding aus 1862, Sauerrahm
Hätte ich mir den Pudding bestellt, wenn der Käse nicht aus gewesen wäre? Wahrscheinlich nicht. Doch dann hätte ich ein großartiges Dessert verpasst: süß und sauer zugleich, ein weiches, seidiges Mundgefühl.
Hätte ich die Rote Rübe bei einer Blindverkostung herausgeschmeckt? Hoffentlich.
Die Begleitung war eher eine stimmige Vanillesauce, also mehr Kanarimilch als Sauerrahm.
- Bobby Brown is going down
Affogato corretto mit Dulce de Leche Gelato, Ayuuk Empirical spirits, Espresso.
Sieht unspektakulär aus, war großartig. Das Eis hätte für mich eine Idee cremiger sein können; schöne Karamellaromen, nicht zu süß.
Besprüht wurde der italienische Kaffee und das spanischen Eis mit einem dänischen Destillat aus einer „Aroma Manufaktur“, von der ich noch nie zuvor gehört hatte. Das mag ich.
Fazit: Das Noble Savage ist ein hübsches Lokal mit ambitionierter, experimentierfreudiger Küche, nettes Service, insgesamt ein schönes Erlebnis mit hohem Potential zum Stammlokal.
Noble Savage
Salzgries 15, 1010 Vienna
Tel.: +43 664 994 98389
E-mail: eat@noblesavage.at
Web: www.noblesavage.at
Öffnungszeiten: Di bis Sa 17.30 bis 23.00 Uhr
Igor Kuznetsov: Chef und Inhaber
Benjamin Tardy: Sous Chef
Sven Steiert: Maitre d’Hotel
Keker Tipp: „A Haggis Feast“, Scottish Burns Night Dinner, 25. Jänner 2020, 5 Gänge um 60 Euro; man kann bereits telefonisch reservieren!
(Beitragsbild: Noble Savage, Interieur © Noble Savage 2020, photo by berries and spiece)