In die Kinowelt ganz tief eintauchen kann man, wenn man das sympathische, kleine Topkino am Anfang der Gumpendorferstraße wählt.
Ein Glas in der Hand, ohne Werbeablenkung, wird es gleich ganz finster, die Sterne der europäischen Filmunion tauchen auf, gefolgt vom Mond des Stadtkinoverleihs. Von einem Krokodil (am Plakat) verführt bin ich diesmal in Tabu, einem Film des Portugiesen Miguel Gomes gelandet.

Tabu beginnt im heutigen Lissabon, jedoch in kräftigen Schwarz/Weißbildern, und es regnet unaufhörlich. Wir erleben im ersten Teil die Tristesse und Verwirrung der eleganten und gewitzten alten Dame Aurora.

In der Mitte wandelt sich das Filmmaterial in so weiche Bilder wie die portugiesisch gesporchenen ’sch‘. Der Schauplatz ist nun Afrika, wo es wieder regnet. Die junge Aurora ‚hatte eine Farm in Afrika‘ und war im übrigen eine begeisterte Jägerin.
Von den gemeinsamen Tagen in Mosambik erzählt uns ihr damaliger Liebhaber, wodurch der Film zum Stummfilm mutiert. ‚Tabu‘ heißt ein Berg, der nicht weiter vorkommt, man kann auch eine der vielen Anspielungen auf die Filmgeschichte darin lesen, eine Südseegeschichte von Murnau.

Die weißen Kolonisatoren tragen in diesem ‚Tabu‘ weiße Kleidung und sind unbeschwert wie ein junges Krokodil. Die einheimische Bevölkerung bleibt fern und unergründet, wie sie es wohl für die meisten Besatzer der damaligen Zeit blieb. Deren Existenz bleibt verborgen, wie hinter dem hohem Schilfgras, das immer wieder das Bild prägt.
Gomes‘ Erzählung ist fokussiert auf die weiße Jugend und sie erinnert hier in ihrem Verhalten an die Jugend zu allen Zeiten, wenn sie nicht so recht etwas mit sich anzufangen weiß. Bei aller Tragik, in der sich die Ereignisse entwickeln, wirkt der Film zunehmend oberflächlich wie ein Musikvideo, wenngleich eines der besten Sorte. Ein Eindruck, der sich dadurch aufdrängen mag, dass der Liebhaber mit dem schmalen Bärtchen in einer Band spielt.

Ein netter Film, der von vielen hoch gelobt wurde.
Für alle, die eine Filmwelt abseits des Mainstream suchen, die das Portugiesische lieben und sich dem Charme Afrikas zu Beginn des vorigen Jahrhunderts aus dem Blickwinkel von damals nicht entziehen wollen. Ein Film zum ins arglose Schmunzeln flüchten, besonders wenn’s draußen schneit oder regnet.

Am Ende wird es wieder ganz schwarz und dann holen einen die skurrilen 1950er Jahre Lampen des Topkinos wieder sanft ins Heute zurück – und doch sicher noch in die Bar…

 

 

Tabu

2012; Brasilien, Deutschland, Portugal, Frankreich; 118min
Drehbuch: Miguel Gomes, Mariana Ricardo
Regie: Miguel Gomes
mit Teresa Madruga, Laura Soveral, Ana Moreira, Henrique Espírito Santo, Carloto Cotta, Isabel Cardoso, Ivo Müller, Manuel Mesquita, …
FSK: jugendfrei

Gesehen in OmU und Schwarzweiß läuft Tabu derzeit im kleinen Saal des Topkinos; sonntags läuft im großen immer Tatort.
An Auszeichnungen konnte der Film auf der Berlinale 2012 den ALFRED-BAUER-PREIS, den FIPRESCI-Preis und die Auszeichnung der internationalen Vereinigung der Filmkritiker für sich verbuchen.

 

Top Kino

Rahlgasse 1, 1060 Wien
Tel.: 01/2083000
E-mail: office@topkino.at
website:  www.topkino.at

Öffnungszeiten der Bar: Mo bis Sa 15.00 – 2.00 Uhr, Do bis Sa 4.00 Uhr, So 10.30- 24.00 Uhr.
‚Die Qualität des Service schwankt von großer Liebenswürdigkeit bis zu grenzwertiger Lässigkeit, die Küche bringt verlässlich Solides hervor, aber  das Publikum ist immer anregend angeregt und jeden zweiten Blick wert.‘ (club)

 

 

 

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