Les Miserables, das Filmplakat, Foto © Universal PicturesIn Les Miserables wird fast so viel geweint wie gesungen.
Und es regnet oft.
Ein großes Staraufgebot sang live am Set und zeichnet die Neuverfilmung des Musicals auch für Nicht-Fans des Genres als empfehlenswert aus. Auf alle Fälle sollte man genügend Taschentücher eingesteckt haben.

Jean Valjean (Hugh Jackman) wird nach fast zwanzig Jahren aus dem Gefängnis entlassen, in das ihn der Diebstahl eines halben Brotlaibs für seine hungernde Familie gebracht hatte. Der unerbittliche Inspektor Javert (Russell Crowe) beobachtet Valjean argwöhnisch und wartet nur auf einen Verstoß gegen die Bewährungsauflagen. Zermürbt von der Unmöglichkeit als Ex-Sträfling im Leben wieder Fuß zu fassen taucht Valjean unter und nimmt eine andere Identität an.
Jahre später ist er zum Fabrikbesitzer und Bürgermeister eines kleinen Städtchens in der Nähe von Paris aufgestiegen. Er trifft auf die Fabrikarbeiterin Fantine und auch auf Javert, der ihn allerdings zunächst nicht wiedererkennt…

Tom Hooper (The King’s Speech) musste sich naturgemäß bei 1000 Seiten Romanvorlage von Victor Hugo auf irgendetwas beschränken: er wählte die emotionalen Zustände der Protagonisten, während das Elend der Menschen im Frankreich des frühen 19. Jahrhunderts und die Gesellschaftskritik zurücktreten. Die opulent orchestrierte Musik des modernen Klassikers von Michael Schönberg tut das ihre zum Gelingen des Streifens. Atemberaubend auch so manches Szenenbild und großartig die Ausstattung.

Wenn man bedenkt, wie lange und umfangreich das Casting war, verwundert es, dass Hugh Hackman in der Hauptrolle besetzt wurde: besonders in hohen Lagen zeigt seine Stimme ein unangenehmes Timbre. Diese Tatsache schmälert seine beeindruckende schauspielerische Leistung ein wenig – in der Anfangssequenz als Gefangener ist er fast nicht zu erkennen.
Die Entscheidung die Schauspieler am Set live (zu Klaviermusik) singen zu lassen und nicht Monate vorher die Gesangsspur aufzuzeichnen, war in diesem einen Fall diskussionswürdig. Andere sind da ganz anderer Meinung, wurde Hackman doch erst unlängst mit dem Golden Globe als bester Musicaldarsteller ausgezeichnet.

Gesanglich postiv überrascht Russel Crowe. Wie seine Sprechstimme hat auch seine Singstimme viel Körper. Ein Augen- und Ohrenschmaus!
Anne Hathaway hat sich beim Casting für die Rolle der Fantine gegen Jessica Biel, Marion Cotillard und Kate Winslet durchgesetzt, um nur ein paar ihrer Konkurrentinnen zu nennen: ihre Performance hat schon beim Vorsprechen alle in Tränen ausbrechen lassen. Die perfekte Wahl. Sie gewinnt für ihre Rolle als Fantine den Oscar und den Golden Globe als beste Nebendarstellerin 2013.

Amanda Seyfried als Cosette passt mit ihrer glockenhellen Stimme und der Anmutung einer Porzellanpuppe perfekt. Beeindruckend Eddie Redmayne als Marius: herzerweichend gibt er den idealistischen Liebenden aus gutem Haus und überzeugt als Sänger, auch in den starken Ensembleszenen mit den Revolutionären von 1832. Von ihm will man mehr sehen. Ebenso wie vom Anführer der Revolutionäre (Aaron Tveit als Enjolras) und von Samantha Barks als Éponine, die diese Rolle schon mehrmals auf der Bühne gespielt hat. Helena Bonham Carter und Sacha Baron Cohen sorgen als Ehepaar Thénardier für rare Momente der Komik.

Kamera und Schnitt sind ungewöhnlich: lange Close-Ups in den Soli nehmen den Zuseher gut in die emotionalen Befindlichkeiten der Helden mit. Das muss man sich ‚mal trauen: eine gequälte Seele, die tränenreich ihr Leid besingt so nah und so intensiv zu zeigen. Es hilft, dass Anne Hathaway auch in der größten Verzweiflung berührend schön bleibt.

Historisch ungenau, manchmal im Stil eines Disneymärchens nimmt der Film dennoch gefangen. Kaum kann man sich den intensiven Darstellungen von Rache, Läuterung, Selbstzweifel, Glaube, Liebe und Verzweiflung entziehen. Selbst mir, bekennender Hasserin des Genres Musical, kamen des öfteren die Tränen, drei Mal um genau zu sein. Nur die Liebesszene im nächtlichen Garten zwischen Cosette und Marius war mir dann doch zu süßlich, denn blühende Kirschbäume im Hintergrund, ein Schmetterling auf dem die Verliebten trennenden Gartengitter: was zu viel ist, ist zu viel.

Für Musicalfans obligatorisch.

Danach passt eine Stärkung im Beaulieu oder ein Glas Champagner im Le Cru wunderbar.

 

 

Les Miserables

2012, GB, 152min
Buch:  William Nichlolson nach dem Roman von Victor Hugo (1862)
Regie: Tom Hooper
mit Hugh Jackman, Russell Crowe, Anne Hathaway, Eddie Redmayne, Samantha Barks, Sacha Baron Cohen, Helena Bonham Carter, Amanda Seyfried,…

FSK 12 Jahre
der Film läuft in vielen Wiener Kinos
Auch in der deutschsprachigen Fassung hört man die originalen Singstimmen der Stars, es zahlt sich aber aus sich für die Originalfassung zu entscheiden.

 

 

 

 

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