Bodenschätze.
Großes Knollen-Potential unter der Erde vergraben!
“Im Winter da wächst doch kein heimisches Gemüse, ist es da nicht recht öd auf dem Markt? “
Mitnichten, es gibt ein viel besseres Angebot als im Supermarkt und das von österreichischen Gemüse-Bäuerinnen und Bauern!
Wenn’s richtig kalt wird, kann ohne Glashaus nur angeboten werden, was unter der Erde wächst. Alte Kartoffelsorten kehren zurück, Petersiel-, Hafer- und Schwarzwurzeln, um nur drei aufzuzählen, eine Auswahl an Karotten von weiß bis violett, Steckrüben, Rote Rüben und Speiserüben in so vielen verschiedenen Sorten, dass sie kaum jemand alle kennt.
Jede schmeckt gut und jede anders! Zumindest, wenn man keinen durch industrielle Fertignahrung verdorbenen Gaumen hat. Den Blick für die wenig bekannten Raritäten hat man rasch entwickelt. Dann kommt einem schon beim Marktspaziergang ein Gusto auf die schmackhaften, wärmenden Speisen, die man daraus kochen kann.
Topinambur.
Die kleinblütige Sonnenblume mit ‘falschem’ Namen
In ihrer nordamerikanischen Heimat heißt die Verwandte der Sonnenblume heute ‘Jerusalem Artischocke’, obwohl sie weder ein Distelgewächs ist, noch irgend eine Verbindung nach Jerusalem hat. Die spanische Bezeichnung für Sonnenblume ‘girasol’ wurde so lange falsch ausgesprochen bis ‘Jerusalem’ daraus wurde.
Der in Frankreich und im deutschsprachigen Raum gebräuchliche Namen ‚Topinambur‘ wurde ihr im 17. Jahrhundert in Paris zugedacht, als gerade der brasilianische Indianerstamm der ‘Topinamba’ offiziell die Französischen Hauptstadt besuchte und gleichzeitig die ersten ‘heliantus tuberosus’ (lat.) importiert wurden. Da das damals ursprüngliche Verbreitungsgebiet von Nord- bis Mittelamerika reichte, haben die Namensgeber die Knolle sehr wahrscheinlich nicht gekannt. So eigenartig entstehen die Namen vieler Pflanzen und manchmal ist es recht verwirrend, sich mit den nicht gerade logischen Bezeichnungen (wie ‚gelbe Rote Rübe‘) zurecht zu finden. Viele von uns kennen die Topinambur aber auch als Pflanze, die sich ‘ohne Einladung’ im Garten ansiedelt und rasch verbreitet.
Gekocht wird aus dieser ‘Sonnenblume-Knolle’ vor allem eine gute Creme-Suppe. Für mich sind Gemüsechips aus der Topinambur die besten von allen. Man muss die Topinambur nicht schälen, roh kann man sie, im Gegensatz zu vielen andere Knollen, nicht essen.
Als Knollenneuentdeckung hat sie sich auf den österreichischen Märkten in den letzten Jahren gut etabliert und ist zumindest in den Städten heute wahrscheinlich wieder so weit verbreitet wie sie es Anfang des vergangenen Jahrhunderts noch war.
Meine aktuell neueste Entdeckung ist Yacon – eine südamerikanische Verwandte, mit ihrem an Birne erinnernden Geschmack ist diese sicher auch für Süßspeisen bestens geeignet. (Bei Krautwerk am Samstag auf dem Karmelitermarkt oder Biohof – Zum Grünen Baum am Samstag auf dem Kutschkermarkt).
Erdmandeln.
Knabberknollen und ein veganes Milchgetränk
Kleine braune Kugerl auf dem Biostand: Kann ich diese Knollen zu etwas brauchen? Erdmandeln, sagt die charmante junge Marktstandlerin, ah, die spanische Chufa fällt mir ein. Daraus macht man doch die köstliche Horchata. Aber wie soll das feine spanische Getränk aus den gar nicht saftigen Knollen entstehen? Das will ich aber haben, denn schon lange suche ich dieses mandelmilchige Getränk in Österreich. Da entdecke ich das neue Buch Knollen in einer interessanten Gemüse-Reihe (Kohl, Algen!) im Kosmos Verlag mit dem Rezept.
Horchata: 250g getrocknete Erdmandeln mit 1 Liter eiskaltem Wasser 36 Stunden in den Kühlschrank stellen. Mit dem Mixstab pürieren. Durch ein Tuch seihen und noch einmal aufmixen. Fertig.
Doch etwas aufwendig, ich suche lieber weiter DAS Lokal in Wien, das Horchata anbietet. Da die Erdmandelmilch vor allem gut gekühlt schmeckt, ist sie besser im Sommer zu genießen, aber man kann sie jetzt vor allem für viele Desserts als Milchersatz verwenden. Wenn man das Milch-Püree als Ausgangsprodukt für all diese Gerichte mit weniger Wasser macht und nicht durchseiht, kann man es für pikante Gemüsegerichte wie Aufläufe oder gebratene Gemüsepuffer verwenden.
Erdmandeln werden auch als Flocken für Müsli oder als Mehl zum Backen angeboten. Nichts für mich, lieber hab ich die braunen eingeweichten ‘Bemmerl’, wenn sie kurz gebraten sind. Der Kick in Currys! Die getrockneten Cyperus esculentus (lat.) sind wie Bohnen monatelang haltbar und man sie auch getrocknet einfach so knabbern.
(Bei Biohof Rampf – am Samstag auf dem Karmelitermarkt, Naschmarkt – Bauernmarkt, Biomarkt-Langegasse und auf dem Rochusmarkt auch freitags.)
Kerbelwurzeln.
Der Leckerbissen für die große Küche
Für mich könnte die Kerbelknollen zu einem Lieblingsgemüse werden. Sie sind leider im umfassenden ‘Knollen’ Buch nicht enthalten, vielleicht weil sie mehr Pfahlwurzeln als Knollen sind? Das Buch enthält unglaubliche 18 verschiedene, bekannte wie unbekannte Sorten und beschreibt sie vom Anbau über die gesundheitlichen Vorteile bis hin zu Rezepten.
Auf Pariser Märkten sind die Kerbelwurzeln als Cerfeuil tubéreux im Winter fast überall zu haben, da sie gerne als Beilagenalternative zu Kartoffeln verwendet werden. Da im 21. Jahrhundert zum Glück nicht nur in Frankreich Abwechslung in der Küche gesucht wird, kommen die Chaerophyllum bulbosum (lat.) hoffentlich auch bald auf unsere Märkte. Anders als die jahrzehntelange österreichische Einheitsbeilage kann man den Knollenkerbel auch roh essen, einfach in dünne Scheiben geschnitten mit einer Vinaigrette schmeckt sie ‘gemüsig’, ‘kastanig’. Zubereitet sind sie so genauso einfach wie Kartoffeln – gekocht springt sie geradezu aus der Schale. Geschmacklich legen sie dabei ordentlich an Süße zu, werden fast ‚marzipanig‘.
Ein hervorragendes Wintergemüse, das im Oktober geerntet wird, aber nach einigen Wochen Lagerung von Dezember bis März am besten schmeckt.
Kerbelkraut (lat.: Anthriscus cerefolium) ist eine andere Pflanze, wenn auch beide aus der Familie der Doldenblütler stammen.
Das auch Knollenkerbel oder Kerbelrübe genannte Gemüse ist keine neuartige Erfindung, das ‘Beperle’ gab es als Kulturpflanze auch bei uns schon im Mittelalter, heute findet man meist nur noch die verwilderte Form. Findige Köche und Köchinnen, auch aus der sogenannten Spitzengastronomie, posten im Internet Rezepte, die Lust zum Nachkochen machen – wie wäre: Orzotto mit Bier und Kerbelwurzeln?
(In Wien hab ich noch keine Kerbelwurzel gefunden. In München am Viktualienmarkt z.B. bei Weyel Stand 7 – Empfehlung!
Liebe Wiener Marktfahrer_innen: Wäre das nicht etwas für Euer Sortiment?)
Keker Buchtipp:
Knollen – Vergrabene Küchenschätze aus aller Welt
Von Peter Becker, Verlag Kosmos, Preis ca. Euro 25,90
1. Auflage 2016, Umschlag/Ausstattung: 120 Farbfotos, 18 SW-Zeichnungen, 261x21x198mm (LxBxH), Seiten: 160, EAN: 9783440146576