Kino. Barbara, ein Film von Christian Petzold

Barbara, ein Film von Christian PetzoldWenn es dann in Barbara endlich zur Flucht kommt, hat der Film einen längst völlig gefangen genommen.

Aus den Wellen des nachtschwarzen Meeres taucht eine noch schwärzere Gestalt
auf und diesen beiden muss man jetzt, um zu entkommen, das Leben
anvertrauen…

Bis dahin war es ein Film voller sonnendurchfluteter Szenen – ein weicher Hauch scheint über diesem deutschen Spätsommer zu liegen, auf der Ärztin Barbara, die von der Arbeit nach Hause radelt. Warmes Licht in den Gängen des alten Krankenhauses, den bröckelnden Fassaden der Kleinstadt, in den Wäldern und auf den Wiesen an der mecklenburgischen Ostseeküste.

Nach seinem letzten Film „Yella“ dreht Christian Petzold jetzt wieder auf analogem Material, und das taucht den Film in herrlich sanfte Farben. Der Regisseur stellt Sommer und Farben bewusst gegen ein graues Bild der DDR, das für ihn ein falsches ist.
Petzolds Bilder im Kopf sind das Heimweh seiner Eltern, die aus der DDR geflüchtet waren. Er hat an diesen Sehnsuchtsorten als Kind mit ihnen gemeinsam seine Ferien verbracht. Dort war er auch im Krankenhaus, wenn er sich einmal verletzte und erlebte, wie erholsam der fehlende Zeitdruck war.

Seine Hauptfigur Barbara ist nicht freiwillig hier.
Nachdem sie einen Ausreiseantrag gestellt hatte wurde sie inhaftiert und schließlich von der renommierten Berliner Charité in dieses Provinz-Krankenhaus versetzt. Sie weiß vom ersten Moment ihrer Ankunft an, dass sie von allen beobachtet und von der Staatspolizei überwacht wird. Weiß, dass alle über sie Bescheid wissen, über ihr Vergehen, das sie mit dem Ausreiseantrag an der Republik begangen hat.
Aber was berichteten die Mitbürger? Wird sie bei jedem Gespräch ausgehorcht, wo muss sie misstrauen, welchen Rat kann sie befolgen, was muss sie zurückweisen, was kann sie annehmen?

Barbara beherrscht ihre Emotionen, zeigt eine verschlossene, kontrollierte Haltung, die sie abweisend wirken lässt. Nur als Ärztin ist sie unmittelbar beteiligt am Schicksal ihrer PatientInnen, für die sie sich einsetzt, mehr noch, als es von ihr beruflich erwartet wird. Aber gerade von den Kolleginnen wird ihr distanziertes, städtisches Auftreten misstrauisch beäugt.

„Im protestantischen und preußischen Osten wehrte man sich gegen Luxus und Verschwendung, und dagegen wehrt sich Barbara – mit Dunhill-Zigaretten und Seidenunterwäsche …“ (Zitat: Petzold)
Barbara denkt: „Ich bin nicht wie ihr und ich bin hier bald wieder weg, auch wenn ihr’s noch nicht wisst.“ (Zitat: Hoss)

Dieses Desinteresse an der neuen Umgebung rührt daher, dass ihr Geliebter aus dem Westen bereits die Flucht vorbereitet. Bei einem ihrer geheimen Treffen meint er, er könne doch auch mit ihr im Osten leben und kurz danach: „Wenn du im Westen bist, kannst du ausschlafen. Du brauchst nicht mehr arbeiten.“
Wir lesen lange in Barbaras Gesicht, versuchen ihre Reaktion darauf zu entschlüsseln.

Der Film ist wortkarg, emotional ohne äußeres Drama. Die Kameraführung ist ruhig, die Stimmung in all dem warmen Licht kühl wie Barbara. Das gemeinsame Thema in Petzolds bisherigen Filmen ist Leben und Tod – und ein Krankenhaus ist vielfach der Ort der Entscheidung darüber. Wozu fühlt Barbara sich berufen, wie entscheidet sie für ihr eigenes Leben und das anderer?

Die DDR im Jahr 1980 ist in jedem Detail authentisch dargestellt – gefühlt bis hin zur Geräuschkulisse. Diese Verweise auf die Historie werden ohne Anbiederung sehr zurückhaltend eingesetzt.
So schäbig die Barbara zugewiesene Wohnung ist, so zeitlos einladend ist die ihres Chefs Andre, in aller Einfachheit mit den Büchern und dem Gemüsegarten. Die DDR will Petzold nicht einheitlich grau, sondern ihr Gutes wie ihr Schlechtes zeigen.
Ein Wessi, der nicht verurteilt, nicht bemitleidet, sich nicht lustig macht und nicht romantisiert, der die Menschen ernst nimmt.
Das spürbar Reale macht diesen Film aus und doch spielt die DDR nicht die Hauptrolle. Die Inspiration kam von eine Novelle über eine kommunistische Widerstandskämpferin Ende der 1920er Jahre (H. Broch „Barbara“).

Unabhängigkeit und Freiheit kann man Barbara wie es scheint nicht nehmen, wenn sie so auf ihrem Rad mit und gegen den Wind fährt. Sie bleibt trotz ständiger Bedrohung als Individuum ungebrochen.
Man kann sich gar nicht vorstellen, dass Nina Hoss nicht immer die aufrechte Ärztin mit dem akkuraten Haarknoten ist.
Auf solche Menschen möchte man treffen – so gut kann man sein, auf jeder Seite einer Grenze.

Ein faszinierender Film mit zwei großartigen HauptdarstellerInnen.
Und wenn ich krank bin möchte ich, dass Dr. Andre in meinem Zimmer wacht – und meine Hand soll Dr. Barbara halten.

Barbara

2012, D, 105 min
Drehbuch: Christian Petzold gemeinsam mit seinem früheren Lehrer an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin, Farun Haroki, der jetzt an der Akademie der Bildenden Künste in Wien unterrichtet.
Regie: Christian Petzold
Darsteller: Nina Hoss, Ronald Zehrfeld, Rainer Bock, Christina Hecke, Claudia Geisler, Jasna Fritzi Bauer, Barbara Petzold, Deniz Petzold

Auszeichnungen: Silberner Bär für die beste Regie bei der Berlinale 2012
Verleih: Stadtkino

 

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5 comments

  1. Mischa

    + weiß jemand von Euch wie man die Haare so knotet? Möchte das gerne ausprobieren!

    • club

      hm, hm…mit scheint’s dafür ist dein haar zu lang.
      ansonsten heißt das zauberwort wohl „locker“ !
      keke grüße!

  2. mir

    Barbara wird zum Oscar geschickt!