Bei Familientreffen mit Hindernissen ist nomen tatsächlich omen:
die Familie ist unüberschaubar groß und das Kinopublikum kämpft beim Filmgenuss nicht nur deshalb mit Hindernissen.
Trotzdem: für Menschen, die wie ich in den späten 1970er Jahren Kind waren, bietet die (vorletzte) Regiearbeit von Julie Delpy einen vergnüglichen Rückblick auch auf die eigene Vergangenheit.
Eingebunden in eine kurze, psychologische gut gestrickte Rahmenhandlung aus der Jetztzeit, schickt uns ein Tagtraum der Hauptfigur Albertine in die Kindheit derselben zurück: es ist 1979 und zum Geburtstag der Großmutter versammelt sich eine bunte Großfamilie aus Stadt und Land in der malerischen Idylle von St. Malo in der Bretagne.
Man schlachtet, kocht, isst, trinkt, plaudert, singt und feiert zwei Tage lang zusammen.
Manches davon zu viel.
Ideologien treffen aufeinander, Emanzipation auf Machotum, linkes Gedankengut auf reaktionäre Haltungen, Intellekt auf Gefühl, ganz nebenbei findet Skylab sein Ende im Absturz auf der Erde und die elfjährige Albertine steigt von der Kindheit zum himmlischen Frausein auf.
Als Zuseher gibt man sich zunächst der Idylle hin und ist zunehmend gespannt, wann sich die Geschichte wohl entwickeln wird. Allein, hier entwickelt sich nichts.
Schafft man es, dies zu akzeptieren und genießt die unglaubliche Spiellust der Schauspieler genauso wie die beeindruckend perfekte Ausstattung, dann bekommt man einen berührenden, kleinen Ensemblefilm serviert. Leicht nostalgisch und schmunzelnd verlässt man das Kino.
Bleibt man seinen Prinzipien als gelernter Cineast allerdings treu, verzweifelt man am nicht ausgefeilten Drehbuch, an zumindest mangelhafter Dramaturgie und am feigen Schnitt.
Mit witcraft wäre das nicht passiert, denke ich mir und bin erstaunt wie Julie Delpy es schafft, sich nach ‚2 Tagen in Paris‘ (2009) und Le Skylab (2011) mit ‚2 Tage in New York‘ (2012) nun ihre dritte Regiearbeit zu ermöglichen.
Diese Frau hat zwei Filme gleichzeitig in Wien laufen – eigentlich unfassbar!
Für Menschen jenseits der 40 vergnüglich, für Jüngere auch aus historischen Aspekten interessant; definitiv nichts für Cineasten mit hohem Anspruch oder Ungeduldige.
Familientreffen mit Hindernissen. Le Skylab
2011, F, 113 min
Drehbuch und Regie: Julie Delpy
mit Lou Alvarez, Julie Delpy, Eric Elmosino, Vincent Lacoste, Noémie Lvovsky, Aure Atika, Albert Delpy,…
FSK 12 Jahre
‚2 Tage in Paris‘ gibt es auf DVD, ‚2 Tage in New York‘ läuft in den Wiener Kinos.
‚Familientreffen mit Hindernissen‘ haben pia und ich im Admiralkino gesehen – vermutlich das ideale Kino für diesen Film. Ansonsten läuft er noch in einigen anderen Wiener Kinos.