Ich sehe A Late Quartet während einer Zugfahrt.
Inmitten des tatsächlichen und bildlichen Alltagslärms heben mich die ersten Sequenzen des Films unmittelbar über das Gegenständliche.
Bild und Ton treffen die Melodie, die am Grunde jedes einzelnen Lebens schwingt.
Das Feine in mir ist angesprochen und wird belebt. Es ist in diesen Momenten schwer, im Augenblick zu bleiben.
Ich bin angezündet. Sobald ich mir dieser Emotionen bewusst bin, treten die beiden Giganten des Lebens – der Tod und die Liebe – fast zeitgleich in die Handlung ein.
Das Streichquartett gerät in den ersten Einstellungen aus seiner komplexen Harmonie, als Peter (gespielt von Christopher Walken) nicht zu seiner gewohnten Form findet. Die Ärztin des Cellisten und primus inter pares erkennt daraufhin die ersten Anzeichen von Parkinson. Wir erfahren von der Ehe von Robert, der zweiten Geige (Philip Seymour Hoffman), mit der Violinistin Juliette (Catherine Keener).
Als Peter den anderen Mitgliedern des Ensembles seinen nahen Abschied aus dem Quartett eröffnet, nutzt Robert die Gelegenheit. Der Vorstoß ist nur halb spontan. Er will sich im Spiel der ersten Geige mit Daniel (Mark Ivanir) abwechseln und ihm also gleichgestellt sein. Daniel, der Roberts und Juliettes vernachlässigte Tochter unterrichtet, lehnt ab.
Aus dieser Konstellation entwickelt sich ein Reigen, dessen Geschehen die Intimsphäre der Protagonisten ins Zentrum des Ensembles bringt. Loyalitätskonflikte, Rache und Betrug drohen dem Quartett den Todesstoß zu versetzen. Aus einem zweiten Blickwinkel mutet die Handlung wie der Stoff für eine Familienaufstellung an. Das Bindeglied für beide Achsen des brillanten Schauspiels ist Beethovens Streichquartett Nr. 14 cis-moll op. 131 (tatsächlich gespielt vom Brentano String Quartet der Universität Princeton).
Können Abschied und Versöhnung gelingen und eine neue Jahreszeit beginnen?
Ich habe geweint.
A Late Quartet (Saiten des Lebens)
2012, USA, 105min
Drehbuch: Seth Grossman,Yaron Zilberman
Regie: Yaron Zilberman
mit Christopher Walken (Peter), Philip Seymour Hoffman (Robert), Catherine Keener (Juliette), Mark Ivanir (Daniel), Imogen Poots (Alexandra), …
FSK 6 Jahre
Seit Februar 2013 auf DVD und iTunes erhältlich.