Was haben der Wiener Aktionismus und die frühe Wiener Moderne gemeinsam?
Dieser Frage geht das mumok in seiner Ausstellung KÖRPER, PSYCHE UND TABU vom 4. März bis 16. Mai 2016 nach.
Warum ist eigentlich noch keiner davor auf die Idee gekommen, diese Frage in Form einer Ausstellung zu stellen und zu beantworten?
Günter Brus, Otto Muehl, Hermann Nitsch und Rudolf Schwarzkogler treffen auf Gustav Klimt, Richard Gerstl, Oskar Kokoschka, Koloman Moser, Max Oppenheimer und Egon Schiele.
Wie wunderbar ist das!
Über drei Stockwerke spannt sich die Schau und dem Kunstsinnigen fällt es dabei oft wie Schuppen von den Augen:
Die Parallelen sind offensichtlich.
- Die intensive Auseinandersetzung mit dem menschlichen Körper.
- Die Betrachtung der psychischen und physischen Ebene.
Wien als die Freud’sche Metropole schreit quasi danach, dass sich Künstler mit der Psyche und deren Erkrankungen auseinandersetzen.
Bei der physischen Ebene treten immer wieder die Themen Schmerz und Selbstverletzung ins Zentrum. - Oftmals geht es um Sexualität, Tod, Geburt und diverse Körpervorgänge.
Die schonungslose Darstellung von Geschlechtsorganen findet man etwa bei Schiele und den Aktionisten wieder. - Tabus werden gebrochen. Eine Kunst, die provoziert.
- Die Idee eines Gesamtkunstwerks. Bereits Kokoschka entwickelte ein Drama „Mörder, Hoffnung der Frauen“ in dem es es darum ging, alle Sinne des Publikums mit einzubeziehen. Nitsch mit seinem Orgien Mysterien Theater tut dies bekanntlich auch.
- Die Art der Eigendarstellung: Der Künstler selbst tritt gern als Priester oder eine Art Messias auf. Man denke an Klimts Umhänge und Nitschs weiße Gewänder während den Aktionen.
Kunst als eine Art Religionsersatz mit dem Ziel Katharsis / Erlösung zu erwirken.
Warum gerade Wien?
Wien als die Stadt von Freud. Dieser Einfluss ist augenscheinlich, wie bereits erwähnt.
Sowohl am Beginn des 20sten Jahrhundert, als auch in den 1960er Jahren herrschte eine Art von Um- und Aufbruchstimmung in Sachen Kunst. Es ist eine von Tradition und konservativen Werte geprägte Gesellschaft. Die Österreicher, schon immer Meister der Verdrängung, sind nur wenig bereit sich den aufdrängenden gesellschaftlichen Fragen zu stellen. Alle scheinen in einem Art „Biedermeiertum“ gefangen. Dies ruft die Künstler der Zeit auf den Plan.
Da stellt sich für mich die Frage: Befinden wir uns nicht wieder in einer Zeit, die Künstler zum Aufschreien bringen müsste?
Eine sensationelle Schau, die das mumok hier auf die Beine gestellt hat. Wunderbar herausgearbeitet, informativ, spannend und großartig kuratiert von Eva Badura – Triska.
Am Eröffnungsabend war das Interesse riesig und die Menschen strömten masshaft ins mumok. Möge es so bleiben.
Körper, Psyche und Tabu
Wiener Aktionismus & die frühe Wiener Moderne
mumok, das museum moderner kunst stiftung ludwig
Museumsquartier, Museumsplatz 1, 1070 Wien
Tel.: +43 1 525 000
E-mail: info@mumok.at
website: www.mumok.at
Öffnungszeiten: Mo 14.00 – 19.00 Uhr, Di bis So 10.00 – 19.00 Uhr, Do 10.00 – 21.00 Uhr
Die Ausstellung läuft seit 4. März und noch bis zum 16. Mai 2016!
(1. Beitragsbild:
Günter Brus
Wiener Spaziergang, 1965
S/W-Fotografie / b/w photograph, 39,2 x 39,2 cm
Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, erworben / acquired in 1989 © Günter Brus, 2016
Photo(c) mumok)